14. März 2024

Nachdem ich gestern mehrfach lang und breit lamentiert hatte, warum ich das Fahrrad diese Woche nicht reparieren lassen kann – nämlich aufgrund einer Vielzahl an hochkomplexen Gründen – entschied ich heute, damit ins Büro zu fahren und in einer späten Mittagspause einen Reparaturtermin wahrzunehmen, den ich auch gleich erklickte. Anschließend fuhr ich in Gang 1 – dem einzigen verbleibenden Gang von 7 – acht km ins Büro. Diese Prozedere dauerte 47 Minuten, ich hatte jede einzelne davon sehr schlechte Laune. Nach Ankunft verzehrte ich zunächst ein Brot mit Käse und Spiegelei, um wieder zu Kräften zu kommen.

Gegen 15 Uhr hatte ich mich ausreichend erholt, um zum Reparaturtermin weiterzufahren. 2 km entfernt. Ich hatte nach der Erfahrung vom Morgen mit einer Fahrzeit von einer halben Stunde gerechnet, kam aber schon nach 10 Minuten an, vor verschlossener Tür, es war Mittagspause da. Also wer macht denn um diese Zeit Mittagspause? Ich machte Grimassen vor der Tür, entdeckte zu spät, dass jemand im Laden war, über meine Grimassen lachte und öffnete.

Ich habe ja ein Leihfahrrad, ein Swapfiets, und der Laden – das Durchdachte der Einrichtung, die maximale Effizienz – erinnern mich an Mr. Wash. Wer hätte gedacht, dass gleich zwei meiner Happy Places fahrzeuggebunden sind. Zwanzig Minuten später war das Rad wie neu, es fährt jetzt so leicht, dass ich sofort googlete, wann die nächste Tour de France stattfindet.

Dennoch fuhr ich nicht mit dem Rad wieder nach Hause, ich hatte nämlich noch eine ganz andere Aufgabe. Vor sehr kurzem wurde mir zugerufen, ich könne ab morgen ein „Abi-Poster“ in der Schule aufhängen, jedoch nur mit dem Klebeband von Herrn M., alles andere sei verboten. Ich wusste die Information zunächst nicht einzuordnen. Was um alles in der Welt ist ein Abi-Poster, wer ist Herr M und was hat es mit dem Klebeband auf sich? Gestern, als M, der Kater und ich bei der Tierärztin warteten, war endlich Zeit, nach den Details zu fragen. Ein Abi-Poster ist ein Poster, auf dem den Prüflingen Mut zugesprochen wird und Eltern, die ihr Kind lieben, machen so eins, no pressure. Herr M ist der Schulsekretär und das Klebeband muss ein Spezielles sein, weil die Poster an Glaswände geklebt werden und das Klebeband später rückstandslos wieder entfernt werden muss. So viel erfuhr ich, dann rief die Tierärztin den Kater auf – die Aufrufart fand ich sehr komisch, habe ich so auch schon in der Tierklinik gehört, es wird „für [Name des Tieres]“ aufgerufen, also in unserem Fall „für Charly bitte!“. Verstehe ich nicht.

Egal, ich hatte mir jedenfalls einen Reminder „Abi Poster machen“ gemailt, den ich heute im Büro vorfand und gegen 16:20 war es so weit, dass ich einen Moment Ruhe fand und, nunja, ein Abiposter erstellte. Um 16:32 ging die erste Korrekturfassung an Cucinacasalinga und während sie Zeichensetzung und Grammatik bemängelte fügte ich in einer überarbeiteten Fassung noch etwas Kitsch hinzu, machte einen Probedruck und rief um 16:51 den Copyshop an, der bei Google die Bewertung „bester Copyshop der Welt“ hat. Am Telefon versicherte man mir, man sei versiert in Abi-Postern, ich solle nur kommen und 5 Minuten Zeit (und etwas Geld) mitbringen, bis 19 Uhr ist geöffnet.

So traf ich pünktlich im Copyshop ein und wurde sofort informiert, dass ich für Abi-Poster am richtigen Ort sei, man wüsste alles. Die Schule wurde abgefragt, zu den Konventionen (Größe, Papierart) dort beraten, meine Datei auf passende Auflösung untersucht und dann durfte ich den Laden verlassen, um irgendwo Bargeld zu suchen, man kann da nämlich nicht mit Karte zahlen. 15 Euro kostet die Version in A1. Während ich wartete, holten zwei Personen eine gebundene Bachelor-Arbeit ab, beiden wurde sie beidhändig mit festem Blick und „Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg!“ überreicht.

Morgen früh werde ich Herrn M kennenlernen. Und sein Klebeband. Ich werde berichten.

Heute wird in der täglichen Contentvorschlagliste gefragt: „Reisen Sie gerne alleine oder lieber in Gesellschaft? Wie hat sich Ihr Reiseverhalten in den letzten Jahren verändert?“

Ich reise überhaupt nicht sonderlich gern, ich habe es mir ja zu Hause schön eingerichtet, warum soll ich da ständig wegfahren? Gleichzeitig reise ich außerordentlich gern, weil ich dann Dinge sehe, die ich noch nicht kenne und weniger Zeug um mich herum habe, also zu Hause, den Kopf freier habe. Am Liebsten reise ich allein, weil ich mich dann mit niemandem absprechen und auf niemanden Rücksicht nehmen muss, am Liebsten reise ich auch mit Leuten, die ich mag, weil ich dann immer gleich wen zum Reden über das Erlebte habe und andere mich auf noch mehr Ideen bringen, als ich sowieso schon habe.

Wie mein Reiseverhalten sich in den letzten Jahren verändert hat, liegt am Lauf der Zeit:

Vor 2020 hatte ich ein 15jähriges Kind, das lässt man noch nicht ständig allein zu Hause, um zu verreisen. Nach 2020 war eine weltweite Pandemie, da reiste man nicht so sehr herum. Als die Pandemie halbwegs beendet war, war mein Kind 18, das ist eine völlig andere Situation. Dafür sind mittlerweile die Katzen älter, die Putzhilfe hat gewechselt und das Leben anderer, unter anderem meiner Eltern, so weiterentwickelt, dass sie nicht mehr zum Katzensitting in eine andere Wohnung einziehen. Ab diesem Sommer bin ich – für Familienreisen – nicht mehr an die Schulferien gebunden. Ich habe vor 2 Jahren entschieden, dass ich nie wieder im Sommer in den Süden reisen werde. Ich habe zum meinem 50. Geburtstag von Fragmente eine Reise geschenkt bekommen und mir mit Schanuf gegenseitig eine Reise geschenkt, ich habe vor 2 Jahren begonnen, mit Frau Herzbruch einmal im Jahr zu verreisen, wie es dazu kam, erinnern wir beide nicht mehr, jedenfalls hat sich das Konzeptin allen Fällen so bewährt, dass wir es fortgeführt haben und zwei weitere Freundinnen dieses Jahr mit mir Wochenendreisen machen möchten.

Die letzten zwei Sommerurlaube haben wir mit Herzbruchs verbracht, den ersten, weil Frau Herzbruch meine gebuchte Reise mir einfach mit „du hast doch nichts dagegen oder?“ nachgebucht hat, weil ich nicht nur nichts dagegen hatte, sondern es für alle Beteiligten schön war, haben wir im nächsten Jahr gleich zusammen gebucht und für dieses Jahr auch wieder – vielleicht bleiben wir einfach dabei, so, wie wir ja auch Silvester immer zusammenfeiern, weil niemand sich jemals mehr den Stress machen will, zu überlegen, was man mal Silvester machen könnte. Das mit den Sommerurlauben haben wir vor 2020 nicht gemacht, aus keinem speziellen Grund, wir kamen einfach nicht auf die Idee, es hätte vielleicht aber auch nicht so gut geklappt, weil es bestimmt einfacher ist, die Interessen einer 19jährigen mit einem 15jährigen zu koordinieren als einer 15jährigen mit einem 11jährigen.

Also, schlicht, Lauf der Zeit, natürliche Entwicklungen. Außer das mit Frau Herzbruch, das ist, weil sie so warmherzig ist und ich schreibe das nicht nur, weil sie mich schriftlich dazu aufgefordert hat nur, weil ich ein paar Daten bei ihr nachfragen musste.

13 Kommentare zu „14. März 2024“

  1. Zum Aufruf bei der Tierärztin: Das kenne ich auch so, ich erkläre es mir damit, dass immer mal wechselnde Leute das Tier begleiten (die nicht alle unbedingt denselben Namen haben). Und in der Hundeschule hat sich eh niemand die Mühe gemacht, unsere Namen zu lernen, wir waren halt nur die, die zu Becky gehören, da lief alles über ihren Namen.
    Und ich bin der Überzeugung, es spiegelt auch die Wertschätzung wider, Hunde sind nämlich toll und die Menschen einfach nur zu doof um angemessen zu kommunizieren. 😉

  2. sollte ein weiteres abi-poster aufgehaengt oder erstellt werden sollen, melde ich mich hiermit bei bedarf freiwillig, eine illustration undoder einen reim beizusteuern. es waere mir eine ehre!

  3. In meinem Hirn (Abteilung Archiv) ist es so abgespeichert, dass die TMFA in der Vorabendserie „Ein Heim für Tiere“, mit dem Für anfingen, allerdings plus Nachname: „Für Novemberregen“ [sc. und das Tier, das sie mitbringt].
    Das wurde dann von den echten TMFA bis heute kopiert, inklusive Varianten. Aber ich mag mich irren.

    1. Ich verstehe das alles gut, wenn man ein Tier abholt, also nicht in Begleitung des Tiers im Wartezimmer sitzt. Dann kann man ja schlecht das Tier aufrufen. Vielleicht wurde das auch aus pragmatischen Gründen einfach immer so gemacht, warum großartig differenzieren.

    1. Das wollte sie explizit nicht und es gehört dazu, dass es ein bisschen peinlich ist. Ich habe sie vorher nur gefragt, ob sie irgendwas definitiv nicht will, sie wollte keine Kinderfotos und nicht auffällig groß.

      1. Die Überraschung ist doch gerade wichtig! Morgens ankommen und das eigene Plakat suchen ist der halbe Spaß, oder war es hier jedenfalls. Zumal es mehrere Stellen gab, an denen Abiplakate aufgehängt wurden, Zäune und Geländer. (Und mit Kabelbinder statt Klebeband.)

  4. Danke für das Learning, was ein Abi-Poster ist. Ich bin immer noch entsetzt, dass das „Eltern müssen für ihre Kinder basteln“ jetzt bis zum Abi geht – und es hat ja nunmal nicht jeder Eltern mit Kreativität, Zeit und Geld für so ein Zeug. Theoretisch ist das eine nette Idee. Praktisch für viele vermutlich ein Alptraum – ein weiterer Baustein vieler kleiner Demütigungen in der Schule, wenn man nicht so ein tolles Plakat bekommen hat von seinen Eltern.

        1. Es gab ganz viele verschiedene Poster. Manche waren gemalt, oder einfach beschrieben (mit „viel Glück!“ oder so etwas), manche eher Collagen, manche (wie meins) zusammengeklickt und ausgedruckt, viele waren auch von den Lehrer*innen für ihre Kurse oder von Freund*innen für einander. Ich konnte nicht identifizieren, ob manche möglicherweise auch für sich selbst ein Poster erstellt haben, Raum gefunden hätte das ganz sicher auch. Es sah sehr bunt und fröhlich aus.

          Ich finde nicht, dass es sinnvoll ist, schöne Dinge für manche Menschen nicht zu tun, weil nicht für alle Menschen schöne Dinge getan werden. Das würde, fürchte ich, in Summe recht freudlos.

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