August 2025

9. August 2025 – Urlaubstag 1 (gestern)

Der erste Urlaubstag bestand aus Nussecken backen, Schwimmen im See und einem umfangreichen Einkauf. Umfangreich nicht hinsichtlich der Menge, nur in Bezug auf die aufzusuchenden Orte. Alle paar Wochen oder Monate sammeln sich Dinge auf meiner Liste, die ich nicht irgendwo im Vorbeigehen mitnehmen oder liefern lassen kann, dazu hatte ich von der Putzhilfe einen Kaufauftrag bekommen und es waren noch zentrale Dinge wie Brot und Kartoffeln aus, leider ein paar Tage zu früh, wir verreisen erst am Montag und bis dahin ist es ohne Brot doof, ohne Kartoffeln nicht unbedingt, die halten aber ja auch.

Kartoffeln sind für mich schwierig zu beschaffen. Im Idealfall bestelle ich sie beim Gemüsemann, den habe ich allerdings für die nächsten Wochen storniert. Supermarktkartoffeln schmecken mir meistens nicht. An Kartoffelhöfen etc komme ich nie vorbei, zusätzlich sind Kartoffeln nichts, dass man mal so nebenher kaufen und den ganzen Tag mit sich führen möchte. Die Lösung sollte sein, mit dem Fahrrad den Wochenmarkt anzufahren. Ich hatte schon Bedenken dabei, nämlich: dass ich nicht mit Karte zahlen kann. Andererseits wäre es auch möglich gewesen, dass sich etwas geändert hat, seit ich das letzte Mal auf dem Wochenmarkt war – was vor über einem Jahr gewesen sein dürfte, ich gehe ja nicht oft hin, eben weil man nicht mit Karte zahlen kann. Zur Not könnte ich an einem nahegelegenen Geldautomaten Geld holen, dachte ich mir.

Zuerst legte ich noch einen Stopp bei der Augenbrauenzupffrau ein, dort war es gerade leer, nur eine Frau saß in einem Stuhl, mit zurückgelegtem Kopf und Papierpfropfen in der Nase. „Oh, haben Sie Nasenbluten?“, fragte ich. Ich betrachte mich als Expertin für Nasenbluten, da ich das sehr häufig hatte und immer noch manchmal habe. Ich war sofort einsatzbereit, es ist nämlich – so habe ich es gelernt – falsch, den Kopf dann zurückzulehnen. In diesem Fall läuft das Blut über den Rachen in den Magen und je nach Menge kann einem übel davon werden inklusive Erbrechen. Der Kopf gehört nach vorne, so haben es mir unterschiedliche Krankenwagenbesatzungen beigebracht.

Neulich war sogar in meinem täglichen Abreißkalender mit Worst Case Scenarios Nasenbluten an der Reihe. Dort stand, der Kopf solle nach hinten gelegt werden. Ich suchte im Kalender nach einer Mailadresse, um dazu ins Gespräch zu gehen, es gibt jedoch keine. Es gibt eine Website, darauf ein Kontaktformular. An dieser Stelle brach ich meine Einmischung zum Kalender ab, es erschien mir übertrieben, wegen einer Kleinigkeit wie Nasenbluten ein Kontaktformular zu bemühen, das alles erst einmal zu erklären ist ja auch anstrengend, sehen Sie, ich mache das lieber hier, völlig sinnlos, als an der Stelle, an der es etwas bewirkt, so ist es gute Internetpraxis.

Die Frau im Kosmetiksalon hatte gar kein Nasenbluten sondern unterzog sich einer Nasenhaarentfernung mittels Wachs. Sofort wollte ich das auch. Die Kosmetikeirn fand es unnötig und lachte über mich, ich ließ mich nicht beirren und kann jetzt berichten. Das mit dem Wachs ist erst sehr angenehm, kuschlig warm in der Nase, das Herausziehen kaum unangenehm, also falls man mal Nasenhaare loswerden muss oder möchte, sicher eine gute Methode. Allerdings soll man Nasenhaare gar nicht entfernen, die haben einen Nutzen. Ich war aber halt neugierig, wie sich das anfühlt. Sie werden ja nachwachsen.

Beim Bezahlen bemerkte ich dann, dass ich überhaupt keine Bankkarte dabei hatte. Normal steckt die immer hinten im Handy, für den Fall, dass das Bezahlen per Handy mal nicht geht. Da war aber gestern die Firmenkreditkarte drin, weil ich die zuletzt gebraucht hatte und dann vergessen, wieder zu wechseln. Ich sah schwarz für die Kartoffeln. Allerdings steckte hinten in der Handyhülle auch noch ein 5-Euro-Schein. Und so kaufte ich ganz am Ende meiner Einkaufsrunde Kartoffeln für exakt 5 Euro, denn nein es ist weiter keine Kartenzahlung möglich. Ich probiere das in einem Jahr nochmal aus.

7. August 2025 – Letzter Arbeitstag vor dem Urlaub

Letzter Arbeitstag vor dem Urlaub – nachdem ich gestern schon durch alles Wesentliche im Grund durch war, war ich guter Dinge. Und tatsächlich hatten sich über Nacht nur noch Kleinigkeiten eingefunden, die ich locker abarbeiten konnte, dabei reichlich Zeit hatte, noch mit verschiedenen Personen zu besprechen, ob sie sich gut vorbereitet fühlen, alles haben was sie in den nächsten gut zwei Wochen brauchen, um ihre Themen weiterzubringen und so weiter und so weiter. Aktuell liegt kein Ball in meinem Feld. Beziehungsweise ein einziger, da ist im Spiel aber gerade Pause, ich bekomme an einer Stelle mit einem Thema keine Antwort und hatte in meiner letzten Rückfrage angekündigt, zu eskalieren, dann wollte ich nochmal eine Woche vergehen lassen und hatte meinen Urlaub übersehen. Ein Thema weiterzureichen und dann selbst nicht für Rückfragen da zu sein, ist natürlich schlechter Stil, also gibt es jetzt nochmal zwei Wochen Zeit für eine Antwort obendrauf.

Am Nachmittag wurde ein verloren gemeldeter Generalschlüssel wiedergefunden. Das ist eigentlich immer nach ein paar Tagen der Fall, weshalb ich mich weigere, vor Ablauf einer Woche zu irgendwelchen Handlungen wie Versicherungsmeldungen und Bestellung einer neuen Schließanlage zu schreiten. Der Schreck ist an Tag 1 des (vermeintlichen) Schlüsselverlusts so groß, dass die Köpfe total blockieren, erst nach einer Nacht oder halt manchmal zwei setzt wieder geordnetes Denken und Erinnerung ein. Heute gab es dann den Geistesblitz, in der Hosentasche der Hose von Freitag nochmal nachzuschauen, eine Person zu Hause wurde gebeten, genau das zu tun und schickte wenig später das Foto vom Schlüssel. Alle glücklich. Ich wäre glücklich, komplett auf ein elektronisches Zugangssystem zu wechseln. Fünf „verlorene“ Generalschlüssel hatten wir, seit ich mich mit diesen Themen befasse. Einer war wirklich weg, ging aber im Urlaub in Südamerika verloren (mitsamt einer Handtasche), damit ist der Verlust komplett irrelevant, denn weder war der Schlüssel beschriftet noch kommt man damit ins Gebäude, erst in unseren Büroflächen entfaltet er einen Sinn. Die weiteren vier Schlüssel fanden sich an folgenden Orten: Hosentasche, Schreddertonne, hinter den Schreibtisch gefallen und auf Kabelsalat hängengeblieben, in einem schon verschlossenen und adressierten Briefumschlag.

Einmal musste ich noch sehr lachen, es war eine Reinigungsfirma da, um die Flächen zu besichtigen und anschließend ein Angebot abzugeben. Der Anbieter mokierte sich darüber, dass wir auch in den Herrentoiletten Hygienebehälter haben. „Da fragt man sich ja schon, wo das alles noch hinführt!“, sagte er. Mein Mitarbeiter fragte gleich zurück: „Was meinen Sie denn damit? Wo könnte das denn hinführen? Haben Sie Angst vor kleinen Eimerchen?“ Ich denke, wir kommen geschäftlich nicht zusammen.

Heutige Frage in der täglichen Contentvorschlagliste: „Strategien, um die Stimmung um mich herum in meinem Sinne zu beeinflussen.“

Es gibt keine Strategien, es gibt nur eine einzige Strategie: die innere Haltung. Sich voll hineinwerfen und im Kopf keine andere Wirklichkeit zulassen.“ Kein „aber was, wenn“, keinen doppelten Boden mitdenken, all-in gehen. Ist das anstrengend? Ja, sehr! Kann das schiefgehen und man steht hinterher blöd da? Absolut! Das ist der Preis.

Ich habe das neulich in Wien beobachtet. Zu meiner Überraschung fand ich mich auf einem kleinen Psychobilly-Konzert in einer Location im U-Bahn-Bogen wieder. In der Pause stand die Band vor der Tür, wir alle standen vor der Tür, denn es war sehr warm drinnen, draußen regnete es. Auf den Sänger der Band – wie gesagt, Psychobilly – ging ein junger Mann in Tracht zu, maßgeschneidert, weißes Hemd, gestärkt und mit Manschettenknöpfen, Wadlstrümpfe, genähte Lederschuhe, Trachtenmesser (ob echt oder nicht konnte ich nicht sehen), Siegelring, alles roch nach Geld, sogar Zähne und Frisur. Also kurz: nicht jemand direkt von der Alm oder als Tourist von einem Volksfest gekommen, sondern ganz klar aus einem urbanen, vermögenden Milieu. Jemand, der die Tracht nicht folkloristisch, sondern als Statussymbol/Stilmittel trägt.

Dieser junge Mann ging direkt auf den Sänger zu, klopfte ihm auf die Schulter und sagte „man, you did an awesome job!“. Der Sänger war mäßig begeistert, ging einen halben Schritt zurück, der Bassist trat etwas näher an ihn heran, beide ganz klar in einer ablehnenden Körperhaltung und an keinem Gespräch interessiert. Den jungen Mann focht das null an, er ließ Getränke kommen und drückte sie den beiden in die Hand, sie lehnten ab, stellten die Getränke auf einen Tisch, er nahm sie, drückte sie ihnen wieder in die Hand, schloss seine Hand darum, stieß mit ihnen an. Sie tranken nicht.

War der junge Mann verunsichert? Nicht im Geringsten. Er kam noch ein Stück näher, redete auf die beiden ein. Ein dritter aus der Band kam dazu, sie bildeten einen Kreis, der junge Mann stand außerhalb. Sah man ihm irgendwie an, dass das unangehnehm sein könnte? Nö. Er nahm aus zweiter Reihe nonverbal (nickend und mit Gesten) am Gesprächteil, fasste dann wieder einen an der Schulter und brachte sich erneut in den Kreis, nahm den Gesprächsfaden auf, war schließlich im Kreis und im Gespräch drin. Das Ganze dauerte etwa zwanzig Minuten. Der junge Mann wirkte völlig mühelos, ich könnte mir vorstellen, dass er mit einem entsprechenden Selbstverständnis (oder einem nahe dran) schon aufgewachsen ist, es ihm vermutlich absichtlich anerzogen wurde.

Ich war im gleichen Maß abgestoßen und neidisch. Ich musste das lernen, ich muss mich dazu bewusst entschließen (und aufraffen). Für zwanzig Minuten kein Problem, länger geht auch, vielleicht für einen halben Tag, ist aber anstrengend. Bei meiner New York-Reise habe ich das über drei Tage am Stück immer wieder eingesetzt, aber zwischendrin hatte ich längere Pausen während der diversen Vorträge. Trotzdem hatte ich nach Rückkehr an der Bewältigung der 100%igen Dauerpräsenz über drei Tage viel härter zu knabbern als am Jetlag.

Also, wie gesagt, es gibt keine Strategien im Plural, sondern nur die eine: sich in völliger Überzeugung absolut präsent machen.

6. August 2025 – Kein roter Teppich

Heute fuhr ich mit dem Rad ins Büro, es war das perfekte Wetter. Kein Schienenersatzverkehr! Und die Helmfrisur hielt sich in Grenzen, ich hatte vorher einfach gar nichts mit den Haaren gemacht, das scheint ein guter Weg zu sein; die Fallhöhe ist dann nicht so groß.

Der Tag war gefüllt mit Aufräumzeugs vor dem Urlaub, also Dinge physisch oder digital so ablegen, dass andere sie im Zweifel finden, diverse Vorgänge diversen Personen übergeben, diverse andere Personen anrufen und ihnen sagen, dass sie jetzt drei Wochen alleine zurechtkommen müssen und letzte Fragen dazu einsammeln.

Mittags hatte ich 7 Personen zu einem Lunch eingeladen, war sehr lecker, so ein Mittagsmenü mit kleinem Salat und kleinem Dessert und nicht allzu großem Hauptgericht, ich hatte Ofengemüse mit Baba Ganoush und gebackenen Minikartoffeln. Dazu trank ich zum ersten Mal in meinem Leben überhaupt Club Mate und das nur aus dem Grund, dass es das einzige Getränk in 0,5 war. Ich hasse kleine Getränke, 0,2-Fläschchen machen mich regelrecht nervös. Deshalb bestelle ich meist das größte nicht-alkoholische Getränk – oft eben eine Flasche Wasser, manchmal (wenn es keine großen Wasserflaschen gibt) ein alkoholfreies Hefeweizen, heute eben Club Mate. Schmeckt ein bisschen nach Baumrinde, finde ich, nichts, was ich häufiger trinken müsste, meine Güte, warum kann man nicht einfach Literkaraffen mit Wasser haben?

Von der Bedienung war ich sehr beeindruckt. Sie musste kein einziges Mal nachfragen und stellte uns acht Personen Vorspeisen, Hauptgerichte und Nachspeisen immer genau richtig hin. Beim Dessert fragte ich dann nach, wie sie das macht. Sie zeigte mir ihren Block, auf dem der Tisch aufgemalt war, sie hatte sich die Bestellungen an den entsprechenden Plätzen notiert. Das ist ja eigentlich eine sehr einfache Sache, gleichzeitig ist mir das ewig nicht mehr begegnet, dass beim Servieren nicht erst nochmal nachgefragt werden muss, wer was bekommt. Ich gab reichlich Trinkgeld.

Am Nachmittag hatte ich einen Videotermin mit einer Kollegin im Headquarter, es ging um ein Thema, das ich schon lange besprechen möchte, konkret um eine (weitere) Zuständigkeit, die ich von dort abziehen und bei einer meiner Mitarbeiterinnen ansiedeln möchte. Das kommt in aller Regel – verständlicherweise – nicht so gut an auf der anderen Seite. Deshalb hatte ich mich gut vorbereitet, wollte eigentlich persönlich bei meiner letzten New York-Reise sprechen, konnte die Kollegin dort aber nie auffinden bzw. wenn, dann hatte sie keine Zeit und auf meine Nachrichten mit Bitten auf ein Treffen antwortet sie erst, als ich schon wieder abgereist war. Auch jetzt bis zum Videotermin waren nochmal sechs Wochen vergangen, alles nicht sonderlich vielversprechend.

Der Termin heute war überraschenderweise denkbar einfach. Ich schilderte meinen Wunsch und die Argumentation dazu, die Kollegin fragte ein paar Dinge nach, seufzte dann und sagte ja, sie hätte sich schon gedacht, dass das kommt und mit ihrem Team auch schon diverse Gespräche geführt und okay, dann würden wir das jetzt wohl so machen, es müssten nur noch ein Training und eine geordnete Übergabe stattfinden, damit auch alles richtig läuft. Natürlich gerne. Am Ende fragte ich noch „So why’d you let me ramble for 20 minutes, crawling through the mud, if you knew from the start this was where it’d land?“ und sie sagte „Look, we don’t really want this here. And sure, we can’t stop it. But we’re not gonna roll out a red carpet for it either“. Fair enough, ich denke, das war das Höchstmaß an Entgegenkommen,e das realistisch erreichbar war.

Rückfahrt auch per Rad, es war ein bisschen voll am Ufer, dafür nicht allzu warm und nur zweimal musste ich Autos bzw. ihre Insassen anschreien.

Der Wespenstich verhält sich unauffällig, insbesondere sieht man gar nichts mehr. Der Rest vom Kriebelmückenbiss ist immer noch da, der Wespenstich unsichtbar. Wie etwas Unsichtbares so unfassbar jucken kann, verstehe ich nicht. Nunja. Geht auch wieder weg.

Zu Hause alles wunderschön, die Putzhilfe war da, ich startete nur noch eine Waschmaschine mit den Putzlappen, benutzten Handtüchern etc und legte dann brav den Fuß hoch, ließ mir von Herrn N Tofu und Brokkoli in Erdnuss-Sauce servieren und fühlte mich unglaublich vernünftig dabei.

Frage in der unverbindlichen Contentvorschlagliste heute: „Als Person ohne Unterrichtserfahrung, aber unbedingtem Spaß am Gesang bei jeder Gelegenheit: reicht singen nebenbei (unter der Dusche, beim Abwasch, in den seltenen Momenten im Auto) nicht als Übung?“

Tja, dazu gibt es sehr unterschiedliche Meinungen, da bin ich sicher. Die Meinung meines Gesangslehrers ist, dass das keinesfalls reicht. Es ist ja das eine, aus Freude entspannt etwas zu singen. Oder aber sich mit konkreten Problematiken zu beschäftigen, wie z.B. Atmung, Artikulation, Resonanzräume, Intonation, Registerwechsel. Das erfordert Wiederholung, Reflexion und eine gewisse Beharrlichkeit. Es geht darum, zu beobachten, welche Veränderungen sich einstellen, was funktioniert, was noch nicht und daraus dann den nächsten Übungsschritt abzuleiten.

5. August 2025 – WmdedgT

Alles zu WmdedgT wie immer bei Frau Brüllen.

Ich wachte heute auf, irgendwann. Der Wecker hatte nicht geklingelt, ich hatte ihn auch nicht gestellt, ich hatte keine Termine am Morgen und eine Bahn gibt es nicht zu erreichen: Schienenersatzverkehr weiterhin, vielleicht geht was, vielleicht geht nichts, wann weiß kein Mensch, wie lange erst recht nicht und wohin auch nicht genau, wir fahren auf Sicht. Insofern ist es völlig irrelevant, wann ich an der Haltestelle eintreffe.

Als ich am Bussteig eintraf, standen dort sehr, sehr viele Menschen und es wurde gesagt, alles sei 20 Minuten später als irgendwann. Darauf hatte ich keine Lust, also ging ich nochmal in den Supermarkt auf der anderen Seite des Bahnhofs, um mir Billigkaffee aus dem Kühlregal zu kaufen – mein guilty pleasure, das ich mir gönne, wenn ich finde, ich habe es ganz besonders schwer. Dabei wusste ich ja noch gar nicht, wie schwer ich es habe!

Auf dem Rückweg vom Supermarkt zum Bahnsteig/Bussteig begann nämlich mein Fuß stechend zu schmerzen, ich richtete den Blick irritiert nach unten und sah eine Wespe auf der schmerzenden Stelle, quiekte laut, schüttelte mein Bein, so dass er Schuh (ich trug Ballerinas) über die Straße flog, das Tier war dann auch weg und: keinen Tropfen Kaffee verschüttet. Das muss man ja erst einmal nachmachen. Ich sammelte den Schuh wieder ein, begutachtete den Fuß und ja, das Tier hatte mich tatsächlich gestochen. Warum landet man auf einem beliebigen Fuß und sticht da rein, was soll denn der Quatsch? Konsterniert ging ich weiter zum Bus, zu tun gab es nichts, ich hatte Kaffee und ein Handy, nichts davon geeignet zur Behandlung eines Wespenstichs. Hilfreiche Tipps gab es aus dem Internet: ich könnte jemanden am Bahnhof um einen erhitzten Löffel bitten. Ich nahm davon Abstand.

Im Büro lag noch die von der Hausärztin verordnete Creme für die Kriebelmückenbisse neulich, ebenso waren im Eisfach noch meine Kühlpacks, der Fuß erfuhr somit schon ungefähr eine Stunde nach dem Stich eine hochprofessionelle Behandlung und ich hoffe – und erwarte – morgen ist nichts von dem Ungemach mehr übrig.

Der Arbeitstag war ereignisreich. Gleich morgens war ein Antwortschreiben vom Vermieterchef an meinen Chef angekommen, über das ich mich einerseits amüsierte, es wurde nämlich die Hoffnung formuliert, dass „die Zusammenarbeit zwischen den Teams auf beiden Seiten wieder zunehmend sach- und lösgungsorientiert verläuft.“ Da bin ich aktuell noch nicht dabei. Gleichzeitig ärgerte mich sehr, dass der Vermieter sich an mehreren Stellen des Schreibens auf ein imaginäres „Projektteam“ bei uns bezog. Ich weiß nicht, wer oder was das sein soll, denke auch nicht, dass man ein Projektteam benötigen sollte, um in einer angemieteten Bürofläche der Arbeit nachzugehen.

Dann gab es noch ein bisschen weiteren Irrsinn grob gefasst in Bezug auf Personen, die vor ein paar Wochen mit Schulung, persönlicher Erklärung und Handbuch für eine Aufgabe qualifiziert wurden und heute nicht wissen, wie sie die erledigen sollen, denn sie hatten noch fragen, waren aber im vergangenen Quartal irgendwie nicht dazu gekommen, sie zu stellen. Heute hatten sie Gelegenheit, sich diese Fragen dann mit eigenen Mitteln zu beantworten – Brain, Book, Buddy, Boss haben wir ja gelernt, und Boss bestand auf Absolvierung der Schritte in exakt dieser Reihenfolge – und so einen gewaltigen Schritt auf der Lernkurve zu machen.

Zwei weitere neue Praktikanten waren etwas sperrig, sie hatten nicht alle geforderten Unterlagen dabei, wurden von mir aufgefordert, die fehlenen herbeizuschaffen und schickten mir dann einen Link, wo ich sie abrufen könne. Die Antwort darauf ließ ich eine KI formulieren, besser ist das manchmal, die KI hat das gut gemacht, die Unterlagen trafen wenig später ein mit einer Erklärung, sie hätten da wohl etwas falsch verstanden und hofften, nun alles richtig gemacht zu haben. Ja und ja.

Ansonsten bereitete ich meinen Urlaub vor, zwei Tage sind es noch, das heißt, ich befreite den Urlaubszeitraum von dorthin gelegten Aufgaben und schaute, was davon ich vorher machen kann, was davon ich nachher machen kann und was ich entweder aus dem Urlaub regeln muss oder weitergeben kann.

Am Abend wieder Schienenersatzverkehr, darin ein trauriges Erlebnis: ein paar Stationen weiter stiegen ein Mann und eine Frau ein, die zusammen unterwegs waren und der Mann beschimpfte und erniedrigte die Frau unüberhörbar und ununterbrochen. Immerhin waren schon nach zwei Stationen mehrere Personen aufgestanden waren und hatten sich zu dem Pärchen gestellt. Wir fragten die Frau, ob wir etwas für sie tun können und sagten dem Mann, dass sein Verhalten inakzeptabel ist. Die Frau bestand darauf, dass alles in Ordnung sei und ihr Begleiter sie nur beschützen wolle. An der nächsten Station stieg dann die Polizei zu, wohl vom Busfahrer verständigt, und nahm unsere Beobachtungen und die Personalien aller Beteiligten auf. Weiter unternahmen sie nichts, da die Frau weiter versicherte, es sei alles völlig in Ordnung.

Eine schwierige Situation, finde ich, weil ich befüchte, dass die Frau die Konsequenzen unseres Eingreifens tragen wird. Nicht eingreifen schützt allerdings auch niemanden.

Am Abend war ich mit Kochen an der Reihe, wir bestellten auf Wunsch von M aber Pizza und ich legte den Fuß nochmal hoch.

Dann kam ganz überraschend ein Anruf von einer Kollegin aus meiner Weiterbildung, die ich kürzlich für meine Abschlussarbeit sehr widerstrebend gecoacht hatte. Widerstrebend, weil ich überhaupt nie jemanden coachen möchte, ich bin nicht gern eine prozessbegleitende Ressource (was Coaching im besten Fall ja ist) und noch weniger gern ein manipulativer Katalysator (was Coaching im schlechtesten Fall ist). Wie auch immer, ich hatte mich bei unserem Treffen, weil es nun einmal sein musste, voll und ganz mit Haut und Haar in die Rolle der prozessbegleitenden Ressource geworfen und wir hatten ein berufliches Gespräch vorbereitet. Dieses Gespräch fand heute statt, die Kollegin wollte mir davon erzählen, denn alle ihre Pläne gingen auf, allen ihren Wünschen wurde entsprochen, es war ein Erfolg auf ganzer Linie. Das hat mich sehr gefreut.