Autorenname: Novemberregen

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil III

Gestern hatten wir die Formen der Gewinnausschüttung, heute kommen also die Kennzahlen. Also die Kennzahlen zur Beurteilung einer Dividende.

Irgendwie muss man ja zu einer Einschätzung kommen können, sagen können, ob sie hoch oder niedrig ist und in Bezug auf was überhaupt, “hoch” und “niedrig” sind ja relative Begriffe und finden erst im Vergleich einen Sinn. 

Betrag der Dividende

Das ist der absolute Betrag der Dividende – also der Euro-Betrag, der pro Aktie ausgezahlt wird. Ein einfacher Wert, der natürlich immer und von allen mit dem Betrag der Dividende der Vorjahre verglichen wird – je nach Interessenlage bewerten die Betrachtenden ihre Beobachtung aber natürlich unterschiedlich.

Der Betrag der Dividende sagt für sich allein noch nicht viel aus. Nehmen wir als Beispiel nochmal die Lindt & Sprüngli AG, die haben am 27.4.23 eine Dividende in Höhe von 1.300 CHF (also ca. 1.333 EUR) gezahlt. Und im Vergleich BMW, die haben am 16.5.23 eine Dividende in Höhe von 8,50 EUR gezahlt. 

Eine Person, die eine Lindt & Sprüngli-Aktie hat bekommt also einen höheren Euro-Betrag als Dividende ausgezahlt als eine Person, die eine BMW-Aktie hat.

Dividendenrendite

Die Dividendenrendite betrachtet die Dividende im Verhältnis zum aktuellen Börsenkurs der Aktie. Die Fragestellung ist hier also: wie viel krieg ich für mein eingesetztes Geld? Man kann mittels der Dividendenrendite verlgeichen, welche Aktie mehr an Dividenenerträgen im Vergleich zum Kurswert (also: ihrem Preis) bringt als andere.

Man teilt dafür den Betrag der Dividende durch den aktuellen Kurswert und multipliziert mit 100, um ein % – Ergebnis zu erhalten.

Bei Lindt sieht es so aus: der Aktienkurs (der sich natürlich täglich ändert) lag bei der Ausschüttung bei 115.392,48 EUR, so viel hat also eine Aktie gekostet. Teilt man das durch 1.333 EUR und multipliziert mit 100, erhält man 1,15 %. Die Dividendenrendite von Lindt betrug also 1,15 %.

Bei BMW lag der Aktienkurs bei 106,16 EUR, im Vergleich also ein Schnäppchen. Es gab aber ja auch nur 8,50 EUR Dividende. Die Dividendenrendite beträgt hier 8,50/106,16*100, also 8,01 %. 

Eine Person, die eine Lindt-Aktie hat bekommt also prozentual pro Euro, den sie bezahlt hat, weniger als Dividende ausgezahlt als eine Person, die eine BMW-Aktie hat.

Wichtig an dieser Stelle: mit der wirtschaftlichen Realität des Unternehmens hat das alles nicht direkt etwas zu tun. Die Dividendenrendite ist eine rein rechnerische Größe. Sie bezieht sich auf den Aktienkurs und der Aktienkurs zeigt an, wie hoch der Börsenwert, also: die Nachfrage nach Anteilen (=Aktien) an dem betreffenden Unternehmen ist. Der Aktienkurs ist kein direkter Indikator dafür, wie profitabel ein Unternehmen ist. 

Und noch einmal wichtig: die Dividendenrendite ist nicht dasselbe wie die Aktienrendite. Die Dividendenrendite ist ein Teil der Aktienrendite. Die Aktienrendite schauen wir uns jetzt nicht genauer an, weil das Thema hier die Divdende ist.

Ausschüttungsquote (in Bezug auf den Gewinn)

Erst ab jetzt kommt bei unserer Betrachtung der Geschäftserfolg des Unternehmens ins Spiel, nämlich mit der Ausschüttungsquote. 

Wir können zum einen den Ausschüttungsbetrag (also: den Gesamtbetrag, der in Dividenden ausgeschüttet wird)  in einen Bezug zum Gewinn setzen, dann rechnen wir: Ausschüttungsbetrag/Nettogewinn*100

Ganz platt könnte man annehmen, die Ausschüttungsquote gibt Auskunft darüber, ob das Unternehmen sich die Dividendenzahlung überhaupt leisten kann. Aber so einfach ist es natürlich auch wieder nicht.

Dennoch: wenn die Ausschüttungsquote über 100 % liegt, also der gesamte Ausschüttungsbetrag größer ist als der Gewinn, den das Unternehmen in der entsprechenden Periode gemacht hat, dann lohnt es sich natürlich zu schauen, woher das Geld kommt, das da verteilt wird.

Und wenn die Ausschüttungsquote unter 100 % liegt, ist es natürlich interessant, wie der Rest des Gewinns verwendet wird und warum die Verteilung so getroffen wurde.

Daneben gibt es noch einen anderen Aspekt, der wichtig ist, nämlich die Ausschüttungsquote in Bezug auf den Free Cash Flow.

Ausschüttungsquote (in Bezug auf den Free Cash Flow)

Die Ausschüttungsquote in Bezug auf den Free Cash Flow berechnet man Ausschüttungsbetrag/Free Cash Flow*100. 

Vielleicht fragen Sie sich, was da jetzt der Unterschied zum Gewinn ist oder was Free Cash Flow überhaupt ist. Das erkläre ich jetzt.

Gewinn und Free Cash Flow (FCF) sind beides sind Kennzahlen, die anzeigen, wie profitabel ein Unternehmen ist. Aber Gewinn bemisst die Wertsteigerung eines Unternehmens, ist eine buchhalterische Größe und Free Cash Flow misst nur Zahlungsströme und stellt die liquiden Mittel dar, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen.

Als Beispiel: Wenn ich ein hochwertiges Büromöbel kaufe, das 1.000 EUR kostet, fließen sofort 1.000,00 EUR. Nämlich von meinem Konto an das Möbelhaus. Diese 1.000 EUR stehen mir sofort weniger als freie Mittel zur Verfügung.

In Bezug auf den Gewinn, also in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), wird der Vorgang aber anders gesehen. Ich habe die 1.000 Euro ja nicht einfach verloren, sondern ein Möbel dafür bekommen, und das hat einen Wert, der mir nun gehört. Der Besitz meines Unternehmens hat sich also erst einmal nicht verändert. Das Möbel ist (zunächst einmal) 1.000 EUR wert und der Wert sinkt dann mit den Jahren. Das wird mit Abschreibungen dargestellt. Über 13 Jahre ist mein 1.000 EUR-Möbelstück jedes Jahr 1/13 weniger wert und damit sinkt mein Besitz in der Gewinn- und Verlustrechnung viel langsamer.

Im FCF habe ich also sofort 1.000 Euro weniger, in der GuV habe ich erstmal gar nicht weniger und dann pro Jahr 923,07 Euro und so weiter, in diesem Fall sinkt mein Bilanzgewinn also viel langsamer als mein Cash Flow.

Zusammenfassend: der Cash Flow misst nur Zahlungsströme, keine Abschreibungen, Rückstellungen und so weiter.

Doch noch mehr über den Unterschied zwischen Gewinn und Free Cashflow, Beispiel Amazon!

Generell reicht das als Hintergrundwissen zum Cash Flow, aber ich finde das so aufregend, ich erzähle noch mehr. Wem es zu viel ist, springt einfach bis zur nächsten Überschrift!!

Grob kann man sagen, die Ein- und Ausgaben werden beim Cash Flow nicht oder zumindest weniger geglättet als in der GuV. Es gibt weniger, sagen wir mal, “Gestaltungsmöglichkeiten”.

Aus steuerlicher Sicht ist es oft günstig, möglichst wenig Gewinn zu erzielen. Aus Börsensicht hingegen ist es günstig, möglichst viel Gewinn zu haben. In der GuV gibt es einen gewissen Spielraum, im Cash Flow ist der Spielraum viel enger. Dafür kann der Gewinn in der GuV viel stärker aufgespalten betrachtet werden (als EBITDA, EBIT, operatives Ergebnis etc.), man kann bei der Analyse des Gewinns eines Unternehmens deshalb viel differenzierter in die Tiefe gehen.

Die Unterscheidung Gewinn vs. Cash Flow ist eine, auf die wir zum Beispiel bei der Betrachtung von Amazon immer wieder stoßen:

Amazon weist bekanntlich so gut wie keinen Gewinn aus (und schüttet auch keine Dividende aus), aber der Cash Flow (sowohl der Free Cash Flow als auch der operative Cash Flow, das sind die entnahmefähigen Finanzmittel plus Capex, also Investitionsausgaben) sind bis 2022 immer angestiegen. Das liegt daran, dass Amazon ein absolutes Wachstumsunternehmen ist und die Gewinne reinvestiert, wirklich ungewöhnlich viel und sehr divers, manche sagen: aggressiv reinverstiert. Nicht umsonst sinken die Kurse der Wettbewerber in jedem neuen Markt, in den Amazon geht.

Amazon hat also nicht so viel Bilanzgewinn, der zu versteuern wäre und schüttet keine Dividende an die Aktionär*innen aus, weil es ja nichts zu verteilen gibt. Aber wenn man sich fragt, ob sich die Unternehmung Amazon an sich überhaupt lohnt, gibt der Blick auf den Cash Flow nochmal ein ganz anderes Gewürz in die Suppe.

Andersherum kann der Cash Flow auch ein Warnsignal sein: Wenn in der Bilanz eines Unternehmens der Gewinn deutlich höher ist als der Cash Flow, ist es möglich, dass der Gewinn zukünftige vereinbarte Zahlungen schon einbezieht, die aber eben noch nicht eingetroffen sind (also: noch nicht geflossen sind, deshalb vom Cash Flow noch nicht erfasst werden). In diesem Fall lohnt es sich, genauer hinzuschauen, denn: shit happens, möglicherweise kommen die Zahlungen aus irgendeinem Grund dann doch nicht, wir haben hier eine Taube auf dem Dach aber halt noch nichts in der Hand.

Wozu diese Kennzahlen?

Alle oben vorgestellten Kennzahlen sind natürlich hauptsächlich im Vergleich interessant:

Wie hat sich die Ausschüttungsquote in den letzten Jahren entwickelt? Wie ist sie innerhalb der Branche einzuschätzen? Wie ist die Ausschüttungsquote in Bezug auf die Dividendenrendite und den Betrag der Dividende einzuschätzen ist – wurde ein größerer oder kleinerer Teil des Gewinns ausgeschüttet, um die Dividendenrendite oder den Dividendenbetrag stabil zu halten? 

Das alles sind Informationen, die zur Lage und Strategie des Unternehmens Auskunft geben können, sie haben eine starke Signalwirkung. 

Beim nächsten Mal schauen wir, an wen sich diese Signale richten.

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil II

Gestern sind wir gestartet mit Gewinnverwendungsmöglichkeiten und der Frage, was eine Dividende ist und wann es sie (meistens) gibt. 

Heute schauen wir uns an, welche Formen der Ausschüttung von Gewinnen an die Aktionär*innen es insgesamt gibt. Jede Form der Ausschüttungmist eine hoch strategische Entscheidung, da sie Signale aussendet, die auf ganz unterschiedliche Interessenlagen treffen. Dazu kommen wir später ganz im Detail.

Formen der Ausschüttung

Als Formen der Ausschüttung gibt zum einen die schon genannte:

Dividendenzahlung

Wenn eine Dividende gezahlt wird bedeutet das: der Gewinn, den ich verteile, wird durch die Aktien im Markt (also: die an der Wertpapierbörse gehandelt werden) geteilt und die Besitzer*innen erhalten pro Aktie, die sie haben, den Euro-Betrag, der bei dieser Rechnung herauskommt. 

Neben der Auszahlung eines Euro-Betrags (das nennt man Bardividende), kann eine Dividende auch in Form von zusätzlichen Aktien (Stockdividende) oder Sachleistungen (Sachdividende) ausgeschüttet werden. 

Legendär ist der “Schokoladenkoffer” von Lindt & Sprüngli (die Lindt & Sprüngli-Aktie kostet allerdings derzeit über 110.000 Euro, dafür kann man sich auch viel Schokolade selbst kaufen), üblicher sind Rabattgutscheine für Produkte/Leistungen des Unternehmens. 

Das Essen, dass es für die Aktionär*innen auf der Hauptversammlung gibt, wird scherzhaft als “Würstchen-Dividende” bezeichnet (auch hier ein unfassbar aufregendes Spannungsfeld, nämlich zwischen verdeckter Gewinnausschüttung/verbotene Einlagenrückgewähr, Sicherheitsaspekten, Möglichkeiten der Beschlussanfechtung).

Ich beschränke meine weiteren Betrachtungen hier aber auf die Bardividende.

Eine weitere Ausschüttungsform ist die:

Sonderdividendenzahlung

Wenn wir die Dividende verstanden haben, ist auch schon das meiste zur Sonderdividende klar. Der Unterschied ist, dass die Sonderdividende etwas Besonderes ist, sagt ja schon der Name. Und diese Kennzeichnung, etwas “Besonderes”, ist auch schon der ganze Trick. Es geht hier um die Erwartungshaltung.

Die Sonderdividende wird als einmaliges Ereignis betrachtet, niemand erwartet eine Regelmäßigkeit. Man kann sie zahlen, wenn besondere, kurzfristige Geschäftsereignisse  zu “viel Geld übrig” führen. Es gibt aber keine Enttäuschung, wenn sie im nächsten Geschäftsjahr nicht in ähnlicher Höhe wieder gezahlt wird.

Die dritte Form der Ausschüttung ist der:

Aktienrückkauf

Das ist eins meiner Lieblingsthemen, weil es so unfassbar viele mögliche Hebel, so viele mögliche Verstrickungen gibt!

Ich versuche, mich kurz zu fassen: bei einem Aktienrückkauf kauft die Aktiengesellschaft eigene Aktien.

Aktien, die im Besitz der Aktiengesellschaft selbst sind, werden bei der Gesamtzahl der Aktien nicht mehr mitgezählt. Was bedeutet: es gibt nun weniger Aktien der Gesellschaft, die man kaufen kann. Wenn also gleich viele Personen eine Aktie kaufen möchten, steigt der Preis und damit der Wert für diejenigen, die schon eine haben! Durch Verknappung. Der Aktienrückkauf kann also zur “Kurspflege” genutzt werden. (Die Abgrenzung von Kurspflege zu Marktmanipulation ist auch wieder ein spannendes Thema!) 

Zusätzlich: Wenn eine Dividende gezahlt wird, wird der Gewinn, der zur Verteilung zur Verfügung steht, nach dem Aktienrückkauf auf weniger Aktien verteilt, es bleibt also für jede Aktie mehr Gewinn mehr übrig.

Das ist für die Aktionär*innen eine schöne Sache. Und für die Geschäftsführung oft auch! Denn viele Vergütungsprograme für Manager*innen sind an Kennzahlen wie zum Beispiel Gewinnwachstum pro Aktie oder an die Kursentwicklung geknüpft ujnd darauf wirkt der Aktienrückkauf sich ja positiv aus. Hier liegt also ein gewisses Missbrauchspotenzial.

Die Aktiengesellschaft kann auf verschiedenen Wegen Aktien zurückkaufen (normal an der Börse, von einzelnen Aktionär*innen oder durch ein öffentliches Rückkaufangebot (Tender Offer). Dazu gibt es natürlich diverse gesetzliche Regularien, das zu erläutern führt hier aber zu weit.

Und die vielen spannenden Gründe für einen Aktienrückkauf führen hier leider eigentlich auch zu weit, aber wirklich nur ganz kurz: Neben dem starken Signal, Vertrauen in das eigene Unternehmen zu haben, kann der Aktienrückkauf auch finanzpolitische Gründe haben, kann ein Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmen oder zur Gestaltung der Aktionärsstruktur sein.

Andererseits kann der Aktienrückkauf natürlich auch ein Signal dafür sein, dass die Geschäftsführung keine besseren Ideen mehr hat, was sie mit dem Geld machen könnte, dass also keine Innovationskraft mehr im Unternehmen ist. Und durch den Aktienrückkauf verringert sich das Eigenkapital des Unternehmens und es steht weniger Liquidität zur Verfügung, damit natürlich auch weniger Flexibilität, schnell auf gute Gelegenheiten oder widrige Begebenheiten zu reagieren. 

Aktienrückkäufe werden also durchaus auch kritisch gesehen und sind in anderen Ländern, beispielsweise in den USA viel üblicher als in Deutschland. Seit einigen Jahren sind sie aber auch hier ein zunehmend beliebtes Instrument. 

Zurück zum Thema, die letzte Möglichkeit der Ausschüttung ist die

Nennwertrückzahlung

Die Nennwertrückzahlung hat nur eine sehr geringe praktische Relevanz und ausschließlich aus diesem Grund bewege ich mich dabei in Bezug auf mein Wissen auf sehr dünnem Eis. 

Eine Nennwertrückzahlung ist eine ordentliche Kapitalherabsetzung (bedeutet also eine Verringerung des Grundkapitals der Aktiengesellschaft), sie ähnelt wirtschaftlich der Dividendenzahlung und praktisch dem Aktienrückkauf.

Soviel zu den möglichen Formen einer Gewinnausschüttung. Beim nächsten Mal schauen wir uns eine Handvoll Kennzahlen an, mit denen wir eine Ausschüttung beurteilen können. Keine Panik, es kommen maximal Grundrechenarten vor!

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil I

Diesen Text schreibe ich als Folge von Klugscheißerei: mir fiel in Tweets/Kommentaren zur Ausschüttungsquote (2021) der Vonovia SE auf, dass Begrifflichkeiten nicht sauber verwendet wurden und auf mein Augenzucken dazu kam die Antwort, dann solle ich es doch mal richtig erklären. Eine gute Antwort.

Über den Kapitalmarkt – konkreter, Aktienmarkt – kann man sehr unterschiedlicher Ansicht sein. Fakt ist aber: er existiert und bestimmt maßgeblich unser Wirtschaftsleben. Was man nutzen möchte, sollte man verstehen. Was man kritisiert und ändern möchte, erst recht. Ich habe mich nun selbst berufen, hier für mehr Verständnis zu sorgen.

Folgen Sie mir deshalb heute hinab in das dunkle Herz des Kapitalismus – naja und die nächsten Tage auch, es wird mehrere Teile geben.

Wir schauen uns an, was eine Dividende eigentlich ist. Was für weitere Gewinnverwendungsmöglichkeiten es gibt. Welche Ausschüttungsformen. Was für Kennzahlen wir haben, um Ausschüttungen zu bewerten. Ein bisschen stöbern wir in der Buchhaltung und betrachten fasziniert Gestaltungsmöglichkeiten des Reportings! Amazon kommt vor!! Verschiedene Gruppen, die man unter einen Hut kriegen muss mit ihren konfliktären Interessenlagen, die sich dann aber manchmal annähern. Meine Güte, was wollen die eigentlich alle und warum? Welches Signal senden die schon erwähnten Kennzahlen und warum bedeuten sie manchmal genau das Gegenteil? Schlaufüchse sind dabei und Cum-Ex und warum verdammt nochmal werden die Sachen nicht einfach billiger?

Fangen wir an.

Von März bis Mai ist Dividendensaison

Das bedeutet, dass viele Aktiengesellschaften in diesem Zeitraum eine Dividende an die Aktionär*innen zahlen. Warum hauptsächlich von März bis Mai? Um das zu erklären, schlendern wir rückwärts durch eine notwendige Ereignisfolge:

Über die Dividendenausschüttung in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft entschieden -> Diese Hauptversammlung muss unverzüglich einberufen werden, wenn der Bericht des Aufsichtsrates über den Jahresabschluss vorliegt -> Der Jahresabschluss wiederum muss innerhalb der ersten drei Monate des Geschäftsjahres vorliegen ->. Das Geschäftsjahr ist bei den meisten Gesellschaften dasselbe wie das Kalenderjahr.

Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber so kommen wir zu einem Schwerpunkt der Dividendenausschüttungen zwischen März und Mai eines Jahres. 

Was ist eine Dividende und wozu ist sie gut?

Wenn eine Aktiengesellschaft eine Dividende zahlt, bedeutet das, dass sie allen, die (eine) Aktie(n) der Gesellschaft haben, Geld auszahlt. Meistens ist der Hintergrund, dass die Akiengesellschaft Gewinn (hier ist immer der Bilanzgewinn gemeint) gemacht hat. Sie hat also mehr Geld eingenommen als ausgegeben – das geht aus dem Jahresabschluss hervor. Und sie zahlt einen Teil dieses Gewinns an die Aktionär*innen, die ja die Eigentümer*innen sind, aus. Diese Auszahlung ist die Dividende.

Eine Dividende ist also ein Instrument der Gewinnverwendung

Natürlich gibt es noch viele andere Möglichkeiten, Gewinne zu verwenden. Jede dieser Möglichkeiten hat verschiedene mögliche Gründe und verschiedene mögliche Folgen.

Welche Möglichkeiten haben Aktiengesellschaften, den Gewinn zu verwenden?

Aktiengesellschaften können den Gewinn im Unternehmen lassen (in Form von Rücklagen), für das Unternehmen ausgeben (reinvestieren), sie können damit Schulden abzahlen oder sie können ihn unter den Eigentümer*innen (das sind die Aktionär*innen) verteilen. Diese Verteilung nennt man Ausschüttung.

Da der Aufhänger zu diesem Text die Ausschüttungsquoten waren, konzentrieren wir uns jetzt auf die Ausschüttung.

Eine Aktiengesellschaft hat also Gewinn gemacht. Es gibt gesetzliche Regelungen, die bestimmen, welche prozentualen Anteile dieses Gewinns schon beim Jahresabschluss (also vor der Hauptversammlung, in der über die Gewinnverwendung abgestimmt wird) von der Aktiengesellschaft in beispielsweise Gewinnrücklagen eingestellt werden dürfen. Für den Gewinn darüber hinaus gilt in Deutschland (grob gesagt): die Aktionär*innen haben Anspruch auf den Bilanzgewinn.

Es ist aber nicht so straightforward, dass die Unternehmensführung einfach sagt: “ok ich schlag vor, wir verteilen jetzt mal den ganzen Gewinn an die Aktionär*innen, ist ja übrig, alle können sich freuen und mehr haben wir eh nicht.” Das ist nicht sinnvoll. Geld, das ausgeschüttet wird, steht nicht mehr für Finanzierungen oder Investitionen zur Verfügung und beides kann notwendig sein, um ein Unternehmen zu stabilisieren oder weiterzuentwickeln.

Deshalb macht die Unternehmensleitung, die sich mit den Belangen des Unternehmens am besten auskennt, eine Empfehlung zur Aufteilung dieses Gewinns. In der Hauptversammlung stimmen die Aktionär*innen über diesen Vorschlag ab. Und, wie schon gesagt, man lässt sie nicht aus Freundlichkeit darüber abstimmen, sondern weil ihnen laut Aktiengesetz dieser Gewinn gehört.

An dieser Stelle wird schon klar, dass die Interessen des Unternehmens und die der Aktionär*innen in dem Vorschlag zur Gewinnverwendung möglichst gut unter einen Hut gebracht werden müssen. Und es gibt noch weitere, teilweise sehr unterschiedliche Interessenlagen zu beachten.

Diese Überlegungen, ob, wie viel, auf welchem Weg und wann Gewinn ausgeschüttet wird, nennt man Ausschüttungspolitik. Die Ausschüttungspolitik sind eine zentrale Aufgabe der Unternehmensführung und in ihrer Komplexität eine unglaublich spannende Sache!

Bevor wir sie uns näher anschauen, müssen aber noch ein paar Begriffe geklärt sein – dazu kommen wir morgen.

24. Mai 2023

In der Bahn saß ich heute gegenüber von einem ganz kompakten Menschen. Ich meine „kompakt“ nicht als Umschreibung für „dick“.

Ich versuche, zu beschreiben, was ich meine: der Mann nahm einen klar definierten Raum ein und hatte dabei Körperspannung, die diesen Raum fest ausfüllte. Dabei war er ganz ruhig. Vielleicht ergibt sich dieses Bild durch Körperspannung ohne viele Mikrobewegungen?

Man konnte diesem Mann sehr entspannt gegenübersitzen, es war zu jedem Zeitpunkt völlig klar, wo er anfängt und wo er aufhört.

Im Gegensatz dazu gibt es auch viele Menschen, die viel undefinierter sind. Die entweder mangels Körperspannung ein wenig zu wabern scheinen oder aber wegen zu großen Mikrobewegegungen dauernd mehr Raum einnehmen als geplant. Zu letzteren gehöre ich, zumindest so ein bisschen, bei mir kommt es häufig vor, dass sich meine Arme oder Beine mit denen anderer Menschen irgenwie im Vorbeigehen verhaken oder zumindest kollidieren, wenn diese Menschen ähnlich veranlagt sind wie ich, zum Fuchteln und zu unbedachten Bewegungen neigen oder wegen irgendeines Gedankens sehr sichtbar zusammenzucken oder sich sehr plötzlich wegen eines anderen Gedankens aufrichten oder ausstrecken.

Ich nehme deshalb ungeplante Berührungen nicht krumm, oft genug habe ich sie ja selbst verursacht. Andererseits halte ich auch gern Sicherheitsabstand ein. Jede Person hat ja eine leicht andere Vorstellung vom idealen Abstand zu anderen Menschen. Und noch einmal variierend nach dem Gefühl emotionaler oder geistiger Nähe natürlich, aber selbst bei gleichem Gefühl von Nähe weicht der ideale körperliche Abstand individuell ab. Ich hatte dieses Erlebnis neulich erst in einem Seminar. Wir wurden aufgefordert, uns so vor eine Person zu stellen, wie wir ihr uns nah fühlen und ich stellte mich in knapper Armeslänge Abstand zu einer anderen Teilnehmerin auf. Sie war überrascht und sagte „du bist so weit weg, ich habe das Gefühl, dass wir uns eigentlich näher sind“ worauf ich sagte „was meinst du, wieso ich gerade noch in Reichweite bin?“ Ich stelle mich doch nicht in Reichweite zu Personen auf, von denen ich nicht erreicht werden möchte.

Kater und Katze bei mir sind ähnlich. Die Katze ist kompakt, der Kater kein bisschen, er ist ausufernder, wenn man ihn hochhebt, hängt immer irgendwo was runter und wenn man ihn kuschelt hängt immer irgendwo was raus. Die Katze ist völlig kompakt, man kann sie hochheben wie einen Ball (was auch ein wenig an der Körperform liegt, aber Gliedmaßen hat sie ja natürlich trotzdem) und man kann sie kuscheln wie eine Kugel.

18. Mai 2023

Ich bin den halben Tag Zug gefahren und habe die andere Tageshälfte mit zwei Senioren verbracht. In der Küche findet ein Krimi-Dinner mit 8 jungen Erwachsenen statt. Herr N. ist von der Vatertags-Radtour ermattet auf dem Sofa eingeschlafen. Es ist daher nur folgerichtig, dass ich eine weitere Frage aus der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste beantworte.

Die heutige Frage lautet: „Wie verlief das Treffen mit der unbekannten Person aus dem Internet in Nieder-Olm und haben Sie noch Kontakt?“

Eigentlich war sie an irgendeinem anderen Tag einsortiert, ich hatte mir vorsorglich schon die Veröffentlichung der Informationen von der „unbekannten Person aus dem Internet“ freigeben lassen, dann aber keine Zeit für die Beantwortung gefunden. Damit ich mir diese ganze Mühe, die immerhin aus einer WhatsApp-Nachricht bestand, nicht umsonst gemacht habe, habe ich die Frage auf einen freien Slot weiter hinten verschoben und heute taucht sie wieder auf, wie schön!

Verraten ist jetzt schon, dass wir noch Kontakt haben. Ich beantworte daher einen Bonusaspekt: es handelte sich bei der unbekannten Person um rebekka_m, bekannt aus Twitter und Tröt und Blog (wobei das derzeit ruht). Rebekka wohnte damals irgendwo, von wo aus die Mitte zwischen ihrer und meiner Wohnung so ganz grob Nieder-Olm war und stand kurz vor einem Umzug weiter weg; sie hatte mich daher angeschrieben, ob wir die Zeit vor dem Umzug noch für ein Kennenlernen nutzen sollten, weil es danach schwieriger würde.

Das Treffen fand am 7.1.2015 statt, wie gesagt in Nieder-Olm, wir parkten beide irgendwo und ich habe keine Ahnung mehr, wo exakt wir uns begegnet sind, also: ob wir uns draußen trafen oder ob ich in einem Lokal saß und sie hereinkam oder umgekehrt. Das weiß ich alles nicht mehr. Vielleicht weiß sie es noch. Das Lokal war ein Grieche in Bahnhofsnähe, sah aber nicht griechisch aus, das Essen war in Ordnung, ich trank alkoholfreies Bier. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und tauchten problemlos in ein langes Gespräch ab, die Themen habe ich allerdings mittlerweile vergessen. Ich glaube, wir brachen auf, als der Grieche schließen wollte. GoogleMaps hat getrackt, dass ich von 19:52 – 23:47 Uhr im Restaurant Akropolis war, laut Website schließen die aber um 23 Uhr, es mag sein dass wir draußen noch vor den Autos zusammen standen. Jedenfalls gingen wir nicht auseinander, weil uns die Gesprächsthemen ausgingen.

Wir begegneten uns danach ein- oder zweimal auf einer re:publica (und ich sah zum ersten Mal Barfußschuhe live!).

Später gründete Rebekka einen Lesezirkel, in dem wir seitdem gemeinsam sind, wir haben online also regelmäßig, wenn auch in größeren Abständen, Kontakt. Vor etwa einem halben Jahr empfahl sie mir zusätzlich ein Lesetreffen mit anderem Format, es ist moderiert und es werden Textauszüge, nicht ganze Bücher gelesen, organisiert vom Literaturhaus Hannover aber als Online-Veranstaltung. Daran nahmen wir in der ersten Runde (zufällig) gemeinsam teil – jetzt in der zweiten Runde haben wir uns (ebenso zufällig) für unterschiedliche Wochentage eingebucht.

Ein paar Mal haben wir über die Jahre auch telefoniert, über Gehaltsverhandlungen und über Geldanlagen und neulich waren wir zusammen beim Thai in Frankfurt, weil sie hier einen beruflichen Termin hatte, auch dieses Mal waren wir sofort wieder mittendrin im Gespräch, hauptsächlich über berufliche Themen.

Meine Einschätzung – und auch mein Wunsch – ist, dass wir uns noch häufiger treffen werden.

17. Mai 2023

Heute bin ich in eine Falle getappt.

Ich fahre bzw. fliege (hurra…) im Juni zu einem größeren Treffen/Meeting/Konferenz, was auch immer, jedenfalls wird das über Dienstag und Mittwoch gehen, ich reise Montag an und Donnerstagmittag ab und würde deshalb zu den Randzeiten gerne so viele Personen wie möglich nochmal separat sprechen. Zu Essen, Kaffee, Drinks, egal was. Damit ich das besser planen kann, hatte ich neulich schon einmal gefragt, wann es denn wohl einen groben Zeitplan für diese zweitägige Veranstaltung gäbe und dann, weil keine Antwort kam, noch ein zweites Mal gefragt. Naja und ein drittes Mal wohl auch.

Heute kam dann eine Liste mit Themen, um die es sich drehen würde. Aber noch kein Zeitplan. Wertschätzend, wie es meine Art ist, schrieb ich, dass die Themen ja super seien aber: wie sieht es mit dem groben zeitlichen Ablauf aus? Dann löschte ich den ersten Teil, Lob mit der Gießkanne ist keins, man muss konkret werden, ich schaute mir also die Themen (wirklich keins davon uninteressant!) nochmal an und pickte mir zwei davon heraus, zu denen ich etwas mehr sagen konnte, einmal qua Interesse und einmal qua zertifizierter (ganz kürzlich erworbener) Qualifikation. Ich schrieb nochmal neu, dass ich mich auf alle Themen freue und besonders auf Dings und Dungs, weil blabla.

Ich schwöre, ich hatte die Mail maximal physisch, aber noch nicht ganz mental abgeschickt, also schon die Antwort kam: „Would you like to participate on the panel?“ Nur das. Sonst nichts, keine Anrede, keine Grußformel, meine Güte, ich hätte mir den Energieaufwand für das konkrete Lob sparen können, denn es ist ganz klar, was das bedeutet: Krieg.

Ich antwortet daher ganz genauso schnell, also definitiv mental noch nicht dabei: „I’d love to!“ Auch ohne Anrede und ohne Grußformel.

Dann ist das jetzt so. Man will mir die Weltherrschaft wohl doch nicht widerstandslos überlassen.


Die tägliche Contentvorschlagliste fragt heute, ob ein gutes Leben ohne gute Freundinnen vorstellbar ist. Freund*innen, nehme ich an. Sicher ist es das, ich kann mir sehr viele gute Weisen zu leben vorstellen. Aktuell habe ich mich so eingerichtet, dass ich viele Dinge gerne immer wieder mit denselben Personen mache – das ist seit längerem so, so dass sich teilweise sogar schon Routinen ergeben in Bezug auf Tagesabläufe oder Urlaube.

Ich könnte mir aber auch vorstellen, eher ohne feste Bindungen zu leben (wie ich mir ja auch vorstellen könnte, in einem 1-Zimmer-Apartment in einem Hochhaus zu leben), ich würde mich dann vermutlich mehr treiben lassen, vielleicht häufiger Veranstaltungen besuchen, bei denen man etwas in Gruppen macht (Kurse irgendeiner Art vermute ich). Ein zurückgezogenes Leben sehe ich für mich nicht. Die meisten von uns hatten ja während der Corona-Lockdowns die Gelegenheit auszuprobieren, wie uns Zurückgezogenheit bekommt und ich gehörte (zu meiner Überraschung) zu denjenigen, die nicht klar kamen. In nächster Zukunft möchte ich das daher nicht wieder ausprobieren.

Natürlich ist es nicht so, dass ich alle meine Freundschaften brechen würde, um meine Freizeit in Gruppen von Fremden zu verbringen. Dann würde ich die entsprechenden Personen, von denen ich mich lossage, sehr vermissen. Aber wenn ich sie nie kennengelernt hätte, nicht von ihnen wüsste, dann wäre sicher dennoch ein gutes Leben möglich. Ganz davon abgesehen, dass es ja auch noch die Möglichkeit gibt, in der Familie oder im Beruf oder Sport völlig aufzugehen und daher keine Freund*innen darüber hinaus zu wollen oder zu brauchen.

Also, ja, ein gutes Leben ist auch ohne gute Freund*innen für mich vorstellbar. Vorstellbar ist für mich auch, dass ich dann etwas unerträglicher wäre, weil das Korrektiv fehlt. Aber das würde meinem guten Leben keinen Abbruch tun, nur dem der anderen.

16. Mai 2023

Die letzten Tage war ich ja mit Violinista ans Meer verreist. Gestern sind wir zurückgekommen, um ca. 20 Uhr war ich zu Hause, es waren sofort einige eilige Dinge zu tun (Dinge der Art, die sich eben ansammeln, wenn man einen Haushalt inklusive einer jungen Erwachsenen und zwei Tieren für vier Tage sich selbst überlässt), während ich die Dinge tat, liefen schon einmal zwei Waschmaschinen, der Koffer wurde ausgepackt, um Mitternacht war ich im Bett und um 8:30 Uhr im Büro.

In solchen Momenten fühle ich mich sehr aus der Zeit gefallen, so als wäre ich der Anwesenheit meines Körpers an unterschiedlichen Orten mental noch nicht ganz nachgekommen. Gut, dass wir das Beamen noch nicht in Wirklichkeit machen könnten, sonst wäre das für mich vermutlich noch viel schlimmer. Ich hoffe, das kommt in den nächsten 50 Jahren nicht noch, sonst bin ich dann irgendwann mit 70 die schrullige Alte, die lieber Bahn fährt als zu Beamen, weil ihr das „irgendwie komisch“ ist.

Meine Handhabe in Momenten der gespaltenen Anwesenheit von Körper und Kopf ist, mich voll in die Situation, in der der Körper sich befindet, zu werfen. So auch heute, nach Abschluss des Arbeitstages baute ich mit M noch einen Kratzbaum auf und schleppte den Sperrmüll auf die Straße sowie mehrere Kartons, in denen ich auch hätte Leichen entsorgen können (wegen der Größe, nicht wegen irgendwas anderem, schon gar nicht wegen eines Motivs), sofort dann war Lesedings und es liefen nochmal zwei Waschmaschinen und jetzt bin ich so ungefähr wieder mit mir vereint. Das ist gut.

Die Frage des Tages lautet: „Wie klappt es mit dem Plan, weniger Lebensmittel entsorgen zu wollen ?“ Stammt diese Frage von einer Person aus dem französischen Sprachraum? Ich frage, wegen des Leerzeichens vor dem Fragezeichen und ich frage aus Interesse, nicht aus Häme. Habe auch festgestellt, dass Personen aus dem Saarland oft eine Leerstelle vor ein Fragezeichen machen, vermutlich, weil sie so gut Französisch können, was mich immer etwas neidisch macht. Sobald ich fließend Italienisch spreche werde ich Französisch nochmal komplett lernen.

Der Plan mit den Lebensmitteln klappt hervorragend, was aber überhaupt nichts mit guter Organisation zu tun hat sondern mit genau dem Gegenteil: ich bin momeńtan so schlecht organisiert, dass es keine Einkäufe gibt, folglich auch nichts wegzuwerfen. Essen gibt es aus der HelloFresh-Box (wenn Herr N. kocht), da gibt es ja keine Reste und wenn ich koche bestelle ich beim Lieferdienst, wir bestellen meist 2 Gerichte für 3 Personen, da gibt es dann auch keine Reste.

Die Biokiste enthält derzeit nur Obst und Rohkost (ich bin versiert, solche Phasen in meinem Leben abzuwickeln und habe schon vor mehreren Jahren entdeckt, dass die Umstellung auf Rohkost bei viel um die Ohren sehr entlastend ist: es ist immer was zu Essen da, in das man einfach reinbeißen kann aber gleichzeitig schreit nichts vorwurfsvoll „koch mich endlich!!“ aus dem Kühlschrank), das geht immer weg. Zwischendrin ernähren wir uns von Haferflocken/Porridge/Müsli, die ganze Brotfrage mit den Konnotationen „Schimmel“ und „angetrockneter Brotbelag“ entfällt.

Insofern: Klappt gut aber ohne Plan.

14. Mai 2023

Gerade vorhin auf der Terrasse hat mir Violinista noch etwas über Yoga erzählt, und zwar irgendeine Sache, bei der der Körper schläft und der Geist wach ist. Ich bin ja ganz froh, wenn mein Geist mal schläft. Egal, das Thema in der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste heute lautet „Yoga“.

Ich finde Yoga interessant, es scheint mir eine sinnvolle, gesunde und für alle geeignete Sportart zu sein. Ich betreibe es selbst nicht, habe aber in den letzten 1,5 Jahren öfters darüber nachgedacht, es scheitert bisher daran, dass ich mich so verstärkt dem Amüsement widme, dass ich keine Zeit für etwas neues habe, das ich an 1-3 Abenden pro Woche machen würde. Sollte sich mein Amüsierwahn wieder einpendeln (ich rechne mit 9 – 12 Monaten) steht Yoga ganz oben auf der Liste. M hatte eine 10er-Karte in einem Yoga-Studio (es heißt anders, mir fällt das Wort gerade nicht ein, war es Dojo?) ganz in der Nähe und es gibt dort ein Konzept, das für mich geeignet wäre, bei dem man eine Mitgliedschaft (monatlich kündbar) abschließt und zwar für entweder 1-2, 3-4 oder 5-6 Termine pro Woche, die man dann aber frei wählen kann, irgendwas gibt es jeden Abend. Das finde ich angenehm flexibel und könnte mir eine Mitgliedschaft (oder erstmal eine 10er-Karte) vorstellen.
Natürlich kann man Yoga auch per Youtube oder online-irgendwas betreiben, das sehe ich für mich aber nicht. Genauso wenig, wie ich von zu Hause arbeiten will, will ich von zu Hause Yoga betreiben.

Ganz dunkel erinnere ich mich, dass ich in der Schwangerschaft schonmal einen Yoga-Kurs belegt hatte. Da ist natürlich sehr lang her (so lange her, dass es das Plusquamperfekt rechtfertigt), damals war es glaube ich üblich, in dieser Zeit irgendwelche krankenkassenbezahlten Sport zu betreiben und es gab eine Liste mit Gymnastik und ähnlichem und eben Yoga.

Ich wählte Yoga, das kannte ich noch nicht und ich hoffte, dort Kopfstand zu erlernen. Das war natürlich nicht so, es gibt ja viele Arten Yoga und es handelte sich um spezielles Schwangerschaftsyoga mit viel herumliegen und atmen, ich weiß noch, dass ich jedes Mal nach kurzer Zeit eingeschlafen bin, aber das war auch okay. Am Ende sang die Yogafrau dann immer Mantras in Sanskrit und es wurden Kerzen und Düfte angezündet, davon wurde mir schlecht (mir wurde 9 Monate lang von allem schlecht) und dann bin ich aufgewacht und vorzeitig aufgebrochen. 

Das ist aber ja 18 Jahre her, schwanger bin ich nicht mehr und ich habe den Eindruck, man kann Yoga jetzt auch einfach gymnastisch, also ohne Spiritualität betreiben.

13. Mai 2023

Gleich kommt der ESC, Violinista versucht, ein Tablet mit einer Box zu verbinden, ich wollte helfen aber sie möchte es allein machen. Ich muss mich nun ablenken, damit ich ihr das Ding nicht aus der Hand reiße, auf meine Empore klettere und die Leiter hochziehe.

Frage in der täglichen unverbindlichen Frageliste heute: wie verhindern Sie, selbstgerecht zu werden. Macht und Einfluss korrumpieren jeden. oder?

Ich verhindere sehr einfach, selbstgerecht zu werden, in dem ich haufenweise Fehler mache. Kein Witz. Bei den folgenden Aufräumarbeiten habe ich immer ausreichend Zeit, mich zu ärgern („zu reflektieren“ sagt man wohl auch). 

Weiter versuche ich, Selbstgerechtigkeit zu verhindern, in dem ich mich bevorzugt mit Menschen umgebe, die mir zwar wohlgesonnen sind aber mir nicht nach dem Mund reden. Das ist in der Kombination schwierig zu finden. Personen, die einem nicht wohlgesonnen sind, tun sich mit Widerspruch leicht aber es wird (fälschlicherweise meiner Meinung nach) als ein Zeichen von Zuneigung angesehen, derselben Meinung oder Haltung zu sein. Dabei ist es doch gerade bereichernd, im offenen Gespräch mit Personen zu sein, die ich mag aber die Dinge ganz anders sehen als ich. Meine engeren Freundinnen – Schanuf, Fragmente, Violinista, Herzbruch, CucinaCasalinga, um mal die Ihnen vermutlich bekannten zu nennen – sehen und machen viele Dinge völlig anders als ich, ihnen ist aber gemeinsam, dass sie in ihrer Kritik an mir zugewandt bleiben.

Zum zweiten Teil der Frage, „Macht und Einfluss korrumpieren jeden. Oder?“ – Nein, natürlich nicht. Macht und Einfluss sind gute Dinge, sie sind erforderlich, um das eigene Leben selbst gestalten, um eigene Pläne verwirklichen zu können. Bei uns allen sind das manchmal Pläne, die den Plänen anderer zuwiderlaufen oder Möglichkeiten, die wir für uns nutzen wollen und dabei gehen sie anderen verloren, sei es wegen Verknappung oder wegen Unbedachtheit.

Natürlich gibt es auch moralisch grundverdorbene Typen aber in den allermeisten Fällen, in denen wir jemanden als „korrumpiert“ bezeichnen, geht es um Entscheidungen, die wir aus unseren Abwägungen heraus anders treffen würden. Bei Hinz und Kunz fällt uns das nicht weiter auf, aber bei Personen, denen wir sehr viel Macht zugestehen (denn Achtung: Macht kann in einem Vakuum nicht bestehen, sie ist nur da, wenn sie anerkannt wird) fällt uns das natürlich auf und so scheint es, als läge es an der Macht an sich. Dabei wäre Putin auch als politisch einflussloser Normalbürger wohl kein niedlicher alter Herr und Trump würde auch ohne Millionen Frauen begrabschen.

Ein Unterschied ist aber, wie ihrem Fehlverhalten begegnet wird, es wird nämlich von vielen und in vielen Fällen öffentlich toleriert. Und das ist, wie gesagt, Macht, die zugestanden wird. Von anderen. Von den Steigbügelhaltern, die nicht weniger korrumpiert sind als die Person im Rampenlicht, die auch eigene Pläne und Interessen verfolgen, sie fallen uns eben nur nicht so auf. Und dahinter eine weitere Reihe Menschen mit Plänen und Interessen, die von dort das Gesamtbild schon gar nicht mehr sehen können, aber die natürlich auch Ideen und Wünsche und Träume haben. Und so weiter.

Daher: großzügig im Kleinen bleiben, immer mal überlegen, wo man selbst gerade Macht zugesteht und natürlich nicht vergessen, sich selbst zu ermächtigen.

9. Mai 2023

Ich unterziehe mich seit ca. 3 Wochen einem selbst erfundenen Experiment. Der Anlass dafür war das unangenehme Gefühl, das ich immer verspüre, wenn mich auf der Straße jemand um Geld bittet.

In meinem Kopf kam diese Situation ungefähr 100 mal täglich vor, mindestens. Ich kann natürlich nicht jeden Tag 100 Personen Geld geben, ganz klar, da verarme ich. Und selbst, wenn ich willens wäre, sah ich immer zwei Probleme: a) ich bin viel zu sehr Stadtkind, um irgendwo auf der Straße meine Geldbörse herauszunehmen und b) ich habe in den allermeisten Fällen sowieso gar kein Bargeld, ich zahle ja alles mit Karte, die in der Handyhülle steckt oder mit dem Handy selbst – die Hälfte der Zeit habe ich noch nicht einmal eine Geldbörse dabei.

Neulich war aber ja Ostern – ah, nun lässt sich auch der Zeitpunkt besser eingrenzen, ich betreibe mein Experiment seit ziemlich genau 4 Wochen – und Papa N. war zu Besuch. Sein Blick fiel auf einen Katzenfutternapf, den ich schon längst aus meinem alltäglichen Blickfeld ausgeblendet hatte. Er steht neben der Kaffeemaschine und ist gefüllt mit Münzgeld. Nicht mit Silbergeld, das brauche ich immer für Paket- und Essensliefermenschen sondern mit dem Bodensatz der Geldbörsen, das, was ich „grünes Geld“ und „rotes Geld“ nenne, also alles von 1 Cent bis 50 Cent.

Hier habe ich bei meiner Begriffssuche übrigens gerade etwas neu verinnerlicht, vielleicht wissen Sie es noch nicht: Die 1, 2 und 5 Cent-Münzen sind aus Stahl mit Kupferummantelung, die 10, 20 und 50 Cent-Münzen aus Nordischem Gold (was eine Bezeichnung für eine Messinglegierung ist) und die 1 Euro-Münzen sind außen Nickel-Messing und innen Magnimat. Magnimat gewann in den 70ern in der Silberspekulationsblase an Bedeutung, sehr spannende Geschichte, die Brüder Hunt kauften irrsinnige Mengen an Silber, der Silberpreis explodierte und so wurde die ehemalige Silberlegierung unserer 5-DM-Münze Mitte der 1970er gegen eine aus Magnimat ausgetauscht. Ein paar Jahre später griff die Börsenaufsicht ein (Silver Rule 7) und der Markt regelte auch ein bisschen, weil alle anfingen, ihre Silberlöffel einzuschmelzen, den Hunts wurden folglich ihre Long-Positionen zum Verhängnis – ich habe den Faden verloren aber ist egal, denken Sie einfach an mich, wenn Günter Jauch sie mal danach fragt.

Jedenfalls sagte Papa N „Wat machste denn damit, wennde dat zur Bank bringst musste mehr bezahlen, alset wert is.“ Womit er vermutlich Recht hat, ich gehe aber ja auch sowieso in keine Bank wegen der Öffnungszeiten, deshalb hatte ich den Katzenfutternapf erst installiert und dann ausgeblendet.

Jetzt war er wieder in meine Aufmerksamkeit gerutscht, sehr schlechte Situation, aus der heraus aber nun mein Experiment entstand: jeden Morgen (stimmt nicht, erkäre ich aber später) nehme ich jetzt eine Handvoll von diesen Münzen und stecke sie in die Hosentasche und wenn eine Person mich um Geld bittet, gebe ich ihr die Münzen. Das mache ich nun, wie wir vorhin festgestellt haben, seit 4 Wochen und habe schon zwei Erkenntnisse gewonnen:

  1. Ich werde gar nicht täglich 100 mal nach Geld gefragt. Verblüffend. Ich werde etwa zwei- bis dreimal pro Woche nach Geld gefragt. Nehme also auch nicht jeden Morgen Münzen aus dem Napf, sondern zwei- bis dreimal pro Woche.
  2. Wenn ich gefragt werde, hängt das meist auch mit meinem Aufenthaltsort zusammen und ich werde dann gleich mehrfach gefragt. Ich gebe aber immer alles gleich der ersten Person. Dennoch sind die kurzen Unterhaltungen mit den weiteren Personen nie unangenehm. Ich vermute, das liegt daran, dass ich etwas völlig anderes ausstrahle, wenn ich sage, dass ich leider gerade alles einer anderen Person gegeben habe, als wenn ich „sorry nein“ sage und im Hinterkopf habe, dass ich vielleicht Kleingeld habe oder vielleicht auch nicht und nicht die Geldbörse raussuchen will und da vielleicht auch sowieso nichts drin ist.

Bisher ist mein Experiment also ein voller Erfolg. Der Katzennapf ist noch zu 2/3 voll. Wie ich vorgehe, wenn er leer ist, weiß ich noch nicht.