26. Juni 2023

Es passiert mir neuerdings, dass ich aus gutem Grund mit der Bahn zum Büro fahren will und dann doch mit dem Rad fahre. Heute zum Beispiel, ich musste erst einmal das Auto aus dem Hof wegräumen, hatte also einkalkuliert, ganz eventuell sogar damit fahren zu müssen, ächz, fand aber gleich um die Straßenecke einen Anwohnerinnenparkplatz. Also stieg ich wieder aus, wollte zum Zug gehen, wusste aber bereits, dass ich abends sehr in Eile sein würde und falls ich der Zug dann nicht fährt (mit sowas ist ja immer zu rechnen) mit der S-Bahn ankäme und von da hätte ich zum Zielort weiter laufen müssen, so dass alles knapp würde – also jedenfalls dachte ich, es sei eine gute Idee, das Rad an der S-Bahn abzustellen, so dass Zug und S-Bahn gleichermaßen gut für den Rückweg nutzbar waren. Dann bin ich aber versehentlich einfach mit dem Rad bis zum Büro gefahren. Dieses Leihfahrrad war eine hervorragende Entscheidung. Vielleicht erinnern Sie sich, mein eigenes Fahrrad war ja kaputt, ich konnte mich nicht aufraffen, mich zu informieren und mich noch nicht einmal aufraffen, mich derart zu organisieren, dass ich Fahrräder, die mir andere Personen anboten hätte annehmen können. Und dann erzählte mir im Büro jemand, er führe ein Leihfarrad und sei sehr zufrieden und man bekäme das fußläufig vom Bürogebäude, also ging ich noch am selben Tag dort hin mit dem Gedanken „besser so eins als gar keins“ und seitdem bin ich zufrieden. Irgendwann werde ich mir ein eigenes, passgenaueres Rad kaufen. Aber jetzt erst einmal nicht. Ich sehe beim Radfahren natürlich viele Leute auf anderen Rädern und kann zu einer vorläufigen Einschätzung kommen, schaue mir die Räder von Leuten an, die ähnliche Dinge mit dem Rad tun wie ich, die ähnlich sitzen, wie ich sitzen will, die ähnliches Gepäck haben wie ich. Die Marke „Pegasus“ ist mir bereits positiv aufgefallen. „Cubes“ erkenne ich mittlerweile von Weitem. Ich werde weiter beobachten.

Im Büro probierte ich heute eine andere Art der Arbeit aus. Normalerweise sammle ich gleichartige Tätigkeiten, aber weniger inhaltlich als räumlich. Ich erledige z.B. alles auf meiner Liste bis zu dem Punkt wo es gescannt werden muss, dann packe ich die hundertfuffzich Sachen, die dabei entstanden sind, und scanne sie alle ein, dann mache ich an allen einzeln wieder weiter. Oder ich erledige alles mögliche bis zu dem Punkt, an dem ein Telefonat notwendig ist, mache dann 20 Telefonate in Serie und dann alles weiter. Neulich hatte ich überlegt, ob das schlau ist. Es führt ja dazu, dass ich lange Zeit gar keine fertigen Dinge vorweisen kann und dann binnen Minuten alle auf einmal. Heute habe ich es anders ausprobiert und eine Sache begonnen und bis zum Ende durchgeführt, mit allen Zwischenschritten wie Telefonaten, Scannen, Informationen zusammentragen. Eins nach dem anderen von A bis Z. Dann den nächsten Vorgang. Überzeugt hat mich das nicht, ich habe mich sehr gelangweilt und es war sehr ineffizient.

Abends waren wir noch bei einer Schul-Theateraufführung. Daher die Eile. Nach der Aufführung konnte ich Herrn N. und M auf dem Schulhof partout nicht mehr wiederfinden. Eine halbe Stunde lang. Ich habe sie letztendlich geortet. Keine Ahnung, wie man da früher vorgegangen ist. Vermutlich sind diese ganzen Gerüchte von Leuten, die Zigaretten holen gingen und nicht zurückkamen nur entstanden, weil die kein Navi und keine Ortungsfunktion hatten und ihre Familien schlicht nicht wiedergefunden haben.

25. Juni 2023

Ein weiterer Tag in der Gluthölle. Vielleicht ist es wirklich das Fegefeuer?

Ich war schon um 9 Uhr zu Fuß zum Bahnhof unterwegs, da war es mir bereits zu warm. Die Hinfahrt war ereignislos, glaube ich, vielleicht kann ich mich aber auch nicht mehr erinnern, irgendwann gerinnt ja das Eiweiß im Gehirn und was dann weg ist ist weg, das kriegt man nicht mehr flüssig. Ach doch, ich erinnere mich, mir gegenüber saß eine Frau, die versehentlich ein Sparpreisticket mit Bahncard gekauft hatte aber keine Bahncard hatte. Die Fahrkartenkontrolleurin war freundlich und bot ihr an, im Zug ein neues Ticket zu kaufen, halt dann zum regulären Preis. 87 irgendwas. Die Frau war erschreckt über den Preis. Ich schlug vor, die Frau könne vielleicht auch einfach eine Probebahncard jetzt sofort im Zug online für 17,90 kaufen. Das wollte die Frau aber nicht, weil es ja ein Abo ist, die Fahrkartenkontrolleurin wollte es ohne Angabe von Gründen auch nicht, ich setzte mir Kopfhörer ein machte die Augen zu, die beiden waren ja jetzt (mehr oder weniger) zufrieden und ich hatte mit der Sache sowieso in Wirklichkeit nichts zu tun.

Während des Umsteigens sammelte ich im Kopf wieder neue Begründungen bei Verspätungsdurchsagen, neu dabei war „wegen Böschungsbrand“. Bei diesen ganzen sicherlich guten Gründen für Verspätungen muss man sich wundern, dass überhaupt manchmal Züge fahren.

Bei Papa N. war es auch warm. 28 Grad als ich ankam, 32 Grad als ich ging. Er fand es gut. Zunächst trug er noch Fleecejacke und dicke Socken, als ich ging hatte er die Fleecejacke immerhin geöffnet. Dass er schnell friert, ist erst im Alter so, dass ihm nie zu warm ist, war aber schon immer so, er ist der einzige von uns, der sich je freiwillig in die Sonne begeben hat. Und in die Sauna. Vermutlich entwickelt man ein anderes Temperaturempfinden, wenn man den Arbeitstag zwischen Backöfen verbringt. Ich döste jedenfalls immer weg, Kreislauf, man kennt das.

Die Rückfahrt war auch ereignislos, mit meinem Gegenüber hatte ich mich gleich nach Abfahrt überworfen und schräg gegenüber saß ein Elternpaar, die ostentativ die Kinder erzogen. Also so in der Art „wir sind so gute Eltern und haben uns alles genau überlegt und der Zug darf daran teilhaben“. Ich habe selbst ja keine Erziehungsarbeit zu leisten, also setzte ich mir auch hier wieder Kopfhörer ein.

Auf dem letzten Bahnstück hatte der Zug keine Klimaanlage, ich begann wieder wegzudösen und kam zum Glück auf die Idee, mir einen Wecker zur Aussteigenzeit zu stellen. Der mich dann auch tatsächlich weckte, aber wir waren nicht in der Nähe meines Zielbahnhofs, den Grund hatte ich leider verpasst. Weil ich so ungern geweckt werde, stand ich sofort auf (mache ich morgens auch immer so) und stellte mich in den Gang, um nicht wieder einzuschlafen.

Jetzt bin ich wieder zu Hause. Ich habe als erstes meinen Kopf unter den Wasserhahn gehalten, das war vor einer Stunde, die Haare sind schon wieder trocken. Die ganze Zugfahrt über habe ich schon überlegt, was ich morgen anziehen könnte, das temperaturtauglich ist und mir auch gleichzeitig gefällt. Mir ist nichts eingefallen. Vielleicht muss ich zu Hause bleiben. Sommer ist scheiße.

24. Juni 2023

Normalerweise blogge ich ja immer abends. Allerdings sitze ich jetzt in der komplett dunklen Wohnung, wegen Jalousien unten, wegen Sommer und es gibt nicht, was ich tun könnte, wegen zu warm, wegen, raten Sie mal, genau, Sommer, nichts hindert mich daran, Sie auch tagsüber an meinem Befinden teilhaben zu lassen, im Sommer gelten keine Standards.

Ich war sogar schon draußen heute, weil ein Paket abzuholen war. Bei der Post selbst, of all things! Die natürlich nur bis 13 Uhr geöffnet hat. Postfiliale ist so ein Ort des kollektiven Grauens, nicht eine einzige Person schien gern oder freiwillig dort zu sein, Angestellte eingeschlossen. Alle mürrisch, barsch, nichts funktionierte (technische Störungen), ich fühlte mich sehr Teil des Ganzen. Auch draußen schienen alle ganz genauso aggressiv wie ich zu sein, ein Mann offerierte mir sogar am Fahrradständer ein Streitgespräch, das ich dankbar annahm, dann war er aber in Eile und brach rasch auf. Sehr schade, es hätte noch so viel zu sagen gegeben aber andererseits kam auch gerade die Mittagssonne, ich fuhr also auch ohne weitere neue Bekanntschaften heim.

Zu Hause ein kurzer Moment der Erleichterung: Das Sodabär-Paket war endlich eingetroffen. Sodabär ist einer meiner allerliebsten Onlineshops. Man kauft dort Kohlensäurezyliner für Wasseraufsprudelgeräte, vielleicht kauft man dort auch noch anderes, davon habe ich keine Ahnung, ist mir auch egal, ich kaufe immer einen 4er-Pack von diesen Zylindern. Ich bin seit 2015 dort Kundin, da gab es noch gar keinen Onlineshop und man musste seine Bestellung mailen aber das war ja schon damals viel besser als alles andere. Man musste ja mit seinem leeren Zylinder in ein Ladengeschäft gehen, z.B. von Schlecker (gab es damals noch) oder Kaufhof oder sowas und dort, meist an der Kasse, um einen Austausch gegen einen vollen Zylinder bitten, die Kassenperson kramte dann genervt im Fußraum herum, zu 90 % gab es gerade keinen vollen Zylinder, wegen alle weg oder keine Lieferung oder sonstwas, und wenn es einen gab, musste noch ein kleines laminiertes Etikett an der Kasse aufgefunden werden, das dann wegen des Preises gescannt wurde. In den 90 % der Fälle, in denen kein voller Zylinder an der Kasse war, wurde das barsch beschieden, die Frage, wann denn die nächste Lieferung einträfe mit Schulterzucken abgetan. Wenn ich ganz wild drauf war fragte ich, ob nicht vielleicht im Lager noch was wäre, dann wurde wortlos eine schrille Klingel gedrückt, „gehen Sie auf die Seite“ gesagt, manchmal kam dann eine weitere schlecht gelaunte Person durch den Laden gerannt, rannte nach Aufnehmen der Anfrage durch den ganzen Laden zurück um nach unbestimmter Zeit zu 99,9 % mit „Nee da ist nix“ nochmal durch den ganzen Laden zu rennen. Manchmal geschah aber auch gar nichts, so wild, dass ich ein weiteres Mal gefragt hätte, war ich nie (ich war da ja noch jünger), ich ging also manchmal nach einer Viertelstunde „auf der Seite stehen“ unverrichteter Dinge weg.

Vielleicht setzen sich auch heute noch Menschen diesen Abläufen aus, das weiß ich natürlich nicht, ich bestelle ja seit 2015 bei Sodabär. Und bin 99 % glücklich. Schöner wäre es natürlich noch, wenn ich 100 % glücklich wäre, dazu fehlt mir der perfekte Ablauf der Bezahlung. Man kann natürlich zwischen verschiedenen Zahlungsmethoden wählen, ich bevorzuge eine ohne Gebühren und dafür gibt es die Vorkasse per Überweisung. Die kommt für mich nicht in Frage, weil der Ablauf mit den leeren Zylindern in meinem Haushalt leicht entglitten ist, seit auch junge Erwachsene, die noch nicht Expertinnen in Haushaltsführung sind, sich mit dem Austausch von Verbrauchsmaterial in Haushaltsgeräten beteiligen. Damit meine ich: M wechselt die Zylinder jetzt selbst, wenn sie leer sind. Generell absolut begrüßenswert. In der Umsetzung ergibt sich das Problem, dass ich noch nicht zuverlässig informiert werde, wenn der letzte volle Zylinder eingesetzt wird. Für mich allein hatte ich den Ablauf perfektioniert, es gibt ein Rotationssystem inklusive optischer Kenntlichmachung PLUS Sicherheitsnetz. Aber andere sind halt nicht man selbst, wir stehen jetzt öfters ohne vollen Zylinder da und dann ist Vorkasse per Banküberweisung zu langsam. Alle anderen Zahlungsmethoden sind entweder nicht ohne weitere Bewegung machbar (Kreditkarte z.B. – an die Handtasche gehen und Karte wegen Sicherheitscode suchen) oder kostenpflichtig, da ich mich bei Hitze tot stellen will, will ich nicht zur Handtasche gehen, daher zahle ich kostenpflichtig mit Paypal, mein Sommerhass ist mir also grob 1 Euro (in 3 Monaten ca. 2 Bestellungen) wert. Wie gesagt, das ist das eine fehlende Prozent. Ich sage es nur, falls hier eine Person mitliest, die etwas daran ändern kann.

Zahlungscomfort ist sowieso so ein Thema. Neulich, auf Herrn Ns Geburtstagsfeier, besprachen wir noch die Zahlungsmöglichkeiten für Zeitungsartikel. Das ist aber ja eine alte Leier, ich denke, die Fronten sind verhärtet und keine weiteren Gespräche notwendig. Ich für meinen Teil lese keine kostenpflichtigen Artikel, wenn ich für sie nicht einzeln unkompliziert (also: ohne mehr als die Finger zu bewegen) zahlen kann. Für die Zeitungen ist das im Hintergrund sehr kompliziert, unter anderem auch wegen Rechnungsstellungen etc., habe ich aus professioneller Quelle erfahren. Das ist mir aber vollkommen egal, damit habe ich nichts zu tun. Wenn ich einzelne Artikel unkompliziert kaufen kann, kaufe ich sie, wenn nicht, nicht.

So. jetzt sollte mein Eiskaffee abgekühlt sein und die Haare sind auch wieder trocken, ich muss den Kopf erneut unter den Wasserhahn halten. Vielleicht später mehr, dass es kühler wird, so dass ich irgendwas machen kann, worauf ich Lust habe und/oder dass ich die Jalousien hochmache, ist ja in den nächsten 8 Stunden nicht zu erwarten.

22. Juni 2023

Es ist unglaublich entspannend, keine Ahnung zu haben, worüber ich einen Blogeintrag schreiben könnte. Im Vergleich zu der Situation, etwas angefangen zu haben, das ich zu Ende führen möchte. Das liegt mir nicht. Ich bin immer bereit, etwas anzufangen, aller Anfang ist schön. Aber im Verlauf verliere ich das Interesse, nicht ganz so schnell zwar, aber ich antizipieren den Verlust des Interesses immer schon sehr schnell und bin dann in Eile, noch zu vollenden bevor es dazu kommt. Was zur Geschwindigkeit meiner Abläufe generell maßgeblich beiträgt.

Jetzt ist aber nichts zu tun, ich entsann mich der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste, konnte mich aber für kein Thema erwärmen, was weniger an den Themen liegt als daran, dass ich es keinesfalls noch irgendwie wärmer haben möchte, es ist warm genug. Okay, das war zu billig. Schreiben Sie halt was Interessanteres rein.

Sommer ist aber definitiv ein Thema bei mir. Alle wissen, ich hasse Sommer. Dieser Hass ist extrovertiert, nicht inwendig, ich hasse nicht mich! Warum sollte ich. Deshalb richtet sich meine schlechte Lauen ausschließlich nach außen. Ich sage es immer wieder (aber niemand will es glauben): ich bin ein unglaublich aggressiver Mensch, nur habe ich gleichzeitig eine hervorragende Selbstkontrolle. Im Sommer lasse ich da ein bisschen locker. Machen wir ja alle, im Sommer etwas locker lassen.

Spannende Sachen habe ich heute nicht gemacht. Wegen Wetter natürlich. Ich bin mit einem Schädel aufgewacht, der kaum durch die Tür passte, nach zwei Ibu und einer halben Flasche Cola ging es dann und da ich von Juni bis September minutiös den Wetterbericht studiere (in den anderen Monaten nie, da ist ja alles gut, ich lege mir immer extra die Kachelmann-Website von Juni bis September auf den Startbildschirm und danach lösche ich sie wieder, Herr Kachelmann ist mir immer Sommer gemütsmäßig sehr nah) hatte ich schon angekündigt, das Haus nicht zu verlassen und auch nicht mit Fragmente Mittagessen zu gehen. Ich musste das Haus dann aber doch verlassen, weil Wassermelone, Salz und Pfeffer aus waren. Und wo ich einmal draußen war, ging ich beim Optiker vorbei und fauchte ihn an, weil eins meiner Brillengläser nach drei Jahren beschädigt ist und ließ mir die Augenbrauen zupfen, denn wer in Rage ist verspürt keinen Schmerz. Irgendwo war ich noch, ach ja, in der Parfümerie, ich habe neulich das passende Parfüm für mich gefunden und weil mich die Dame dort so gut beraten hatte, wollte ich es offline kaufen statt online. Das passiert mir auch nicht nochmal, erstens war es 20 Euro teurer und zweitens war die entsprechende Dame heute gar nicht da. Und verwenden kann ich das Parfüm jetzt auch nicht, weil mir bei Hitze von Gerüchen an mir schlecht wird. Es ist aber nie zu früh, sich auf den Herbst zu freuen und in Bezug auf Duft bin ich jetzt vorbereitet. Es handelt sich um H24 von Hermès, man sagt natürlich nicht Havierunzwanzich sondern Aschväntkattre und der Flakon ist wiederbefüllbar, wer den wiederbefüllt weiß ich nicht, wie stand auf irgendeinem Zettelchen, das dabei war und aus dem mir sofort klar war: ich bin diese Person nicht. Wir werden sehen. Im Dezember oder so.

Weil ich nicht weiter durch die Sonne radeln wollte war ich für Pfeffer und Salz im schlimmen Rewe, es dauerte etwas, bis ich Pfeffer fand (und zwar genauso lang, bis ich eine Person fand, die ich danach fragen konnte, also etwa tausend Jahre), das „Gewürzregal“ (in Anführungszeichen, weil es eigentlich nur weißen Pfeffer, Kümmel und gerebeltes Basilikum gab) war zwischen zwei Kühlregalen eingepfercht, was mir sehr kurzfristig gute Laune machte, denn da war es kühl. Gegenüber, also in meinem Rücken, waren Tiefkühlschränke und ich stand bald in einer Pfütze, immerhin nicht eigener Schweiß sondern Kondenswasser der Tiefkühlschränke. Ich fragte mich nicht, ob das gut so ist, denn ich finde nichts gut momentan.

Zuletzt holte ich noch ein Paket ab, Inhalt: Birkenstockschuhe. Fragen Sie nicht. Ich habe den Paketabholladen erst neulich, als ich auf dem Weg nach Flonsheim war, entdeckt, war also insgesamt erst zum zweiten Mal da und daher erstaunt, dass der Besitzer mich ansah, mit Vornamen begrüßte und mir mein Paket hinhielt. „Kennen wir uns?“, frage ich. „Du warst neulich schonmal hier“, sagte er. „Kennst du alle, die hier je ein Paket geholt haben, mit Namen?“ fragte ich und er sagte „Nein, aber du bist auffällig.“

Ich habe dann nicht weitergefragt.

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil V

Jetzt ziehen wir alles einmal zusammen: Wenn wir uns alle schon genannten Aspekte anschauen, ist klar: Ausschüttungspolitik ist eine unglaublich spannende Sache! Man muss die Form der Ausschüttung wählen, dabei die Interdependenzen zwischen Finanzierungs-, Investitions- und Ausschüttungspolitik bedenken und die teilweise konfliktären Positionen der verschiedenen Interessengruppen, von denen wir gerade sprachen und, ganz wichtig, auch die schon erwähnte Signalwirkung, die die Entscheidung hat.

Ein paar dieser Interdependenzen umreiße ich ganz grob

Das Unternehmen möchte den Gewinn natürlich einerseits gern so weit wie möglich im eigenen Interesse verwenden, andererseits aber auch gute Beziehungen zu Shareholdern und Stakeholdern pflegen und muss natürlich einen Gewinnverwendungsvorschlag machen, der im Korridor dessen liegt, was in der Hauptversammlung voraussichtlich angenommen wird.

Das Unternehmen kann die Dividendenpolitik nutzen, um bilanzpolitisch das Ergebnis zu glätten, Rücklagen zu bilden oder aufzulösen. Gerade wenn ein Unternehmen in einem stark zyklischen Markt agiert, muss es für Senken vorsorgen. Das ist in der Industrie meist der Fall. Ist die Nachfrage an den Produkten/Dienstleistungen des Unternehmens hingegen eher unelastisch, hat das Unternehmen eine relative Preissetzungsmacht und wird von Inflation oder auch Rezession nicht so hart getroffen. Die Vorsorge ist für Unternehmen in solchen Märkten also nachrangiger und die Ausschüttungsquote tendenziell höher, ein Beispiel hierfür ist die Immobilienbranche (was auch an den REITs liegt, aber das ist nochmal ein komplett anderes Thema).

Auch das Alter des Unternehmens spielt häufig eine Rolle, gerade junge Unternehmen müssen/wollen/können häufig noch viel investieren. Wenn das gut gelingt, kann der Kurseffekt (also der steigende Aktienkurs, weil die Nachfrage an den Aktien des Unternehmens wegen einer spannenden Entwicklung wie z.B Investition in neue Märkte, in Übernahmen, in Forschung, in Entwicklung steigt) ausbleibende Ausschüttungen überkompensieren. Ältere Unternehmen schütten tendenziell eher aus.

Für die Pflege der Beziehungen zu den Aktionär*innen wie auch für den generellen Ruf des Unternehmens im Markt kann eine zverlässige Dividendenzahlung wichtig sein: über lange Zeit stabile, leicht steigende Dividenden hatten in Deutschland Tradition (Stichwort: Dividendenkontinuität) und Dividenden sind nach wie vor ein zentraler Zweck des Investments in Aktien. Unternehmen, die verlässlich jedes Jahr eine attraktive Dividende ausschütten, signalisieren Erfolg und Kontinität, sie werden auch “Dividendenaristokraten” genannt. Generell sind Ausschüttungsquoten zwischen 25 % und  75 % absolut üblich. Oft wollen Unternehmen auch die Dividendenrendite (oder die Dividende) stabil halten, damit die Aktionär*innen nicht abwandern, und gehen über 75 % oder auch über 100 % Auschüttungsquote hinaus. Mit der Signalwirkung der Dividenden kann und muss das Unternehmen arbeiten. Denn wie schon gesagt: der Aktienkurs spiegelt nicht die wirtschaftliche Realität des Unternehmens wider, sondern das Vertrauen und die Hoffnungen, die in das Unternehmen gesetzt werden.

Für Aktionär*innen steigt die Attraktivität des Unternehmens in der Regel durch hohe Renditen und niedriges Risiko. Darauf wirken die operativen, investiven und finanzwirtschaftlichen Entscheidungen der Unternehmensleitung natürlich ein. Tendenziell bevorzugen Großaktionär*innen (die langfristig anlegen) eher die Thesaurierung von Gewinnen und Investitionen, Kleinaktionäre eher Dividendenzahlungen und eine konservative Unternehmenspolitik, je nach Vorgehensweise bei der Geldanlage aber auch eine kurzfristige Gewinnmaximierung um jeden Preis. Die Shareholderstruktur muss bei der Ausschüttungspolitik also unbedingt bedacht werden, also welcher Anteil der Aktionär*innen wachstumsorientiert, wertorientiert oder GARP-orientiert ist, Hedging betreibt und so weiter.

Die Zahlung einer attraktiven Dividende signalisiert zunächst einmal Erfolg. Es ist aber auch möglich, dass nur die Signalwirkung genutzt werden soll, also Erfolg vorgetäuscht werden soll. Dieser Verdacht erhärtet sich, wenn Dividenden aus der Substanz gezahlt werden, also eine Ausschüttungsquote in Bezug auf den Gewinn von über 100 % vorliegt. 

Dann widerum kann es auch sein, dass ein Unternehmen keine attraktiven Investitionschancen sieht und daher eine hohe Dividende auszahlt. Mangel an Investitionsmöglichkeiten hat aber oft einen schlechten Beigeschmack und stellt langfristiges Wachstum in Frage. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch nochmal der Free Cash Flow: je höher er ist, desto höher ist das interesse der Aktionär*innen, eine hohe Dividende ausgezahlt zu bekommen. So können sie selbst entscheiden, ob sie das Geld in innovativere Projekte (sprich: andere Aktien) stecken.

Die übrigen Stakeholder bevorzugen meistens eine eher niedrige Ausschüttung, sie profitieren nicht von einer Gewinnmaximierung der Aktionär*innen und eher von Investitionen.

Die Geschäftsführung des Unternehmens ist – neben der Vertretung der Unternehmensinteressen – auch auf einer persönlichen Ebene involviert und persönlich an Wohlstandsmaximierung, Arbeitsplatzsicherheit, Macht, Prestige etc. interessiert. Sie wird daher auch aus persönlichen Gründen häufig Interesse an Thesaurierung (Reinvestition) des Gewinns haben und befindet sich damit in einer Konfliktsituation zwischen Unternehmen und Kapitalgebern. Unter anderem aus diesem Grund sind Bonussysteme des Managements oft so gestaltet, dass dieser Interessenkonflikt reduziert wird, etwa durch Aktienpakete.

Shareholder wie auch Unternehmen sind meist daran interessiert, die übrigen Stakeholder nicht vor den Kopf zu stoßen. Niemand braucht Skandale, besser dastehen als der Wettbewerb ist immer gut, zumal Aktienkurse ja an Angebot und Nachfrage gekoppelt sind. Agiert das Unternehmen allzu weit abseits des allgemeinen ethischen Verständnisses, droht möglicherweise Regulierung, das ist für Unternehmen höchst unerfreulich. Hier nähern sich also Unternehmen, Shareholder und Stakeholder Value an. 

In Bezug auf Dividendenzahlungen fragen sich die Kund*innen eines Unternehmens häufig, warum es jetzt sein muss, dass ein Unternehmen so hohe Gewinne einfährt, die es vermeintlich gar nicht braucht und an die Aktionär*innen verteilt, wenn doch stattdessen auch der Preis für das Produkt gesenkt werden könnte.

Diese Überlegung ist dann sinnvoll, wenn wir das gesamte wirtschaftliche System in Frage stellen, das derzeit von Gewinn als Triebfeder des ökonomischen Handelns ausgeht, als Lohn für die Aufnahme von Risiken. Der überwiegende Teil unserer Gesellschaft strebt nach Selbstbestimmung, um eigene Ideen umsetzen zu können oder um die Ideen anderer nicht umsetzen zu müssen. Ein Weg, dies zu erreichen, ist Geld.

Wir sind jetzt thematisch nicht mehr im dunklen Herzen des Kapitalismus, sondern im dunklen Herzen des Menschen und nähern uns philosophisch-soziologischen Fragen. Dabei erkennen wir, dass Aktionär*innen ihr Geld überwiegend nicht für die gute Sache geben, sondern für den Profit, um damit wiederum Selbstbestimmung zu erreichen. Zum Beispiel vorsorglich für das Alter. Wenn Sie eine private Altersvorsorge suchen, wird ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung sein, was pro Euro, den Sie einzahlen, am Ende dabei herauskommt. 

Wenn Sie also das derzeitige Wirtschaftssystem in Frage stellen möchten, haben Sie hier einen kurzen Überblick über einen kleinen Ausschnitt der Zusammenhänge, die Sie dabei berücksichtigen müssen, als Hintergrundwissen gefunden.

Und wenn Sie sich für eine Aktiengesellschaft interessieren, beispielsweise, weil Sie sie blöd finden, dann: informieren Sie sich! Eine Fülle an Informationen – jedenfalls mehr, als Sie in einem halben Stündchen lesen können – steht Ihnen in der Regel online zur Verfügung. Sie finden das auf den Websites der Unternehmen unter den Punkten “Informationen zu Investoren” oder “Shareholder Relations”, dort sind ausführliche Berichte und die bestehen bei weitem nicht nur aus Tabellen mit Zahlen. Es finden sich darin Beschreibungen der Geschäftstätigkeit, Einschätzungen von Chancen und Risiken, Erklärungen, Pläne und das meist in gut verständlicher Sprache. Das hat natürlich einen Grund: Neben der Erfüllung der Reportingpflichten nutzen Unternehmen diese Berichte als Marketinginstrumente. Warum es wichtig ist, gute Beziehungen zu den Shareholdern und Stakeholdern zu pflegen, ist ja sicher im Vorangegangenen deutlich geworden. Also sind die Berichte des Unternehmens selbstverständlich durch die Vorstellungen des Unternehmens gefärbt, so wie meine Blogeinträge durch meine Vorstellungen gefärbt sind und jede Publikation durch die Vorstellungen ihrer Redaktion geprägt ist. Das ist ganz normal. Der Geschäftsbericht des Unternehmens ist also das eine Ende des Spektrums. Fangen Sie dann an, selbst zu denken und Informationen aus anderen Quellen zusammenzutragen, um sich ein differenziertes Gesamtbild zu machen.

Als niedrigschwelligen Einstieg empfehle ich die Geschäftsberichte der “Zoologischer Garten Berlin AG”, wegen der vielen spannenden Berichte über die Tiere.

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil IV

Durch Herumreisen und eine Milliarde Grad wegen Sommer wurde ich kurz unterbrochen, aber jetzt geht es weiter. Heute mit Cum-Ex!

Um das Spielfeld komplett aufzuspannen brauchen wir jetzt noch einen Überblick über die verschiedenen Interessengruppen in Bezug auf die Ausschüttung. Das sind:

  • Das Unternehmen (die Geschäftsleitung)
  • Die Aktionär*innen
  • Weitere “Stakeholder”

Unternehmen

Das Unternehmen wird vertreten durch die Unternehmensleitung, die nach einer sinnvollen operativen und strategischen Ausrichtung der Ausschüttungspolitik strebt. Sinnvoll operativ und strategisch heißt in diesem Fall: das Unternehmen soll stabil im Wettbewerb bestehen. Dazu sind verschiedene Maßnahmen notwendig und dafür wiederum sollen genug finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Aktionär*innen

Die Aktionär*innen wollen mit der Aktie Geld verdienen, entweder über Kursgewinne (also teurer verkaufen als sie eingekauft haben, das geht aber natürlich immer nur einmal pro Kauf) oder kontinuierlich über Dividenden. Das Interesse ist meist Gewinnmaximierung. Sie vergleichen alternative Unternehmen und ihre Strategien und kommen zu einem Urteil, wo sie ihr Geld einsetzen möchten. Hinweise zur Beurteilung geben ihnen dabei die Kennzahlen, die wir oben angeschaut haben.

Exkurs: Bin ich ein Schlaufuchs, wenn…

Bin ich ein Schlaufuchs, wenn ich mir viel Geld leihe, davon einen Haufen Aktien, bei denen von einer Dividendenzahlung auszugehen ist, ganz kurz vor der Hauptversammlung kaufe, die Dividende einheimse und sie danach sofort wieder verkaufe?

Nein, so funktioniert das in der Regel nicht und zwar aus folgendem Grund (Achtung, im Folgenden ist nur der Zeitablauf in Deutschland geschildert):

Der Dividendenanspruch entsteht am Tag der Hauptversammlung – dieser Tag wird auch Cum-Tag genannt. An diesem Tag muss die Aktie spätestens im eigenen Depot landen, damit man berechtigt ist, eine Dividende zu erhalten.

Auf der Hauptversammlung wird dann der Dividendenbeschluss gefasst und sofort am Banktag nach der Hauptversammlung ist der Ex-Tag. An diesem Tag wird die Aktie an der Börse “ex dividende” gehandelt, das wird durch ein “exD” oder “exDiv” hinter dem Kurswert gekennzeichnet.

Und das bedeutet zwei Dinge: Zum einen wird vom Kurswert die Dividende abgezogen. Der Börsenkurs der Aktie fällt also am Ex-Tag (wenn man andere Marktfaktoren ausklammert) um die Höhe der Dividende. In einem Chart zur Kursentwicklung sieht man dann eine Lücke.

Zweitens bedeutet es, dass diejenigen, die eine “exD”-Aktie kaufen, keinen Anspruch auf die aktuelle Dividendenzahlung haben (in späteren Zeiträumen dann natürlich schon). Ein Käufer hat also bei einer “exD”-Aktie zunächst einmal keine Dividende und kein Bezugsrecht, dafür aber einen niedrigeren Kurs beim Kauf der Aktie. Und ein Verkäufer hat eine Dividendenzahlung, muss aber dafür beim Verkauf der Aktie Kursabschläge hinnehmen.

Am 2. Banktag nach der Hauptversammlung ist Record Date, an diesem Tag ermitteln die Banken die dividendenberechtigten Aktien. Und am 3. Banktag nach Hauptversammlung ist Pay Day. die Dividende wird ausgezahlt. Und was wir jetzt wissen: man wird an diesem Tag nicht plötzlich um die Dividendenrendite “reicher”, weil sich ja gleichzeitig der Wert der Aktie im Depot um den Dividendenbetrag verringert.

Man kann also in der Theorie durchaus am Tag vor Cum einen Kredit aufnehmen, viele Aktien kaufen, hat sie rechtzeitig im Depot, bekommt am Pay Day die Dividende und verkauft die Aktien dann sofort wieder und zahlt den Kredit zurück. Schlaufuchsig ist das aber nicht unbedingt, denn a) wird man die Aktien zu einem (wie gesagt, andere Marktfaktoren ausgeklammert) um die Dividende verringerten Kurs verkaufen, hat also nichts eingenommen b) zahlt man auf den Kredit vermutlich Zinsen und c) zahlt man auf die Dividende Steuern – abgesehen vom Freibetrag natürlich. Und man kann die Verluste aus dem Aktienverkauf (der ja exD ist) verrechnen, nunja, Steuern sind nicht mein Fachgebiet aber alles in allem ist sprunghafter wahnsinniger Reichtum innerhalb von drei Bankarbeitstagen bei diesem Plan nicht zu erwarten.

Lohnt es sich dann überhaupt, Aktien wegen der Dividende zu kaufen, wenn der Aktienkurs um den Dividendenbetrag sinkt, also ist das nicht ein Nullsummenspiel? In der Regel lohnt es sich, weil sich der Aktienkurs sich oft nach einer Dividendenzahlung mittelfristig gut erholt und oft auch überkompensiert, zum Beispiel aus psychologischen Gründen (die Aktie wirkt ja gerade viel billiger!) oder auch wegen der Signalwirkung der Dividendenzahlung.

Exkurs Cum-Ex

Die Begriffe Cum und Ex haben Sie sicherlich aus anderem Zusammenhang in Erinnerung, nämlich von den Cum-Ex-Geschäften. Und das ist tatsächlich gar kein ähnlicher Zusammenhang, sondern derselbe Zusammenhang wie oben beschrieben. Bei den Cum-Ex-Geschäften (und auch bei den Cum-Cum-Geschäften) geht es genau um diesen Zeitraum, den ich oben beschrieben habe, im Zusammenhang mit Short Selling (also: Leerverkäufen) und der mehrfachen Erstattung von Kapitalertragsteuer.

Als Privatperson können Sie das (soweit ich weiß, ich bin aber keine Expertin in Steuerhinterziehung) nicht machen, als Unternehmen gibt oder gab es Wege. Die sind allerdings – das hat der Bundesgerichtshof im Juli 2021 bestätigt – illegal.

Weitere Stakeholder

Viele weitere Personengruppen haben direkte oder indirekte Interessen an dem Unternehmen. Nur Beispielhaft ein paar Gruppen und ihre Interessen:

  • Fremdkapitalgeber*innen: pünktliche Bedienung von Krediten
  • Mitarbeiter*innen: Erhalt von Arbeitsplätzen, Lohnerhöhungen
  • Lieferant*innen: Stabile oder steigende Einkäufe und Zahlungsfähigkeit
  • Kund*innen: Preisstabilität, Produktverfügbarkeit, Innovation, Nachhaltigkeit
  • Politik und Öffentlichkeit: Steuerzahlungen, Arbeitsplätze, Produktverfügbarkeit, ethische Standards/Umweltstandards

So. Jetzt haben wir alles. Im fünften und letzten Teil, hoffentlich morgen, wenn nicht wieder eine Milliarde Grad sind, ziehen wir das nochmal zusammen.

18. Juni 2023

Bekanntlich verweigere ich bei Temperaturen ab 30 Grad so gut wie alles, meist auch das Bloggen. Ich habe hier noch die Geschichte vom Herzen des Kapitalismus fertig zu erzählen und habe das Gefühl, ich muss mich beeilen, bevor die 30 Grad sich einnisten. Immerhin, es ist Mitte Juni, In 2,5 Monaten ist das Schlimmste vorbei. Bis dahin habe ich sehr schlechte Laune und habe vor, sie mit allen, die mir begegnen, zu teilen.

Meine Vorgehensweise scheint mir dieses Jahr aber recht clever. In den letzten Jahren hatte ich mir das ganze Jahr über gleichmäßig Sachen vorgenommen, auch im Sommer und im Sommer hat natürlich nichts Spaß gemacht, noch nicht einmal freie Tage, an denen ich nur im Sessel vegetieren und Hitze veratmen konnte. Dieses Jahr habe ich mir für die Zeit von Juni bis August so gut wie nichts vorgenommen, auf das ich mich freue und das dementsprechend von Hitze kaputtgemacht werden könnte. Gut, ich habe eine Karaokeverabredung aber da ist Klimaanlage. Ich gehe einmal eine Therme aber darauf freue ich mich nicht. Und ich fahre eine Woche in den Urlaub aber in den Norden und mit Bademöglichkeit am Haus. Urlaub zu Hause, um es einfach schön zu haben, werde ich erst im Herbst oder Winter machen.

Die ersten 5 Monate des Jahres habe ich gut ausgenutzt. Sagen wir die ersten vier, im Januar ging es mir noch ziemlich schlecht. Ich war elf Mal bei Papa N. in Düsseldorf, dreimal zu einer Fortbildung in Kassel, einmal bei den Schwiegereltern in Hannover, ich war beim Fußball in Darmstadt, bei einem Konzert in der alten Oper, hatte selbst ein Chorkonzert, war am Meer in Zeeland, mit M. in Paris, sogar in Flonheim war ich, beruflich in London und im waldbrandapokalyptischen New York und heute war ich im Badesee! Dazwischen war ich jeweils an zwei bis drei Abenden pro Woche lokal verabredet. Es blieb einiges andere liegen zwischendrin und wenn ich es mir so aufschreibe, verstehe ich nun auch, warum.

Jetzt halte ich drei, naja, zweieinhalb Monate die Füße still, danach ist der Kalender wieder voll. Relativ still. Sagen wir: im Rahmen meiner Möglichkeiten still.

Es geht hier also bald weiter. Wenn mir nicht zu warm ist.

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil III

Gestern hatten wir die Formen der Gewinnausschüttung, heute kommen also die Kennzahlen. Also die Kennzahlen zur Beurteilung einer Dividende.

Irgendwie muss man ja zu einer Einschätzung kommen können, sagen können, ob sie hoch oder niedrig ist und in Bezug auf was überhaupt, “hoch” und “niedrig” sind ja relative Begriffe und finden erst im Vergleich einen Sinn. 

Betrag der Dividende

Das ist der absolute Betrag der Dividende – also der Euro-Betrag, der pro Aktie ausgezahlt wird. Ein einfacher Wert, der natürlich immer und von allen mit dem Betrag der Dividende der Vorjahre verglichen wird – je nach Interessenlage bewerten die Betrachtenden ihre Beobachtung aber natürlich unterschiedlich.

Der Betrag der Dividende sagt für sich allein noch nicht viel aus. Nehmen wir als Beispiel nochmal die Lindt & Sprüngli AG, die haben am 27.4.23 eine Dividende in Höhe von 1.300 CHF (also ca. 1.333 EUR) gezahlt. Und im Vergleich BMW, die haben am 16.5.23 eine Dividende in Höhe von 8,50 EUR gezahlt. 

Eine Person, die eine Lindt & Sprüngli-Aktie hat bekommt also einen höheren Euro-Betrag als Dividende ausgezahlt als eine Person, die eine BMW-Aktie hat.

Dividendenrendite

Die Dividendenrendite betrachtet die Dividende im Verhältnis zum aktuellen Börsenkurs der Aktie. Die Fragestellung ist hier also: wie viel krieg ich für mein eingesetztes Geld? Man kann mittels der Dividendenrendite verlgeichen, welche Aktie mehr an Dividenenerträgen im Vergleich zum Kurswert (also: ihrem Preis) bringt als andere.

Man teilt dafür den Betrag der Dividende durch den aktuellen Kurswert und multipliziert mit 100, um ein % – Ergebnis zu erhalten.

Bei Lindt sieht es so aus: der Aktienkurs (der sich natürlich täglich ändert) lag bei der Ausschüttung bei 115.392,48 EUR, so viel hat also eine Aktie gekostet. Teilt man das durch 1.333 EUR und multipliziert mit 100, erhält man 1,15 %. Die Dividendenrendite von Lindt betrug also 1,15 %.

Bei BMW lag der Aktienkurs bei 106,16 EUR, im Vergleich also ein Schnäppchen. Es gab aber ja auch nur 8,50 EUR Dividende. Die Dividendenrendite beträgt hier 8,50/106,16*100, also 8,01 %. 

Eine Person, die eine Lindt-Aktie hat bekommt also prozentual pro Euro, den sie bezahlt hat, weniger als Dividende ausgezahlt als eine Person, die eine BMW-Aktie hat.

Wichtig an dieser Stelle: mit der wirtschaftlichen Realität des Unternehmens hat das alles nicht direkt etwas zu tun. Die Dividendenrendite ist eine rein rechnerische Größe. Sie bezieht sich auf den Aktienkurs und der Aktienkurs zeigt an, wie hoch der Börsenwert, also: die Nachfrage nach Anteilen (=Aktien) an dem betreffenden Unternehmen ist. Der Aktienkurs ist kein direkter Indikator dafür, wie profitabel ein Unternehmen ist. 

Und noch einmal wichtig: die Dividendenrendite ist nicht dasselbe wie die Aktienrendite. Die Dividendenrendite ist ein Teil der Aktienrendite. Die Aktienrendite schauen wir uns jetzt nicht genauer an, weil das Thema hier die Divdende ist.

Ausschüttungsquote (in Bezug auf den Gewinn)

Erst ab jetzt kommt bei unserer Betrachtung der Geschäftserfolg des Unternehmens ins Spiel, nämlich mit der Ausschüttungsquote. 

Wir können zum einen den Ausschüttungsbetrag (also: den Gesamtbetrag, der in Dividenden ausgeschüttet wird)  in einen Bezug zum Gewinn setzen, dann rechnen wir: Ausschüttungsbetrag/Nettogewinn*100

Ganz platt könnte man annehmen, die Ausschüttungsquote gibt Auskunft darüber, ob das Unternehmen sich die Dividendenzahlung überhaupt leisten kann. Aber so einfach ist es natürlich auch wieder nicht.

Dennoch: wenn die Ausschüttungsquote über 100 % liegt, also der gesamte Ausschüttungsbetrag größer ist als der Gewinn, den das Unternehmen in der entsprechenden Periode gemacht hat, dann lohnt es sich natürlich zu schauen, woher das Geld kommt, das da verteilt wird.

Und wenn die Ausschüttungsquote unter 100 % liegt, ist es natürlich interessant, wie der Rest des Gewinns verwendet wird und warum die Verteilung so getroffen wurde.

Daneben gibt es noch einen anderen Aspekt, der wichtig ist, nämlich die Ausschüttungsquote in Bezug auf den Free Cash Flow.

Ausschüttungsquote (in Bezug auf den Free Cash Flow)

Die Ausschüttungsquote in Bezug auf den Free Cash Flow berechnet man Ausschüttungsbetrag/Free Cash Flow*100. 

Vielleicht fragen Sie sich, was da jetzt der Unterschied zum Gewinn ist oder was Free Cash Flow überhaupt ist. Das erkläre ich jetzt.

Gewinn und Free Cash Flow (FCF) sind beides sind Kennzahlen, die anzeigen, wie profitabel ein Unternehmen ist. Aber Gewinn bemisst die Wertsteigerung eines Unternehmens, ist eine buchhalterische Größe und Free Cash Flow misst nur Zahlungsströme und stellt die liquiden Mittel dar, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen.

Als Beispiel: Wenn ich ein hochwertiges Büromöbel kaufe, das 1.000 EUR kostet, fließen sofort 1.000,00 EUR. Nämlich von meinem Konto an das Möbelhaus. Diese 1.000 EUR stehen mir sofort weniger als freie Mittel zur Verfügung.

In Bezug auf den Gewinn, also in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), wird der Vorgang aber anders gesehen. Ich habe die 1.000 Euro ja nicht einfach verloren, sondern ein Möbel dafür bekommen, und das hat einen Wert, der mir nun gehört. Der Besitz meines Unternehmens hat sich also erst einmal nicht verändert. Das Möbel ist (zunächst einmal) 1.000 EUR wert und der Wert sinkt dann mit den Jahren. Das wird mit Abschreibungen dargestellt. Über 13 Jahre ist mein 1.000 EUR-Möbelstück jedes Jahr 1/13 weniger wert und damit sinkt mein Besitz in der Gewinn- und Verlustrechnung viel langsamer.

Im FCF habe ich also sofort 1.000 Euro weniger, in der GuV habe ich erstmal gar nicht weniger und dann pro Jahr 923,07 Euro und so weiter, in diesem Fall sinkt mein Bilanzgewinn also viel langsamer als mein Cash Flow.

Zusammenfassend: der Cash Flow misst nur Zahlungsströme, keine Abschreibungen, Rückstellungen und so weiter.

Doch noch mehr über den Unterschied zwischen Gewinn und Free Cashflow, Beispiel Amazon!

Generell reicht das als Hintergrundwissen zum Cash Flow, aber ich finde das so aufregend, ich erzähle noch mehr. Wem es zu viel ist, springt einfach bis zur nächsten Überschrift!!

Grob kann man sagen, die Ein- und Ausgaben werden beim Cash Flow nicht oder zumindest weniger geglättet als in der GuV. Es gibt weniger, sagen wir mal, “Gestaltungsmöglichkeiten”.

Aus steuerlicher Sicht ist es oft günstig, möglichst wenig Gewinn zu erzielen. Aus Börsensicht hingegen ist es günstig, möglichst viel Gewinn zu haben. In der GuV gibt es einen gewissen Spielraum, im Cash Flow ist der Spielraum viel enger. Dafür kann der Gewinn in der GuV viel stärker aufgespalten betrachtet werden (als EBITDA, EBIT, operatives Ergebnis etc.), man kann bei der Analyse des Gewinns eines Unternehmens deshalb viel differenzierter in die Tiefe gehen.

Die Unterscheidung Gewinn vs. Cash Flow ist eine, auf die wir zum Beispiel bei der Betrachtung von Amazon immer wieder stoßen:

Amazon weist bekanntlich so gut wie keinen Gewinn aus (und schüttet auch keine Dividende aus), aber der Cash Flow (sowohl der Free Cash Flow als auch der operative Cash Flow, das sind die entnahmefähigen Finanzmittel plus Capex, also Investitionsausgaben) sind bis 2022 immer angestiegen. Das liegt daran, dass Amazon ein absolutes Wachstumsunternehmen ist und die Gewinne reinvestiert, wirklich ungewöhnlich viel und sehr divers, manche sagen: aggressiv reinverstiert. Nicht umsonst sinken die Kurse der Wettbewerber in jedem neuen Markt, in den Amazon geht.

Amazon hat also nicht so viel Bilanzgewinn, der zu versteuern wäre und schüttet keine Dividende an die Aktionär*innen aus, weil es ja nichts zu verteilen gibt. Aber wenn man sich fragt, ob sich die Unternehmung Amazon an sich überhaupt lohnt, gibt der Blick auf den Cash Flow nochmal ein ganz anderes Gewürz in die Suppe.

Andersherum kann der Cash Flow auch ein Warnsignal sein: Wenn in der Bilanz eines Unternehmens der Gewinn deutlich höher ist als der Cash Flow, ist es möglich, dass der Gewinn zukünftige vereinbarte Zahlungen schon einbezieht, die aber eben noch nicht eingetroffen sind (also: noch nicht geflossen sind, deshalb vom Cash Flow noch nicht erfasst werden). In diesem Fall lohnt es sich, genauer hinzuschauen, denn: shit happens, möglicherweise kommen die Zahlungen aus irgendeinem Grund dann doch nicht, wir haben hier eine Taube auf dem Dach aber halt noch nichts in der Hand.

Wozu diese Kennzahlen?

Alle oben vorgestellten Kennzahlen sind natürlich hauptsächlich im Vergleich interessant:

Wie hat sich die Ausschüttungsquote in den letzten Jahren entwickelt? Wie ist sie innerhalb der Branche einzuschätzen? Wie ist die Ausschüttungsquote in Bezug auf die Dividendenrendite und den Betrag der Dividende einzuschätzen ist – wurde ein größerer oder kleinerer Teil des Gewinns ausgeschüttet, um die Dividendenrendite oder den Dividendenbetrag stabil zu halten? 

Das alles sind Informationen, die zur Lage und Strategie des Unternehmens Auskunft geben können, sie haben eine starke Signalwirkung. 

Beim nächsten Mal schauen wir, an wen sich diese Signale richten.

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil II

Gestern sind wir gestartet mit Gewinnverwendungsmöglichkeiten und der Frage, was eine Dividende ist und wann es sie (meistens) gibt. 

Heute schauen wir uns an, welche Formen der Ausschüttung von Gewinnen an die Aktionär*innen es insgesamt gibt. Jede Form der Ausschüttungmist eine hoch strategische Entscheidung, da sie Signale aussendet, die auf ganz unterschiedliche Interessenlagen treffen. Dazu kommen wir später ganz im Detail.

Formen der Ausschüttung

Als Formen der Ausschüttung gibt zum einen die schon genannte:

Dividendenzahlung

Wenn eine Dividende gezahlt wird bedeutet das: der Gewinn, den ich verteile, wird durch die Aktien im Markt (also: die an der Wertpapierbörse gehandelt werden) geteilt und die Besitzer*innen erhalten pro Aktie, die sie haben, den Euro-Betrag, der bei dieser Rechnung herauskommt. 

Neben der Auszahlung eines Euro-Betrags (das nennt man Bardividende), kann eine Dividende auch in Form von zusätzlichen Aktien (Stockdividende) oder Sachleistungen (Sachdividende) ausgeschüttet werden. 

Legendär ist der “Schokoladenkoffer” von Lindt & Sprüngli (die Lindt & Sprüngli-Aktie kostet allerdings derzeit über 110.000 Euro, dafür kann man sich auch viel Schokolade selbst kaufen), üblicher sind Rabattgutscheine für Produkte/Leistungen des Unternehmens. 

Das Essen, dass es für die Aktionär*innen auf der Hauptversammlung gibt, wird scherzhaft als “Würstchen-Dividende” bezeichnet (auch hier ein unfassbar aufregendes Spannungsfeld, nämlich zwischen verdeckter Gewinnausschüttung/verbotene Einlagenrückgewähr, Sicherheitsaspekten, Möglichkeiten der Beschlussanfechtung).

Ich beschränke meine weiteren Betrachtungen hier aber auf die Bardividende.

Eine weitere Ausschüttungsform ist die:

Sonderdividendenzahlung

Wenn wir die Dividende verstanden haben, ist auch schon das meiste zur Sonderdividende klar. Der Unterschied ist, dass die Sonderdividende etwas Besonderes ist, sagt ja schon der Name. Und diese Kennzeichnung, etwas “Besonderes”, ist auch schon der ganze Trick. Es geht hier um die Erwartungshaltung.

Die Sonderdividende wird als einmaliges Ereignis betrachtet, niemand erwartet eine Regelmäßigkeit. Man kann sie zahlen, wenn besondere, kurzfristige Geschäftsereignisse  zu “viel Geld übrig” führen. Es gibt aber keine Enttäuschung, wenn sie im nächsten Geschäftsjahr nicht in ähnlicher Höhe wieder gezahlt wird.

Die dritte Form der Ausschüttung ist der:

Aktienrückkauf

Das ist eins meiner Lieblingsthemen, weil es so unfassbar viele mögliche Hebel, so viele mögliche Verstrickungen gibt!

Ich versuche, mich kurz zu fassen: bei einem Aktienrückkauf kauft die Aktiengesellschaft eigene Aktien.

Aktien, die im Besitz der Aktiengesellschaft selbst sind, werden bei der Gesamtzahl der Aktien nicht mehr mitgezählt. Was bedeutet: es gibt nun weniger Aktien der Gesellschaft, die man kaufen kann. Wenn also gleich viele Personen eine Aktie kaufen möchten, steigt der Preis und damit der Wert für diejenigen, die schon eine haben! Durch Verknappung. Der Aktienrückkauf kann also zur “Kurspflege” genutzt werden. (Die Abgrenzung von Kurspflege zu Marktmanipulation ist auch wieder ein spannendes Thema!) 

Zusätzlich: Wenn eine Dividende gezahlt wird, wird der Gewinn, der zur Verteilung zur Verfügung steht, nach dem Aktienrückkauf auf weniger Aktien verteilt, es bleibt also für jede Aktie mehr Gewinn mehr übrig.

Das ist für die Aktionär*innen eine schöne Sache. Und für die Geschäftsführung oft auch! Denn viele Vergütungsprograme für Manager*innen sind an Kennzahlen wie zum Beispiel Gewinnwachstum pro Aktie oder an die Kursentwicklung geknüpft ujnd darauf wirkt der Aktienrückkauf sich ja positiv aus. Hier liegt also ein gewisses Missbrauchspotenzial.

Die Aktiengesellschaft kann auf verschiedenen Wegen Aktien zurückkaufen (normal an der Börse, von einzelnen Aktionär*innen oder durch ein öffentliches Rückkaufangebot (Tender Offer). Dazu gibt es natürlich diverse gesetzliche Regularien, das zu erläutern führt hier aber zu weit.

Und die vielen spannenden Gründe für einen Aktienrückkauf führen hier leider eigentlich auch zu weit, aber wirklich nur ganz kurz: Neben dem starken Signal, Vertrauen in das eigene Unternehmen zu haben, kann der Aktienrückkauf auch finanzpolitische Gründe haben, kann ein Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmen oder zur Gestaltung der Aktionärsstruktur sein.

Andererseits kann der Aktienrückkauf natürlich auch ein Signal dafür sein, dass die Geschäftsführung keine besseren Ideen mehr hat, was sie mit dem Geld machen könnte, dass also keine Innovationskraft mehr im Unternehmen ist. Und durch den Aktienrückkauf verringert sich das Eigenkapital des Unternehmens und es steht weniger Liquidität zur Verfügung, damit natürlich auch weniger Flexibilität, schnell auf gute Gelegenheiten oder widrige Begebenheiten zu reagieren. 

Aktienrückkäufe werden also durchaus auch kritisch gesehen und sind in anderen Ländern, beispielsweise in den USA viel üblicher als in Deutschland. Seit einigen Jahren sind sie aber auch hier ein zunehmend beliebtes Instrument. 

Zurück zum Thema, die letzte Möglichkeit der Ausschüttung ist die

Nennwertrückzahlung

Die Nennwertrückzahlung hat nur eine sehr geringe praktische Relevanz und ausschließlich aus diesem Grund bewege ich mich dabei in Bezug auf mein Wissen auf sehr dünnem Eis. 

Eine Nennwertrückzahlung ist eine ordentliche Kapitalherabsetzung (bedeutet also eine Verringerung des Grundkapitals der Aktiengesellschaft), sie ähnelt wirtschaftlich der Dividendenzahlung und praktisch dem Aktienrückkauf.

Soviel zu den möglichen Formen einer Gewinnausschüttung. Beim nächsten Mal schauen wir uns eine Handvoll Kennzahlen an, mit denen wir eine Ausschüttung beurteilen können. Keine Panik, es kommen maximal Grundrechenarten vor!

Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil I

Diesen Text schreibe ich als Folge von Klugscheißerei: mir fiel in Tweets/Kommentaren zur Ausschüttungsquote (2021) der Vonovia SE auf, dass Begrifflichkeiten nicht sauber verwendet wurden und auf mein Augenzucken dazu kam die Antwort, dann solle ich es doch mal richtig erklären. Eine gute Antwort.

Über den Kapitalmarkt – konkreter, Aktienmarkt – kann man sehr unterschiedlicher Ansicht sein. Fakt ist aber: er existiert und bestimmt maßgeblich unser Wirtschaftsleben. Was man nutzen möchte, sollte man verstehen. Was man kritisiert und ändern möchte, erst recht. Ich habe mich nun selbst berufen, hier für mehr Verständnis zu sorgen.

Folgen Sie mir deshalb heute hinab in das dunkle Herz des Kapitalismus – naja und die nächsten Tage auch, es wird mehrere Teile geben.

Wir schauen uns an, was eine Dividende eigentlich ist. Was für weitere Gewinnverwendungsmöglichkeiten es gibt. Welche Ausschüttungsformen. Was für Kennzahlen wir haben, um Ausschüttungen zu bewerten. Ein bisschen stöbern wir in der Buchhaltung und betrachten fasziniert Gestaltungsmöglichkeiten des Reportings! Amazon kommt vor!! Verschiedene Gruppen, die man unter einen Hut kriegen muss mit ihren konfliktären Interessenlagen, die sich dann aber manchmal annähern. Meine Güte, was wollen die eigentlich alle und warum? Welches Signal senden die schon erwähnten Kennzahlen und warum bedeuten sie manchmal genau das Gegenteil? Schlaufüchse sind dabei und Cum-Ex und warum verdammt nochmal werden die Sachen nicht einfach billiger?

Fangen wir an.

Von März bis Mai ist Dividendensaison

Das bedeutet, dass viele Aktiengesellschaften in diesem Zeitraum eine Dividende an die Aktionär*innen zahlen. Warum hauptsächlich von März bis Mai? Um das zu erklären, schlendern wir rückwärts durch eine notwendige Ereignisfolge:

Über die Dividendenausschüttung in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft entschieden -> Diese Hauptversammlung muss unverzüglich einberufen werden, wenn der Bericht des Aufsichtsrates über den Jahresabschluss vorliegt -> Der Jahresabschluss wiederum muss innerhalb der ersten drei Monate des Geschäftsjahres vorliegen ->. Das Geschäftsjahr ist bei den meisten Gesellschaften dasselbe wie das Kalenderjahr.

Ausnahmen gibt es natürlich immer, aber so kommen wir zu einem Schwerpunkt der Dividendenausschüttungen zwischen März und Mai eines Jahres. 

Was ist eine Dividende und wozu ist sie gut?

Wenn eine Aktiengesellschaft eine Dividende zahlt, bedeutet das, dass sie allen, die (eine) Aktie(n) der Gesellschaft haben, Geld auszahlt. Meistens ist der Hintergrund, dass die Akiengesellschaft Gewinn (hier ist immer der Bilanzgewinn gemeint) gemacht hat. Sie hat also mehr Geld eingenommen als ausgegeben – das geht aus dem Jahresabschluss hervor. Und sie zahlt einen Teil dieses Gewinns an die Aktionär*innen, die ja die Eigentümer*innen sind, aus. Diese Auszahlung ist die Dividende.

Eine Dividende ist also ein Instrument der Gewinnverwendung

Natürlich gibt es noch viele andere Möglichkeiten, Gewinne zu verwenden. Jede dieser Möglichkeiten hat verschiedene mögliche Gründe und verschiedene mögliche Folgen.

Welche Möglichkeiten haben Aktiengesellschaften, den Gewinn zu verwenden?

Aktiengesellschaften können den Gewinn im Unternehmen lassen (in Form von Rücklagen), für das Unternehmen ausgeben (reinvestieren), sie können damit Schulden abzahlen oder sie können ihn unter den Eigentümer*innen (das sind die Aktionär*innen) verteilen. Diese Verteilung nennt man Ausschüttung.

Da der Aufhänger zu diesem Text die Ausschüttungsquoten waren, konzentrieren wir uns jetzt auf die Ausschüttung.

Eine Aktiengesellschaft hat also Gewinn gemacht. Es gibt gesetzliche Regelungen, die bestimmen, welche prozentualen Anteile dieses Gewinns schon beim Jahresabschluss (also vor der Hauptversammlung, in der über die Gewinnverwendung abgestimmt wird) von der Aktiengesellschaft in beispielsweise Gewinnrücklagen eingestellt werden dürfen. Für den Gewinn darüber hinaus gilt in Deutschland (grob gesagt): die Aktionär*innen haben Anspruch auf den Bilanzgewinn.

Es ist aber nicht so straightforward, dass die Unternehmensführung einfach sagt: “ok ich schlag vor, wir verteilen jetzt mal den ganzen Gewinn an die Aktionär*innen, ist ja übrig, alle können sich freuen und mehr haben wir eh nicht.” Das ist nicht sinnvoll. Geld, das ausgeschüttet wird, steht nicht mehr für Finanzierungen oder Investitionen zur Verfügung und beides kann notwendig sein, um ein Unternehmen zu stabilisieren oder weiterzuentwickeln.

Deshalb macht die Unternehmensleitung, die sich mit den Belangen des Unternehmens am besten auskennt, eine Empfehlung zur Aufteilung dieses Gewinns. In der Hauptversammlung stimmen die Aktionär*innen über diesen Vorschlag ab. Und, wie schon gesagt, man lässt sie nicht aus Freundlichkeit darüber abstimmen, sondern weil ihnen laut Aktiengesetz dieser Gewinn gehört.

An dieser Stelle wird schon klar, dass die Interessen des Unternehmens und die der Aktionär*innen in dem Vorschlag zur Gewinnverwendung möglichst gut unter einen Hut gebracht werden müssen. Und es gibt noch weitere, teilweise sehr unterschiedliche Interessenlagen zu beachten.

Diese Überlegungen, ob, wie viel, auf welchem Weg und wann Gewinn ausgeschüttet wird, nennt man Ausschüttungspolitik. Die Ausschüttungspolitik sind eine zentrale Aufgabe der Unternehmensführung und in ihrer Komplexität eine unglaublich spannende Sache!

Bevor wir sie uns näher anschauen, müssen aber noch ein paar Begriffe geklärt sein – dazu kommen wir morgen.