22. Oktober 2025 – Tag 10 der Chaostage

Selten bin ich so unvorbereitet gereist. Morgens um 8 den Koffer gepackt, um 8:30 kam die Leckortung, um 9 Uhr saß (stand) ich im Zug ins Büro. Dort war wieder „Tag der Anliegen“ – Personen meckern darüber, dass andere Personen ständig meckern und es sind halt alle möglichen Leute krank und alle möglichen Leute finden das doof. Meine These ist, dass die Auslastung einfach zu niedrig ist, wäre sie höher, wäre keine Zeit zum meckern und doof finden. So geht es mir ja. Ich habe dem Alltag gegenüber derzeit eine freundlich-gelassene Neutralität, weil ich wirklich nicht noch Energie aufwenden kann, mich über Unabänderliches aufzuregen. So hatte ich vor diesem Flug auch keine Flugangst. Einfach mangels Zeit dafür.

Um 12:45 Uhr wollte ich eigentlich los Richtung Flughafen, kam aber erst um 13:15 aus dem Turm und hatte um 13:45 einen Security-Slot gebucht. Der Taxifahrer fuhr Schleichwege und wir plauderten über seine kürzliche Reise nach Russland – er fand es nicht schön dort, natürlich tolle Häuser in den großen Städten doch die Wohngebiete sehr trostlos und schmutzig und zusätzlich waren die Menschen dort zu ihm überwiegend unfreundlich, er vermutet, weil er kein Russisch sprach. Drei Wochen lang sei er in den Frühstücksraum gegangen und habe „Good Morning!“ geschmettert und nie kam eine Antwort. Ich fragte natürlich, wie er auf die Idee gekommen war, ausgerechnet in Russland Urlaub zu machen. Er verstand meine Frage nicht. Ich wurde konkreter: was ist mit der gesellschaftlich-ethischen Perspektive und was mit der Sicherheitslage? Er verstand weiterhin nicht. „Überall ist doch immer irgendwas“, sagte er. Ich nahm das als Erinnerung mit, wie selbstverständlich man die eigene Sicht für die naheliegende hält, und dass andere natürlich ebenso denken – nur eben aus einer ganz anderen Richtung heraus.

Am Gate fand ich endlich Zeit, nachzuschauen, in welche Hotel ich nun eingebucht wurde und wo die abendliche Feier stattfindet und wie ich dahin kommen könnte. Einen Fahrer hatte ich abgelehnt, die Strecke von Heathrow nach London City mit dem Auto zu fahren, ist nur etwas für geduldige Menschen. Die Bahn ist viel schneller und als ich sah, dass die Picadilly Line quasi vor dem Hotel hält, freute ich mich sehr. Zur Abendveranstaltung wollte ich dann laufen, denn sie fand eine halbe Stunde entfernt statt und das Wetter war angenehm.

Zunächst einmal wurde ich aber schon auf dem sehr kurzen Weg ins Hotel fast überfahren, weil ich nämlich vergessen hatte, dass in England Linksverkehr ist. Und noch etwas hatte ich vergessen, und war deshalb höchst irritiert, als mein Kalenderwecker losbrummte, als ich gerade nass aus der Dusche kam: Zeitverschiebung! Und die Einladung für abends war ohne Zeitzonenlogik eingestellt worden, so dass sie auf 19 Uhr beharrte, obwohl hier 18 Uhr die korrekte Zeit gewesen wäre. So fehlte mir eine volle Stunde und statt 30 Minuten gemütlich zu Fuß zu gehen sprintete ich zurück zur U-Bahn, diesmal Central Line, wie ich im An-den-Schildern-vorbeilaufen herausfand. Man kann in London sehr gut intuitiv U-Bahn fahren, es ist sehr übersichtlich und gut beschildert und um Fahrkarten muss man sich nicht kümmern, nur das Handy mit irgendeinem Zahlungsding vor eine Säule halten.

Das Essen war hervorragend, ich hatte als Vorspeise gratinierten Ziegenkäse, als Hauptgericht eine gebratene Blumenkohlscheibe mit Kapern und karamellisierter Butter und als Dessert einen Lemon-Meringue-Pie. Alles auch mehr oder weniger zahntauglich. Wein ließ ich weg, ich mag ja keinen Wein – hier ein etwas irritierendes Erlebnis, denn als ich dem Kellner gesagt hatte, er könne das Glas abräumen, schlossen sich noch drei Personen an. Ich sagte kurz, dass es mich nicht stört, wenn andere Wein trinken – darum ging es aber nicht, alle drei sagten, sie würden eigentlich sowieso keinen wollen und wollten nur nicht die einzigen sein. Nun. Ich bin oft gerne die einzige mit irgendwas. Eine andere Herangehensweise, scheint mir.

Nach dem Essen übergaben wir die Abschiedsgeschenke. Die Kuckucksuhr, die ich mitgebracht hatte, sorgte für Freude. Aus Belgien gab es wirklich eine riesige Menge Pralinen, es ist sehr gut, dass ich nicht noch weitere Süßigkeiten mitgebracht habe.

Jetzt bin ich in einem völlig überdimensionierten Hotelzimmer, das ich eigentlich gern angemessen bewohnen würde, doch habe ich wirklich nur Minimalgepäck dabei, also vermutlich gar nicht ausreichend Gegenstände, um auf jeder Ablagefläche irgendwas abzulegen. Und ich verbringe hier ja auch nur ungfähr 8 Stunden.

21. Oktober 2025 – Tag 9 der Chaostage

Ich konnte oder musste – je nach Blickwinkel – heute erst später los, weil ich noch einen Arzttermin hatte. So wachte ich gegen halb 8 ohne Wecker auf und legte erst einmal die gesamte Wäsche zusammen. Die große Waschaktion nach Wasserschaden geht nun in die zweite Runde, dann sind wir wieder auf einem normalen Level angekommen. Eine Maschine startete ich gleich, in der Hoffnung, dass die Putzhilfe, die später kommen würde, das Aufhängen übernähme.

Ich war hungrig, hatte aber keine Frühstücksidee. Ich kann kein Schlabberschlabber mehr sehen. Ich bereitete mir eine Scheibe Brot mit Käse zu und lutschte die abgebissenen Stücke sehr gründlich weich, bis ich sie mit den Zähnen leicht zerdrücken konnte. Ein sehr zeitaufwändiges Verfahren, nach einer halben Scheibe Brot wurde ich zu ungeduldig und blieb lieber hungrig.

Mir fiel nichts ein, was ich sonst noch zu Hause tun könnte. Etwas Entspannendes gelang mir angesichts eines übervoll gepackten Tages nicht, also fuhr ich mit dem Rad einfach schon einmal los, denn es war wunderschön herbstliches Wetter mit weicher Regenluft, so dass ich ein wenig an den Main fahren wollte. Bis mir unterwegs dann einfiel, dass ich ja gar nicht wirklich Radfahren soll. Es wäre dann ein guter Moment gewesen, auf einen Kaffee irgendwo einzukehren. Nur ist dann eine umständliche Mundreinigung erforderlich und dazu hatte ich natürlich auch wieder keine Lust. Meine Güte. Glücklicherweise kam ich bald an einem offenen Tor vorbei, das in eine Hinterhofgegend führte, die ich noch nicht kannte. Ich nutzte die Gelegenheit, parkte das Rad und schnüffelte herum. So verging die Zeit bis zum Termin.

Um kurz nach 11 war ich dann im Büro. Zahlen, Zahlen, Zahlen, Personen wussten nicht, dass sie zuständig sind, andere hatten vergessen, dass sie zuständig sind, andere wiederum hatten etwas nicht verstanden oder waren noch nicht so weit, einige natürlich auch im Urlaub oder krank. Mittags schon wieder das Gefühl, dass ich jeden Moment verhungere, es gab in der Kantine zahntaugliche Spätzle, unter die ich mir Erbsen und Möhren mischen ließ. Im Schrank hatte ich dann als Dessert noch ein Glas Apfelmus. Schlabberschlabber.

Gegen 18 Uhr reichte die Konzentration nicht mehr für weitere Zahlen, so dass ich umschwenkte auf ein paar Alltagsdinge, die ja auch erledigt werden müssen. Arbeitsverträge durchsehen, Rechnungen freigeben, Fragen beantworten. Und um die Nebenkosten wollte ich mich ja kümmern, doch um 19 Uhr ereilte mich von Herrn N die Nachricht, das für den Rosenkohl in Hoisin-Soße der Rosenkohl fehlte. Ein Notfall sozusagen! Ich beschloss, die Nebenkosten einen weiteren Tag liegen zu lassen und weil ich es hasse, an Dinge erinnert zu werden, schrieb ich selbst dem Vermieter, dass ich den angekündigten Termin nicht halten kann, mich jedoch bis Ende der Woche melde. Dann eilte ich zur Rettung des Abendessens, fuhr erst mit der Bahn und dann nochmal mit dem Rad und erwischte eine Packung TK-Rosenkohl.

Während Herr N fertigkochte, bleckte mich ein Post-It an der Waschmaschine an, hinterlassen von der Putzhilfe, es sagte „noch Wasser – kaputt?“. Die Waschmaschine wollte nicht fertig abpumpen. Wirklich ein Affront – erst darf sie während eines Wasserschadens nicht laufen, dann darf sie wieder und verweigert. Das konnte ich nicht akzeptieren und Schritt zur Fehlersuche, die mich schnell zur Grobkörperfalle führte. Darin fanden sich zwei Haarnadeln (von M), ein Knopf (unklar von wem) und ein Dings (von einer Hose von Herrn N). Nach Entfernung der Gegenstände lief – läuft – die Maschine wieder einwandfrei.

Ursprünglich hatte ich geplant, heute noch das Köfferchen für die Reise nach London morgen zu packen. Bei den letzten Reisen ist mir aber aufgefallen, dass abends packen für mich doppelte Mühe ist, denn ein paar Dinge benötige ich ja bis zum nächsten Morgen noch. Knirschschiene, Lieblingskopfkissen, Ladegerät und so weiter. Ich muss den Vorgang also zweimal anfassen, zweimal darüber nachdenken, das versuche ich üblicherweise zu vermeiden, es ist nicht energieeffizient. Ich werde also erst morgen packen und mir nur beim Einschlafen schon einmal durch den Kopf gehen lassen, welche Art von Capsule Wardrobe mich mit Minimalgepäck durch alle geplanten Termine bringt. Die ich im übrigen auch teilweise noch vereinbaren muss. Immerhin bin ich schon eingecheckt.

20. Oktober 2025 – Tag 8 der Chaostage

Wieder gut geschlafen. Ich fühle mich momentan körperlich fitter als üblich, möchte aber keine Kausalität zur Chaossituation herstellen. Eher ist es vielleicht so, dass durch die konsequente Supplementierung die Mangelerscheinungen an Eisen und Vitamin D, die meine Blutuntersuchung ergab. langsam ausgeglichen werden. Dabei hatte ich mich ja auch nie unfit gefühlt. Jetzt fühle ich mich nur einfach noch besser. Irgendwann wird es unerträglich gut sein!

Auf dem Weg ins Büro hatte ich noch Dinge zu erledigen – Rezept abholen und einlösen, dergleichen. Das konnte ich alles auf dem Weg zur Bahn erledigen, denn der Schienenersatzverkehr ist zunächst einmal vorbei, die Bahn fährt wieder. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt damit gefahren war, vor SEV war ja noch so gut wie immer Fahrradwetter und davor hatte ich Urlaub und davor war auch wieder SEV – jedenfalls, plötzlich war Herbst, ich komme morgens und abends im Dunkeln an der Haltestelle an, das war unerwartet.

Im Büro hielt ich mich 10 Stunden auf. Zwei davon konnte ich den Tätigkeiten nachgehen, die ich geplant hatte (eine Stunde Meeting, eine Stunde Zahlen), die übrige Zeit ging dafür drauf, Personen von irgendeiner merkwürdigen anderen Ebene, die dem Büroleben nicht zuträglich ist, zurück in das Leistungsgefüge zu führen. Wir haben ein Kümmer-Vakuum im Büro. Der Chef steht für so etwas per se nicht zur Verfügung, also: nur im Äußersten. Ich habe an Kümmern keinerlei Interesse, jedoch gibt es eine oder zwei Personen, die Interesse an der Kümmererinnenrolle haben, sie jedoch auf eine Weise ausüben würden, die mir sehr gegen den Strich geht. Daher muss ich in dieses Vakuum springen und mich Kümmern, bevor es jemand anders tut. This too shall pass. Warum sich überhaupt dauernd wer kümmern muss, kann ich nicht sagen, ich habe beruflich überhaupt noch nie zu irgendwelchen zwischenmenschlichen Themen intern Rat gesucht sondern wende mich mit sowas an Freund*innen, Beratungsstellen oder vertrauensvoll an das Internet.

Mit meinen Zahlen geht es nun in die zähe Phase, in der ich nicht mehr selbst machen kann sondern auf Antworten angewiesen bin. Manche kamen heute, andere kamen nicht, manche Personen, die als zuständig benannt waren, erklärten sich als nicht zuständig. Das übliche. Viel mailen, viel telefonieren, viel chatten, Jägerin und Sammlerin von Auskünften. Ich bin in dem Thema jetzt entspannt, würde sagen, 98% sind erledigt, der Rest wird kommen und wenn nicht, ist es egal. Dann muss aber noch die Verteilung geregelt werden, das ist die nächste Deadline (Freitag) und ich kann sie nicht halten, weil der Chef vor Übermittlung abzeichnet und er hat erst nächsten Dienstag Zeit dazu. Nun. Das gibt mir einen halben Tag für das weitere sehr dringende Thema, nämlich eine strukturierte Aufstellung der offenen Punkten zur Nebenkostenabrechnung, die ich für heute versprochen und nicht geliefert habe. Üblicherweise wird ja der angekündigte Geschäftstag abgewartet und am nächsten Morgen hat man irgendwas zu tun und fragt dann Mittags endlich genervt nach. Ich würde das also gerne morgen Vormittag abschicken, vor der genervten Nachfragte. Nur habe ich morgen Vormittag einen Arzttermin und überhaupt noch nicht mit einer Verschriftlichung angefangen – nachgedacht habe ich natürlich bereits. Wie praktisch es wäre, wenn man einfach partiellen Zugang zum eigenen Gehirn geben könnte, wie zu einer Dropbox!

Vor Feierabend buchte ich mir noch für Mittwoch einen Security-Slot am Flughafen und brachte den Kalender in Ordnung – was hauptsächlich bedeutete, dass ich alle offenen Aufgaben außer „Budget“, „Compensation“ und „Nebenkosten“ auf die nächste Woche ab Mittwoch verschob.

Zu Hause hatte Herr N gekocht, sehr lecker, doch eine Erkenntnis: Blattsalat essen ist, wenn man nicht mit Zahnkontakt kauen darf, unmöglich. Sahnetorte hingegen funktioniert super! Lernen wir daraus!

19. Oktober 2025 – Nase wieder in den Wind

Dieses Kortison scheint komische Träume zu machen. In meinem Traum saß ich mit meinen Freunden und Freundinnen zusammen, eine Kamingesprächssituation, es ging um mich, ich war nämlich in Wirklichkeit der Teufel und nun hatten sie es herausgefunden und – so, wie ich sie kenne – sachlich und stringend in einer Argumentationskette zu dieser einen zwingenden Schlussfolgerung gebracht. Wie gesagt, sie hatten Recht, es war eine weitere missliche Situation für mich. Ich war nicht um mich besorgt, warum sollte der Teufel das sein, doch es war irgendwie ärgerlich, dass jetzt alle Pläne scheitern und irgendwie traurig, voraussichtlich diese Freundschaften zu verlieren. Ganz so weit waren wir aber noch nicht. Im Traum wurde die Vorgehensweise noch ausdiskutiert, ethisch betrachtet war man der Ansicht, mich vernichten zu müssen, pragmatisch betrachtet wusste niemand, wie dabei wohl konkret vorzugehen wäre. Ich selbst war, wie gesagt, entspannt und überlegte eher, ob ich alle doch noch irgendwie dazu bringen könnte, halt in Ermangelung einer optimalen Lösung einfach so weiterzumachen wie zuvor, es war doch eigentlich alles gut, warum die ganze Aufregung nur wegen einer überraschenden Erkenntnis, die man doch auch einfach wieder vergessen könnte.

Dann wachte ich leider auf, die Katze lag wieder neben mir.

Frühstück war schwierig. Ich esse gern Dinge, die man richtig kaut. Brot mit harter Kruste, Nüsse, Crunch, solche Sachen. Ich zerbeiße auch gerne Eiswürfel, naja, nicht unbedingt zum Frühstück. Ich darf momentan nicht richtig kauen, auch nicht auf der anderen Mundseite. Also muss ich Schlabberkram essen. Heute früh war das Rührei, ungetoastetes Toast und ein Rest Porridge von gestern. Dazu ein Milchkaffee (Kaffee darf ich wieder). Schlabberschlabber.

Die Wohnung ist derzeit tiptop aufgeräumt, nach einer Ausfallzeit von einer Woche weiß man Wasch- und Spülmaschine wieder richtig zu schätzen. Was sollte das, dass wir jemals ausdiskutiert haben, wer die Spülmaschine jetzt ausräumt? Es ist doch toll, sie ausräumen zu können, weil sie fertig gespült hat, alles sauber und glänzend, und dann darf man sie sogar wieder einräumen, dabei Getränkereste in der Spüle entsorgen statt in einer Schüsssel und dann im Klo, und dann steht nichts mehr herum, wie schön das alles ist! Fast konnten Herr N und ich uns nicht einigen, wer an dieser Schönheit nun durch Ausräumen direkt partizipieren darf. Aber dann machten wir es wie immer: er die Spülmaschine, ich die Waschmaschine. Die ja auch ganz toll ist! Jeden Tag kann man nun wieder ein neues Küchenhandtuch nehmen und kleckern ist nicht schlimm, es sind genug Putzlappen da. Ich hätte gern aus lauter Freude sofort wieder die Fenster geputzt, aber die sind ja noch sauber.

Gegen Mittag setzte ich mich daher an den Schreibtisch, um mich aus dem Auge des Sturms wieder mitten in das Geschehen zu begeben. 274 Mails waren seit Donnerstagmorgen aufgelaufen. Zwei längere Anrufe konnte ich auch erledigen – die eine Kollegin war gerade auch online und der eine Dienstleister arbeitet standardmäßig Donnerstag und Freitag nicht, da hat er die Kinder und statt dessen Samstag und Sonntag.

Ich bin jetzt mit meinen Zahlen wieder exakt so weit, wie ich ursprünglich zum jetzigen Zeitpunkt sein wollte. Nicht weiter, leider. Aber auch nicht mehr im Rückstand. Die nächste Woche wird also, wie geplant, sehr dicht und stürmisch und vermutlich chaotisch, aber nicht unmöglich.

18. Oktober 2025 – Im Auge des Sturms III

Ich erwachte und die kleine Katze lag neben meinem Kopf, Vorderpfote auf meinem Arm. Das habe ich mir lange gewünscht und gedacht, es würde nie passieren – zur Erinnerung, die Katze ist das Tier, das in den ersten Lebensjahren nicht akzeptierte, dass wir uns im selben Raum aufhalten und sich mit ungefährt 8 Jahren zum ersten Mal streicheln ließ. Zunächst fühlte ich das nur, weil ich meine Schlafmaske trug und den Arm konnte ich ja nicht bewegen (auf dem anderen lag ich selbst drauf). Durch engagiertes Naserümpfen und Stirnrunzeln konnte ich die Schlafmaske soweite verschieben, dass ich etwas sehen konnte und dachte gleich: „Achso das ist KI-generiert!“ Denn zum einen konnte es ja gar nicht sein, zum anderen sah ich zwei Vorderpfoten auf meinem Arm und eine unter dem Katzenkörper eingeklappte, Katzen haben ja keine drei Vorderpfoten und eine hintere oder der Schwanz konnten nicht im Spiel sein, das war aufgrund der allgemeinen Katzenkörperhaltung anatomisch unmöglich. Drei Katzenvorderpfoten, das ist KI!

Die KI-Katze blinzelte mir langsam und beruhigend zu, ich schloss nochmal die Augen, um richtig aufzuwachen und als ich sie erneut öffnete, sah ich, dass die zweite Pfote, die vermeintlich auf meinem Arm lag, das Bündchen meines Ärmels war, halt auch katzenschwarz.

Die Zahnsituation entwickelte sich weiter erfreulich, ich fühlte mich fit und freute mich auf den zahnärztlich erlauben Einkauf.

M holte mich ab und wir fuhren in den Lieblingssupermarkt, dann wurde es doch unerwartet anstrengend, weil wir mehrfach kreisen mussten und in erstaunlich viel Haushaltsdetailwissen abtauchten. Wenn beispielsweise große Joghurtbecher gekauft werden – absolut sinnvoll – stelle ich die Frage, wie der nach erstem Gebrauch wieder veschlossen wird – wird umgeschüttet und sind entsprechende Gefäße im Haushalt oder ist Frischhaltefolie vorhanden, wie gehen wir damit um? Bei uns zu Hause haben wir wiederverwendbare Deckel für solche Zwecke, wir kehrten also noch einmal um, um die Deckel – die einen halben Supermarkt vor dem Joghurt sind – in den Einkaufswagen zu legen. Ähnliche Fragen zum Brot, das teilweise eingefroren werden soll, aber worin und wie wird das verschlossen, wenn man immer nur eine Scheibe herausnehmen möchte, also immer wieder auf und zu? So ein Haushalt ist erstaunlich komplex und all diese Details diffundieren unbemerkt ins Gehirn. Auch realistische Einschätzung von Möglichkeiten – wenn Ms Mitbewohner meldet, das benötigte Backblech müsse die Größe 30×35 cm haben kann ich, obwohl ich nur zweimal sehr kurz in der Küche war, sofort sagen, dass das nicht stimmt, allein aus dem Bild der Küchenzeile, das in meiner Erinnerung abgelegt ist, und zum Nachmessen auffordern. Er hat natürlich Standardgröße und so bin ich nun endlich die zwei Backbleche und den Grillrost los, die ich seit 2 Jahren für exakt diese Gelegenheit zwischen Kühlschrank und Wand aufbewahre!

Vom Einkauf brachte ich auch Kuchen mit, damit ich ansonsten weiter Zahnruhe halten kann und nicht backen muss. Denn Schanuf kam zum Kaffee vorbei, mit Dackel. Wir saßen gemütlich zusammen und behandelten die unterschiedlichen Sahnetortenstücke wie Gemeinschaftsgut, probierten also alle von allem, im Hintergrund summte lieblich die Waschmaschine, die den Gipfel des angestauten Wäscheberg der letzten zwei Wochen nun bereits überschritten hat. Noch 2x dunkel und 1x weiß, dann ist das auch erledigt!

Zwischendrin kam eine weitere Kiste Crowdfarming-Mangos, dazu hatte es schon eine Mail gegeben, ich habe nämlich nur eine bestellt, es war ein technischer Fehler. Letztes Jahr hatte ich ja schon die doppelte Menge Zitronen erhalten. Ich bin davon wirklich genervt, es ist gutes Obst und ich möchte es nicht wegwerfen, gleichzeitig aber auch nicht ständig dasselbe essen und mich auch nicht um die Weiterverteilung kümmern, ich bin ja keine Obsthändlerin. Gestern konnte ich unkompliziert M und Schanuf je 3 Früchte mitgeben, immerhin. Ich habe jetzt alle Abos etc. stillgelegt, bis ich mich wieder weniger ärgere.

Später kam M zum Abendessen zurück, sie holte für mich noch per Leiter einen riesigen Blumenstrauße vom Küchenschrank – mittlerweile leider verblüht. Den Blumenstrauß hatte ich von einem ihrer neuen Mitbewohner (bzw. seinen Eltern) als Dankesschön bekommen und leider waren ein paar katzengiftige Blumen darin, so dass er nicht auf dem Küchentisch stehen konnte. Wobei das sowieso nicht geangen wäre, der Strauß war enorm, ungefähr einen Meter hoch und sehr ausladend (locker gesteckt). Auf dem Schrank hatte er wunderbar ausgesehen! Dafür mussten aber die Kochbücher, die dort sonst sind, weichen und die sortierte ich dann gestern Abend noch aus. Ich glaube, Kochbücher haben sich für mich überholt. Ich plane selten so weit im Voraus, dass ich in ein Kochbuch schaue und dann einen Einkaufszettel schreibe – meistens habe ich während des Einkaufs eine Idee und googele dann, was ich an Zutaten benötige. So blieben nur ungefähr ein Viertel der Bücher, in denen häufig von mir genutzte Rezepte sind, die ich dennoch nicht auswendig kann. Der Rest steht nun vor der Tür zum Verschenken.

Der Rest des Abends fand im Sessel statt. Ich finde, meine Erholung ist außerordentlich gut verlaufen. Morgen darf ich den Sessel für die Aufnahme des Alltags wieder verlassen – im Berufsmailaccount sind über 250 Mails eingegangen seit Donnerstagmorgen, die spinnen doch alle.

17. Oktober 2025 – Im Auge des Sturms II

Ich wachte auf ohne Schmerzen und mit minimaler Schwellung. Heute war es immerhin erlaubt, einen Ausflug zu machen – und zwar zur Kontrolle zur Zahnärztin. Ich spürte ja schon, dass alles gut war und hoffte, eine verkürzte Rekonvaleszenzzeit herausschlagen zu können. So sagte ich gleich, dass wir von meiner Seite aus das Thema jetzt einfach wegignorieren könnten, bis der nächste Termin ansteht, ich könnte gut aus dem Sessel wieder aufstehen und weitermachen.

„Nee“, sagte die Zahnärztin.

Nunja. Ich habe es medizinisch erklärt bekommen, in den ersten drei Tagen findet vor allen Dingen Wundheilung statt, die Schraube im Knochen hält nur durch das Drehmoment und durch nichts anderes, insofern lassen wir den Körper jetzt bei der Wundheilung seine Arbeit tun und dann wird er Zeit finden, die Schraube in den Knochen zu integrieren. In den ersten drei Tagen ist jeder Druck, jede Erschütterung, jeder Blutdruckanstieg kontraproduktiv, in den folgenden zwei Wochen alles, was ich als „körperlich anstrengend“ wahrnehme und danach darf wegignoriert werden.

Ich kehrte also in den Sessel zurück beziehungsweise erstmal an den Herd, weil: immer noch unglaublicher Hunger. Ich frühstückte Möhren-Kartoffel-Stampf mit Apfelkompott und als Dessert gab es Kaiserschmarrn, dazwischen lag eine Online-Italienischstunde und als ich kurz vergaß, dass ich nicht unter Tische kriechen soll, setzte ich das Homeoffice-Equipment, das jetzt so grob ein Jahr brach lag, wieder in Gang um da morgen oder übermorgen ein paar Dinge zu erledigen, die ich am Montag nicht vor der Brust haben will.

Am Nachmittag kehrte der Nachbar zurück und ich konnte die Spülmaschine ausprobieren – alles dicht, kein Wasser aus seiner Decke. Seitdem laufen Wasch- und Spülmaschine mit immer nur sehr kurzen Unterbrechungen. Die Flaschenpost kam, eine Kuckucksuhr kam, ein Paket für Herrn N kam, so ging die Zeit herum. Morgen darf ich einkaufen gehen!

16. Oktober 2025 – Im Auge des Sturms I

Mitten im Chaos nun zwei Tage Füße hochlegen, den Strudel um mich herum toben und den Wind heulen lassen, dabei einfach nichts tun. Alles nimmt immer mehr Fahrt auf, geht weiter, ich sitze im Sessel. Das fällt mir nicht leicht.

Frau Herzbruch fuhr mich morgens zur Zahnärztin. Um 10 Uhr war ich da, um 10:30 begann die OP und um 11 Uhr stand ich wieder vor der Tür. Es lief alles einen Tick besser als nach Plan, die Zahnärztin fand ihre bisherige Arbeit (und meine Einheilung) nämlich so gelungen, dass sie zwei Schritte in einem abwickelte und wir damit einen weiteren kleinen Eingriff in einigen Wochen sparen. Bedeutet aber eben auch, dass jetzt wirklich nochmal 2-3 Tage Schonung folgen und nicht, wie ich gehofft hatte, ein Nachmittag Sofa und dann wieder Alltag.

Ich fuhr per Uber nach Hause, schon als ich im Auto saß, war die Betäubung abgeklungen und dabei war noch zweimal nachgespritzt worden. Zu viel Adrenalin halt. Das war dann aber wohl auch abgebaut, denn schon im Uber schlief ich zweimal kurz ein und als ich mich später in den Sessel setzte, mit dem Plan, ein Buch zu lesen und gelegentlich die Wange zu kühlen, verfiel ich sofort in Tiefschlaf .Und als ich wieder aufwachte, hatte ich riesigen Hunger, auf alles mögliche, dass ich in den nächsten Tagen nicht essen darf: Rohmilchkäse, Vollkornbrot, dergleichen.

Den Rest des Tages geschah auch nicht mehr viel. Ich schlief immer mal wieder ein, langweilte mich zwischendrin, weil mein Gehirn eigentlich etwas längeres Beginnen wollte wie zum Beispiel etwas Leckeres und Zahngeeignetes kochen, der Körper wollte sich aber keinesfalls aus dem Sessel erheben, noch nichtmal ein e-Book wollte er in den Händen halten. An Wäsche waschen war nicht zu denken, auch wenn das ja wieder möglich (und relativ dringend) war

Die Katze fand die Situation gut. Sie lag im Sessel neben mir und führte mir vor, wie man genussvoll immer wieder wegdämmert, dabei nur minimal die Position ändert, immer auf einer kuschligen Wärmflasche gebettet.

15. Oktober 2025 – Tag 3 der Chaostage

An Tag 3 meiner persönlichen Chaostage drehte das Büro einmal komplett durch. Es war gut gemeint. Der Chef benötigte kurzfristig einen Pitch und jemand hatte woanders was ganz tolles gesehen und wollte das jetzt auch so machen, als tolle Überraschung für den Chef. Zum einen war ein Foto-Shooting involviert und zum zweiten sollten Dinge gedruckt und in einer ganz bestimmten Art und Weise gebunden werden, natürlich wegen Vertraulichkeit intern, keinesfalls extern. Nun haben wir nicht nur für die Art, wie die Bindung gewünscht war, weder Material und Gerät, auch schon für die gewünschte Art des Drucks, randlos nämlich, keine Maschinen haben.

Ich hatte die Situation unterschätzt, meiner Annahme nach hätten die beteiligten Personen die Möglichkeiten geprüft, die Unmöglichkeit einer kurzfristigen Umsetzung festgestellt und das entsprechend rückgemeldet. So kam es jedoch nicht. Die beteiligten Personen versuchten sich an Workarounds und ich schritt ein, als sie A3-Drucke mit manuellen Schneidemaschinen auf A4 zurechtschneiden wollten. Ich habe Basteln immer schon gehasst, auch beim Zusehen.

Es war dann auch alles gar kein Problem, wie gesagt – was alle aus den Augen verloren hatten – sollte es ja nur eine Überraschung sein. Wird der Chef eben nicht überrascht. Meiner Erfahrung nach ist er sowieso kein Freund von Überraschungen.

Als wieder Ruhe eingekehrt war, hatte ich noch drei Termine, es riefen verschiedene Handwerker wegen des Wasserschadens an und dass sie den Tag über vorbeikommen würden und dann konnte mich dann meinem Budget widmen. Ich kam fast so weit, wie ich beim ursprünglichen Plan Mittwochabend sein wollte, nur vier Unterkonten fehlen noch, die sind etwas komplexer, so dass ich sie mir der Restkonzentration nicht mehr zutraute. Lieber verteilte ich noch ein paar Aufgaben für während meiner Abwesenheit und brach dann pünktlich auf, um vor dem Gebäude in das Auto von Frau Herzbruch einzusteigen.

Es war natürlich Schienenersatzverkehr, Berufsverkehr, Baustellen und alles und doch trafen wir exakt so zu Hause ein, dass ich die Nachbarin an der Mülltonne traf, die mir vom Besuch der Rohrfirma berichtete. Der Bericht war etwas komplizierter, lief aber darauf hinaus, dass jetzt alles gut ist und wir alles wieder benutzen können, nächste Woche kommt nochmal jemand, um Feuchtigkeit zu messen, ansonsten ist das Thema abgeschlosssen. Die Nachbarin bat mich nur, Bescheid zu sagen, wenn ich Waschmaschine/Spülmaschine wieder das erste Mal wieder benutzt, damit sie das ein bisschen im Auge behalten kann. Das sagte ich natürlich zu.

Dann hatten Frau Herzbruch und ich noch eine halbe Stunde, um uns konzertfein zu machen (was in meinem Fall allerdings nur in „Panda-Augen nochmal beseitigen“ bestand und dann kam schon Fragmente und wir fuhren los zum Konzert von Suzanne Vega. Sehr schön war das, gut, dass die Karten noch wiedergefunden wurden!

14. Oktober 2025 – Tag 2 der Chaostage

Gleich vorweg: mein Plan geht bisher nicht auf, ich werde einen neuen fassen. Heute habe ich noch nicht einmal das Tool für die Budget-Eingaben öffnen können, denn es kam alles anders. Nämlich: Gehaltszahlungen gingen nicht ein. Die passieren eigentlich am 10., gut, das war ein Freitag, da kann man dann nochmal bis Montag warten, Dienstag sollte das dann aber auf den Konten sein. Nunja. Gehaltszahlungen an eine größere Anzahl Personen werden natürlich nicht alle einzeln manuell gemacht sondern gehen über ein Abrechnungsprogramm als Batch raus und nun ist ja die EU-Verordnung 2024/886 am 9.10. verbindlich geworden und enthält eben den Abgleich von IBAN und Empfänger*innen-Name – und wenn nun jemand in dem Batch vier Vornamen hat und nicht alle wurden angegeben oder bei der Bank den Doktortitel führt und das nicht mit angegeben hat, dann geht das Batch nicht raus und die Suche geht los. Auch das wieder: misslich.

Damit befasste ich mich von 8 – 10 Uhr, also mit der Veranlassung der Lösungsfindung, ich finde nicht selbst Lösungen, dafür habe ich keine Zeit. Ich hatte einen Termin mit Arbeitssicherheitsfachkraft und Betriebsärztin und meine Güte, wie langsam können Menschen sein? Alles, was in dem Meeting besprochen wurde, könnte man auf einer halben Seite zusammenfassen – das Protokoll wird aber mindestens 5 Seiten haben, das weiß ich jetzt schon. Kurz merkte ich nur auf, als der Arbeitssicherheitler sagte „Arbeitsschutz sticht Datenschutz!“ Ich würde hier ja zumindest die Verhältnismäßigkeit in den Raum stellen, doch das Thema an sich war so langweilig, dass ich nicht die Energie aufbringen konnte, die Lippen zu bewegen. Es ging um das Heftchen zum Verbandskasten, Verbandbuch heißt es, in das Unfälle, Verletzungen und Erste-Hilfe-Leistungen eingetragen werden sollen und – so sagte die Betriebsärztin – das perforierte Seiten haben soll bzw. muss, damit man die Blätter heraustrennen kann und die Daten geschützt sind. Der Arbeitssicherheitler fand das einen zu vernachlässigenden Punkt. Darüber stritten sie ungefähr ein halbes Leben lang. Als ob das irgendwie wichtig wäre! Als ob man nicht auch unperforierte Seiten ausreißen könnte! Und sowieso war das Buch – als sie es dann nach unendlichem Gerede endlich aufschlugen – perforiert!

Fast zwei Stunden dauerte diese Veranstaltung. Dann bekam ich endlich die Grippeimpfung und verbrachte meine Mittagspause zur Coronaimpfung in der BCRT-Reiseimpfpraxis. Während ich dort war, geschah etwas weiteres Unerwartetes: Unsere Reisestellenkreditkarte war ausgemaxt. Das ist überhaupt noch nie passiert, wir sprechen hier über einen sowieso schon absurd hohen Betrag, der monatlich zur Verfügung steht. Und ja, der Chef reist viel, aber – nunja. Es ließ sich – offen gesagt zu meiner eigenen Verblüffung – telefonisch regeln, dass das Limit ab sofort verdoppelt wird und schon eine halbe Stunde später konnte wieder gebucht werden.

Gegen 14:30 Uhr war ich zurück und telefonierte die Liste ab, die sich den Vormittag über angesammelt hatte und als das erledigt war, gegen 15:30 Uhr, hatte ich das Gefühl, es lohnt sich nicht mehr, mit den Zahlen anzufangen. Statt dessen machte ich noch eine Runde Arbeitsverträge, Arbeitszeugnisse, Rechnungsfreigabe, Geldwäscheprüfung, Zugangsfreigaben für Bauarbeiten/Mängelbearbeitung – andere müssen ja nicht aufgehalten werden, nur weil meine Zeit knapp ist.

Ab 16:30 Uhr hatte ich noch zwei Termine, gegen 19 Uhr stolperte ich in den Schienenersatzverkehr. Morgens hatte ich mich schon gewundert, dass Fahrradreisegruppen das Leid des Berufsverkehrs auf sich nehmen, statt ihre Tour ein wenig anders zu gestalten. Heute waren auf der Rückfahrt im völlig überfüllten Zug zwei kleine Personengruppen mit Leinwandbildern in ca. 2×2 Metern Größe. Gut, in einen normalen PKW hätten diese Bilder natürlich auch nicht gepasst und wenn sie unbedingt am frühen Abend noch in eine andere Stadt müssen, wäre mir auf Anhieb auch keine bessere Lösung eingefallen. Außer vielleicht einen Van anmieten. Wobei Kunst natürlich auf dem Weg zum großen Ruhm ein eher prekäres Geschäft ist. Und die Bilder sahen noch nicht nach dem großen Ruhm aus, naja, nicht, dass ich das beurteilen könnte, ich habe kein Auge für Bilder, noch kürzlich in Rostock erzählte mir die Frühstücksrunde am Tisch von dem auffälligen großen Gemälde, das auf der Toilette hängt und ich war dann später dort und kam zurück, ohne das Gemälde wahrgenommen zu haben. Vielleicht stand ich an die Picassos von morgen gepresst und habe nichts geahnt.

Zu Hause war die Leckortungsfirma dagewesen, hatte aber, wenn ich es richtig verstehe, noch kein Leck geortet. Die Hausverwaltung wird sich morgen melden. Ich bin weiterhin gespannt.

Morgen dann Budget. Das muss dann halt alles an einem Tag gehen. Oder ich bin Freitag vielleicht einfach nicht krank.

13. Oktober 2025 – Tag 1 der Chaostage

Zum Wasserschaden gibt es eine Ticketnummer. Mehr ist, soweit ich weiß, noch nicht passiert. Ich bin noch entspannt. Zum Wäschewaschen hätte ich sowieso keine Zeit, Dusche und Toilette funktionieren ja und ob ich mir über einer Schüssel die Hände wasche und Zähne putze oder über einem Becken ist mir eigentlich egal. Nur Kochen ist nicht ganz so freudvoll. Heute hat Herr N. gekocht.

Das Kaminrohr für die Heizung wurde heute gezogen, sagte mir die Hausmeisterin, als sie mich durch das Hoftor ließ, weil ich meinen Schlüssel nicht finden konnte. Ich kann in letzter Zeit häufiger meinen Schlüssel nicht finden, wenn ich vor dem Tor stehe; der Brandgeruch vom Nachbarhaus zieht mir bei der Suche in die Nase und macht mich ganz wirr. Ich nehme mir jetzt vor, den Schlüssel zukünftig schon auf der anderen Straßenseite herauszunehmen, das funktioniert bestimmt besser. Jedenfalls, ob die Heizung jetzt geht oder nicht, weiß ich nicht. Die Hausmeisterin war gerade auf dem Weg in den Keller, um es herauszufinden, das wartete ich aber nicht ab, denn es ist mir egal. Ich denke nicht, dass sie funktioniert. Zwar höre ich ein leises Rauschen, das ist glaube ich der Lüfter von Herrn Ns Laptop. Funktionierte sie, würde es ab und an leise knacken. Natürlich könnte ich auch einfach ein Heizungsrohr anfassen, um die Funktionsfähigkeit festzustellen, aber wo ist das der Spaß!

Im Büro befasste ich mich heute mit dem Budget, auch fast ausschließlich, denn bei meiner ersten noch recht kursorischen Befassung stellte ich fest, dass die Deadline nicht, wie ich dachte, Thanksgiving ist, sondern nächsten Freitag. Thanksgiving ist die Deadline für die Gehaltsverhandlungen. Wobei ich es unlogisch finde, diesen Teil erstmal zu schätzen, dann zu verhandeln und dann neu einzutragen. Ich finde so einiges unlogisch, das sich anderen leichter zu erschließen scheint. Wir denken wohl unterschiedlich, das ist in Ordnung.

Von den zwei Wochen, die für die Budgeterstellung vorgesehen sind, bleiben mir nun unglücklicherweise nur 4 oder 5 Tage. Denn zwei Tage sind ja für die Zahn-OP geplant, zwei für die Reise nach London, einer für die Beerdigung und einer möglicherweise für Brüssel. So eine Situation nennen wir bei uns im Büro „misslich“. Was bei uns bedeutet: es ist eine verdammte Scheiße aber davon lassen wir uns ganz sicher nicht aufhalten. Also habe ich heute von 8:30 Uhr bis 17 Uhr ununterbrochen Zahlen gestrickt. Der Headcount ist durch, Capex ist durch, der Gehalts-/Sozialabgabenteil von Opex ist durch. Das ist ganz gut, ich würde sagen, damit sind ungefähr 25 % erledigt und ich bin theoretisch gut in der Zeit. Nur praktisch leider nicht, denn morgen kommen Arbeitssicherheitsbeauftragter und Betriebsärztin zu einem Halbjahresgespräch, das kostet immer viel Zeit und später am Nachmittag sind lauter Koordinationscalls mit verschiedenen US-Abteilungen, meine Güte, warum schicken die nicht einfach alle E-Mails. Mittwoch habe ich dann nochmal einen ganzen Tag, das ist gut, ich hoffe, dann grob fertig zu werden. Dann kann alles sacken, ich kann verschiedene Budget-Teile in verschiedene Richtungen schicken und dann am Montag, nach Zahn-OP, quasi die Ernte meiner ausgesäten Fragen einfachen, einarbeiten, eine Nacht drüber schlafen, Dienstag alles fertigmachen und final abschicken. Und dann tiefenentspannt nach London, Brüssel und Stuttgart reisen, so, wie man entspannt im Schulhof herumlungern konnte, wenn man eine Klassenarbeit nch der Hälfte der Zeit abgegeben hat. Und niemand anders durfte dann mehr aufs Klo. Das ist ja jetzt beruflich zum Glück nicht so.

Um 17 Uhr wollte ich dann eigentlich noch in paar andere Dinge tun doch stellte zu meiner Verblüffung fest, dass das nicht mehr möglich war, jedenfalls nicht in der angestrebten Qualität. Also aß ich einen Obstsalat, den ich morgens eingekauft und dann vergessen hatte, und ging dann nach Hause.

Unterwegs wollte mir eine Frau aus einem neu geöffneten Kiosk einen Mini-Muffin aufdrängen. Ich wollte den Muffin keinesfalls haben, man sah ihm seine Industrie- und Plastikbeutelherkunft gleich an, die Frau war aber sehr hartnäckig, also nahm ich den Muffin und gab ihn an der nächsten Straßenecke einem Wegelagerer von World Vision weiter, der eigentlich mit mir sprechen wollte, ich wollte nun aber den Muffin loswerden und dieses Mal war ich sehr hartnäckig. Er steckte ihn sich ganz in den Mund und bevor er wieder sprechen konnte, war ich im U-Bahnhof verschwunden.

Aufgabe für den Rest des Abends: Runterkommen.