7. August 2025 – Letzter Arbeitstag vor dem Urlaub
Letzter Arbeitstag vor dem Urlaub – nachdem ich gestern schon durch alles Wesentliche im Grund durch war, war ich guter Dinge. Und tatsächlich hatten sich über Nacht nur noch Kleinigkeiten eingefunden, die ich locker abarbeiten konnte, dabei reichlich Zeit hatte, noch mit verschiedenen Personen zu besprechen, ob sie sich gut vorbereitet fühlen, alles haben was sie in den nächsten gut zwei Wochen brauchen, um ihre Themen weiterzubringen und so weiter und so weiter. Aktuell liegt kein Ball in meinem Feld. Beziehungsweise ein einziger, da ist im Spiel aber gerade Pause, ich bekomme an einer Stelle mit einem Thema keine Antwort und hatte in meiner letzten Rückfrage angekündigt, zu eskalieren, dann wollte ich nochmal eine Woche vergehen lassen und hatte meinen Urlaub übersehen. Ein Thema weiterzureichen und dann selbst nicht für Rückfragen da zu sein, ist natürlich schlechter Stil, also gibt es jetzt nochmal zwei Wochen Zeit für eine Antwort obendrauf.
Am Nachmittag wurde ein verloren gemeldeter Generalschlüssel wiedergefunden. Das ist eigentlich immer nach ein paar Tagen der Fall, weshalb ich mich weigere, vor Ablauf einer Woche zu irgendwelchen Handlungen wie Versicherungsmeldungen und Bestellung einer neuen Schließanlage zu schreiten. Der Schreck ist an Tag 1 des (vermeintlichen) Schlüsselverlusts so groß, dass die Köpfe total blockieren, erst nach einer Nacht oder halt manchmal zwei setzt wieder geordnetes Denken und Erinnerung ein. Heute gab es dann den Geistesblitz, in der Hosentasche der Hose von Freitag nochmal nachzuschauen, eine Person zu Hause wurde gebeten, genau das zu tun und schickte wenig später das Foto vom Schlüssel. Alle glücklich. Ich wäre glücklich, komplett auf ein elektronisches Zugangssystem zu wechseln. Fünf „verlorene“ Generalschlüssel hatten wir, seit ich mich mit diesen Themen befasse. Einer war wirklich weg, ging aber im Urlaub in Südamerika verloren (mitsamt einer Handtasche), damit ist der Verlust komplett irrelevant, denn weder war der Schlüssel beschriftet noch kommt man damit ins Gebäude, erst in unseren Büroflächen entfaltet er einen Sinn. Die weiteren vier Schlüssel fanden sich an folgenden Orten: Hosentasche, Schreddertonne, hinter den Schreibtisch gefallen und auf Kabelsalat hängengeblieben, in einem schon verschlossenen und adressierten Briefumschlag.
Einmal musste ich noch sehr lachen, es war eine Reinigungsfirma da, um die Flächen zu besichtigen und anschließend ein Angebot abzugeben. Der Anbieter mokierte sich darüber, dass wir auch in den Herrentoiletten Hygienebehälter haben. „Da fragt man sich ja schon, wo das alles noch hinführt!“, sagte er. Mein Mitarbeiter fragte gleich zurück: „Was meinen Sie denn damit? Wo könnte das denn hinführen? Haben Sie Angst vor kleinen Eimerchen?“ Ich denke, wir kommen geschäftlich nicht zusammen.
Heutige Frage in der täglichen Contentvorschlagliste: „Strategien, um die Stimmung um mich herum in meinem Sinne zu beeinflussen.“
Es gibt keine Strategien, es gibt nur eine einzige Strategie: die innere Haltung. Sich voll hineinwerfen und im Kopf keine andere Wirklichkeit zulassen.“ Kein „aber was, wenn“, keinen doppelten Boden mitdenken, all-in gehen. Ist das anstrengend? Ja, sehr! Kann das schiefgehen und man steht hinterher blöd da? Absolut! Das ist der Preis.
Ich habe das neulich in Wien beobachtet. Zu meiner Überraschung fand ich mich auf einem kleinen Psychobilly-Konzert in einer Location im U-Bahn-Bogen wieder. In der Pause stand die Band vor der Tür, wir alle standen vor der Tür, denn es war sehr warm drinnen, draußen regnete es. Auf den Sänger der Band – wie gesagt, Psychobilly – ging ein junger Mann in Tracht zu, maßgeschneidert, weißes Hemd, gestärkt und mit Manschettenknöpfen, Wadlstrümpfe, genähte Lederschuhe, Trachtenmesser (ob echt oder nicht konnte ich nicht sehen), Siegelring, alles roch nach Geld, sogar Zähne und Frisur. Also kurz: nicht jemand direkt von der Alm oder als Tourist von einem Volksfest gekommen, sondern ganz klar aus einem urbanen, vermögenden Milieu. Jemand, der die Tracht nicht folkloristisch, sondern als Statussymbol/Stilmittel trägt.
Dieser junge Mann ging direkt auf den Sänger zu, klopfte ihm auf die Schulter und sagte „man, you did an awesome job!“. Der Sänger war mäßig begeistert, ging einen halben Schritt zurück, der Bassist trat etwas näher an ihn heran, beide ganz klar in einer ablehnenden Körperhaltung und an keinem Gespräch interessiert. Den jungen Mann focht das null an, er ließ Getränke kommen und drückte sie den beiden in die Hand, sie lehnten ab, stellten die Getränke auf einen Tisch, er nahm sie, drückte sie ihnen wieder in die Hand, schloss seine Hand darum, stieß mit ihnen an. Sie tranken nicht.
War der junge Mann verunsichert? Nicht im Geringsten. Er kam noch ein Stück näher, redete auf die beiden ein. Ein dritter aus der Band kam dazu, sie bildeten einen Kreis, der junge Mann stand außerhalb. Sah man ihm irgendwie an, dass das unangehnehm sein könnte? Nö. Er nahm aus zweiter Reihe nonverbal (nickend und mit Gesten) am Gesprächteil, fasste dann wieder einen an der Schulter und brachte sich erneut in den Kreis, nahm den Gesprächsfaden auf, war schließlich im Kreis und im Gespräch drin. Das Ganze dauerte etwa zwanzig Minuten. Der junge Mann wirkte völlig mühelos, ich könnte mir vorstellen, dass er mit einem entsprechenden Selbstverständnis (oder einem nahe dran) schon aufgewachsen ist, es ihm vermutlich absichtlich anerzogen wurde.
Ich war im gleichen Maß abgestoßen und neidisch. Ich musste das lernen, ich muss mich dazu bewusst entschließen (und aufraffen). Für zwanzig Minuten kein Problem, länger geht auch, vielleicht für einen halben Tag, ist aber anstrengend. Bei meiner New York-Reise habe ich das über drei Tage am Stück immer wieder eingesetzt, aber zwischendrin hatte ich längere Pausen während der diversen Vorträge. Trotzdem hatte ich nach Rückkehr an der Bewältigung der 100%igen Dauerpräsenz über drei Tage viel härter zu knabbern als am Jetlag.
Also, wie gesagt, es gibt keine Strategien im Plural, sondern nur die eine: sich in völliger Überzeugung absolut präsent machen.