1. Juli 2025 – Barfuß
Einen weiteren Hitzetag habe ich ohne Leiden überstanden. Natürlich schon mit Hass. Kopfdröhnen, Übelkeit und Schwindel blieben jedoch aus. Ob das wirklich an ein bisschen Salz liegt? Oder vielleicht daran, dass ich momentan meine Eisentabletten regelmäßig nehme? Oder am Alter? Oder an einer Mischung aus allem? Ich weiß es nicht, genieße es gleichzeitig sehr.
Der Weg zum Büro war heute früh noch sehr leicht, es waren nur 26 Grad, ich ging einen Teil des Weges zu Fuß, um mich vor der großen Hitze noch ein wenig zu bewegen. Leider trug ich dabei ein Paket mit mir herum aufgrund einer Verkettung von Misslichkeiten. Am ersten DHL-Point ging ich versehentlich vorbei. Beim zweiten war „wegen Krankheit geschlossen“. Den dritten mag ich nicht, da riecht es immer nach Rauch und ich dann, wenn ich wieder herauskomme, auch. Ich ging absichtlich vorbei. Der vierte (Einkaufszentrum) hatte entgegen meiner Erwartung geschlossen. Der fünfte, Postfiliale, ist nun dauerhaft geschlossen. Ich trug das Paket also ins Büro, von da werde ich es irgendwann wieder mitnehmen. Heute nicht, heute war ja Schwimmen!
Zum Schwimmen mit Fragmente komme ich neuerdings immer zu spät, was sehr untypisch für mich ist. Jedes Mal passieren ausgerechnet bei dieser Verabredung relativ absurde Dinge, gleich zweimal bin ich auf dem Weg zu Fragmentes Auto schon im Aufzug steckengeblieben (also: allein in diesem Jahr!). Heute musste ich nach problemlos bewältigter Aufzugfahrt wieder umkehren und meine Schuhe im Büro abholen. Ich war versehentlich barfuß losgegangen. Dabei war ich gar nicht barfuß im Büro, sondern trug dort sehr hochwertig spitz zulaufende Ballerinas, die nur im Büro getragen werden. Für den Weg hatte ich Sandalen, in denen ich gut laufen kann, die dafür eher hässlich sind. Als es 17 Uhr war – um 17:30 Uhr waren wir verabredet – wollte ich schon einmal zurück zu den Schuhen wechseln, deren Stärke im Gebrauch, nicht in der Optik liegt, also zog ich die anderen, deren Selling Point die Schönheit, nicht die Langlebigkeit ist, aus. Und dann geschahen Dinge, unter anderem ein Anruf vom Chef, der mich erneut – zum dritten Mal innerhalb von 4 Tagen – völlig konsternierte. Als wir auflegten, war es höchste Zeit zu gehen, also ging ich und bemerkte erst im Aufzug, dass ich keine Schuhe trug. An den angenehm erfrischenden Gefühl an den Fußsohlen.
Auch auf dem Weg zu Fragmente machte mir die Hitze nichts aus. Natürlich nahm ich sie zur Kenntnis: als ich in der Betonschlucht an der Ampel stand und ein Luftzug kam, fühlte es sich exakt so an, wie wenn ich zu Hause Pizza mache und die Backofentür öffne.
Der See war mir einen Tick zu warm, objektiv hatte er knapp über 25 Grad. Trotzdem war das Schwimmen sehr schön, auch wenn das Wasser sehr trüb war und etwas an meinen Fuß stieß (Wels??). Auf der Plus-Seite: ein illegal schwimmender Hund, viele schöne Libellen und ein eleganter Storch.
In der täglichen Contentvorschlagliste findet sich heute folgende Frage: „Wie wurden Sie so kompetitv – ist das quasi angeboren oder war es in Ihrer Kindheit aus irgendwelchen Gründen besonders wichtig?“
Was soll das werden, Psychoanalyse? Glücklicherweise habe ich exakt diese Thematik schon therapeutisch durchgesprochen und muss mich jetzt nicht heute Abend noch auf ein Sofa legen und nachdenken.
Es ist folgendermaßen: ich bin nicht klassisch kompetitiv sondern habe einen dynamisch-kooperativen Hochleistungsdrang. Ich suche Bewegung (statt Stillstand), Verdichtung (statt Streckung), Intensität (statt Mittelmaß). Reibung, Herausforderung, Risiken sind dabei irrelevant. Wiederholung ohne Entwicklung langweilt mich, Sicherheit ohne Wagnis auch.
Kooperativ ist das ganze, denn: ich muss nicht gewinnen. Ich bin kompetiv, weil ich diese Energie liebe; nicht um zu überleben. Ginge es ums Gewinnen, würde ich mich mich Personen umgeben, die weniger Power haben als ich. Das Gegenteil ist aber der Fall, ich umgebe mich mit Personen, die ähnlich sind, die mitdenken, mitrennen, mitbrennen. Es ist eine Energie, die aus Leistung ohne Enge entsteht und viel Raum und viel Input braucht.
Mein biografischer Kontext passt dazu – ob das etwas zu bedeuten hat, können wir natürlich nur spekulieren.
Ich bin mit fünf älteren Kindern (zwei davon Geschwistern) im Haushalt aufgewachsen. In so einem System lernt man, sich zu behaupten, ohne sich zu isolieren. Also schnell zu reagieren, Lücken zu nutzen, nach vorne zu gehen statt zu jammern und gleichzeitig verbindlich zu sein, Resonanz zu erzeugen, die Gruppe nicht zu verlieren, weil Kooperation überlebenswichtig ist.
Die Risiken dabei: Andere vereinnahmen und überrollen. Eine gewisse Einsamkeit im hohen Tempo. Ignoranz gegenüber eigenen (körperlichen und seelischen) Bedürfnissen. Burnout.
Und manchmal rennt man eben barfuß los.