August 2024

Herzregen im Urlaub -Tag 6

Fast hätte ich einhändig tippen müssen, weil ich eine Hand auf dem Hund liegen hatte, das war so gewünscht. Sie grunzt dieses Jahr immer, wenn ihr etwas gefällt. Nachdem ich das (und einiges andere) erst einmal verstanden hatte, lief es sehr gut mit uns. Ich kann Hundesprache ja nicht gut deuten, kenne nur Katzensprache und als ich Fiene bürstete, bewegte sie sich so, wie die Katzen es tun, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Dann höre ich natürlich sofort auf. Das war aber genau falsch, beim Hund war es eine Wohlfühlbewegung. Nach einer Woche sind wir eingegroovt.

Heute war noch einmal ein sehr ereignisreicher Tag, wir fuhren auf die Insel, auf die wir sonst immer schauen, das war ja schon geplant, die Insel halt, zu der wir nicht wie deppige unvorbereitete Touristinnen zu Fuß durchs Watt spazieren wollten. Die Fahrt geschah mit einem Amphibienfahrzeug, auf dem Hinweg waren wir noch sehr unterwältigt, es war eine 20-Minuten-Fahrt angekündigt, in Wirklichkeit fuhren wir ca. 5 Minuten, nunja. Dafür war die Insel dann interessanter als gedacht und vor allen Dingen gemütlich: schattige Sitzplätze, angenehmer Wind, ein schön kleines Museum, dessen Einritt durch die Amphibienbootfahrkarte abgedeckt war und dann war die Insel auch noch kleiner als erwartet und wir wanderten auf eine schlimm sonnigen – aber immer hin viel kürzer als befürchteten – weg zu einer alten Festung. Außer mir hatte sich niemand mit Sonnenschutz eingecremt. Sie werden alle vorzeitige Hautalterung bekommen, alle außer mir, ich werde faltenfrei sein bis ins hohe Alter.

Die Rückfahrt mit dem Amphibienfahrzeug machte die kurze Hinfahrt wett, nicht nur fuhren wir einen großen Bogen durchs Watt und an der Austernfarm vorbei (wir wollten alle sofort ergoogeln, wie das funktioniert mit der Austernzucht (ostréiculture) mit den Austerntischen (tables à caire-voie) und den Säcken (poches), es gibt aber auf dieser gesamten Cotentin-Halbinsel keinerlei Mobilfunknetz, also musste das bis im Ferienhaus warten. Egal, als Sahnehäubchen setzte das Amphibienfahrzeug uns nicht am Ausgangspunkt ab, von dort hätten wir nämlich nochmal eine Viertelstunde durch pralle Sonne laufend leiden müssen, sondern am anderen Ende des Hafens direkt am Parkplatz. Das war toll!

Später schafften wir es auch noch, in einem Restaurant Fisch zu essen und zwar am Nachmittag, das ist ja hier eigentlich eher ein Ding der Unmöglichkeit, also zwischen 14 und 19 Uhr etwas zu Essen zu bekommen, dann auch noch das Gewünschte und ohne Reservierung. Und der Fisch war gut. Damit hatten wir alle Pläne abgehakt. Eine letzte Postkarte wurde eingeworfen und ein letztes Baguette gekauft, dabei traten Herr H und ich direkt vor der Boulangerie in einen riesigen Hundehaufen. Ich zog unmittelbar meine Schuhe aus und warf sie in den Mülleimer vor dem Laden, direkt neben zwei Hundebesitzern, ob sie die verursachenden waren, weiß ich nicht. Herr H reinigte seine Schuhe im Meer.

Am Abend weiteres Reste-Essen und Doppelkopf, ich darf Ihnen verkünden, dass Sie bei der Siegerin der diesjährigen Doppelkopfwoche lesen, mit 137 Punkten lag ich vorn, der Zweitplatzierte hat 106 Punkte. Ich muss mich nicht verstecken mit meinem Regelzettel, der immer vor mir liegt, weil ich mir nicht merken kann, ob nun der König oder 10/As mehr zählen.

Herzregen im Urlaub – Tag 5

Bis 9:30 Uhr ausgeschlafen, es regnete in Strömen, sehr entspannt und gemütlich.

Dann geschahen drei, eigentlich vier verdächtige Dinge. Zum einen war mir meine Nase beim Gucken immer im Weg, ich nahm sie ständig in meinem Sichtfeld wahr. Während ich darüber sinnierte, unterhielt ich mich mit Frau Herzbruch, sie sagte etwas zu mir, ich antwortete und wenige Minuten später erinnerte ich mich an das Gespräch, aber nur an die Melodie, nicht mehr an den Inhalt. Alles weg. Ich fragte bei Frau Herzbruch nach, sie sagte mir noch einmal, was wir gesprochen hatten, ja so war es, die Worte passten zur Melodie in meinem Kopf.

Wir stiegen ins Auto ein und ich war unfassbar müde, schlief mehrfach kurz ein, wachte dann auf und war – eine Stunde nach dem ausführlichen Frühstück – unfassbar hungrig. Da machte es dann zum Glück endlich „Klick“ und ich erwischte die Migräne noch bevor überhaupt auch nur der leichteste Kopfschmerz begann. Ganz auslöschen ließ sie sich nicht aber es bleibt bei leichten Sprachproblemen und im Restaurant fielen mir nacheinander erst die Serviette, dann die Gabel, dann das Messer auf den Boden. Aber es geht mir wunderbar. Ich bin nur etwas dümmer und unbeholfener als sonst. So wie der Hund. Den haben aber ja auch alle lieb.

Wir waren heute in Bayeux. Herr H und ich interessierten uns ernsthaft für den Teppich, schafften es aber zeitlich nicht in das entsprechende Museum. Frau H hatte Angst, dass ein Teppich eingekauft würde. Natürlich nicht, man kann aber Nachbildungen auf Amazon bestellen. Es gelang Herrn H und mir, unauffällig Keksdosen mit Motiven des Teppichs in den Souvenireinkauf zu schmuggeln. Frau H hält nichts von Auslegeware.

Der Souvenierladen in Bayeux war ein Stück attraktiver als der in dem liebsten Dorf der Franzosen (und Französinnen) aber meine Güte, ich kaufe jetzt schon seit so vielen Jahren wenn möglich überhaupt nichts, ich bin wirklich für Ladenlokale nicht mehr gemacht. Zu viele Sachen, zu viele Menschen, zu wenig Vergleichsmöglichkeiten und eigentlich brauche ich ja sowieso nichts. Dennoch waren wir später noch im Supermarkt, Herr H kaufte Werkzeuge, um das Ferienhaus zu reparieren. „Verlassen Sie diesen Ort so, wie Sie sich wünschen, ihn vorzufinden“ erlangt eine ganz neue Bedeutung. Ich kaufte eine Melone. Frau H TK-HImbeeren. Später nach einer harten Diskussionsrunde während einer doppelten Kreisverkehrfahrt kauften wir noch Baguette, man kann hier glaube ich nie zu viel Baguette haben. Die letzten Tage hier werden wir mit Essen verbringen müssen, alle Vorräte müssen weg.

Mein Matschauge – ich erwähnte es am ersten Reistetag hier, Mitleid blieb aus, empathische Minderleistung der Lesenden – hat sich soweit zurückgebildet, dass ich nicht mehr fortwährend Sonnenbrille tragen muss. Was heute im Regen ganz gut war. Beschwerden sind keine mehr vorhanden, ich hoffe nur, dass sich durch die mehrtägige Schwellung nicht die Haut am Augenlid so weit gedehnt hat, dass eine Rückbildung nicht mehr möglich ist. Dann müsste man da operativ eingreifen, das zahlt aber vermutlich dann die Krankenkasse, weil ich mit dem vor das Auge hängende Lid ja nicht sehen könnte. Warum hat Karl Dall sein Auge eigentlich nie machen lassen?

Bestimmt haben wir heute noch mehr erlebt aber ich erinnere mich gerade nicht, mein Gehirn ist stark verlangsamt (und ich fürchte um meinen 20-Punkte-Vorsprung beim DoKo!). Lesen Sie bei Frau Herzbruch nach.

Herzregen im Urlaub – Tag 4

An diesem Morgen wachte ich als erste auf, als zweite kam der Hund ins Wohnzimmer und wir gingen gemeinsam in den Garten, Bälle werfen und die Nachbarin kennenlernen. Als alle anderen aufwachten, war ich schon bei angenehmen 300 ml Kaffee angekommen und gesprächsbereit.

Nach dem Tag gestern, an dem ja gar nichts geschah, wollten wir uns heute nicht gleich mit Erlebnissen überfordern. Frau H und ich fuhren erst einmal einkaufen, der leckere rosa Cidre war aus. Allerdings nicht nur bei uns sondern auch im Supermarkt, in einer Übersprungshandlung kauften wir von allen anderen rosa Cidresorten zwei Flaschen, eine, um festzustellen, ob sie schmecken und die zweite um im positiven Falle dann noch eine Flasche entspannt trinken zu können. Ich glaube, wir hatten beide nicht ganz präsent, dass wir in wenigen Tagen schon abreisen. 

Auf dem Hinweg zum Einkaufen forderte Frau Herzbruch Lob ein, dass sie den Weg zurück schon ohne Navi kennt. Der Rückweg war dann ungewöhnlich lang und als wir zum zweiten Mal am Kino vorbeikamen, schalteten wir das Navi dann doch wieder ein.

Zurück im Haus nahmen wir Bestand auf, was alles neu kaputt gegangen war: Waschbecken im WC (Stopfen unentfernbar im Abfluss) und Herr H hatte, als er nachts im Dunkeln schauen wollte, wer vor dem Haus Lärm macht, versehentlich eine Leiste über dem Fenster abgerissen. Gestern ging ja die Grillzange kaputt, an Tag 1 schon fiel in Frau Hs Zimmer die Vorhangstange ab. Reparaturen wurden in die Wege geleitet, es ist ja immer etwas zu tun in so einem Haus.

Als nächstes machten wir uns auf in das schönste Dorf Frankreichts, das hatte ich aber falsch verstanden, es ist das Lieblingsdorf der Franzosen (und Französinnen?) nach einer Umfrage von France 3 und es hatten sich insgesamt unter 20 Orten beworben. Gut, dass ich das falsch verstanden hatte, ich wäre sonst beunruhigt gewesen.

Der Ort war nett. Der Laden, den Frau H unbedingt aufsuchen wollte, war ein Ort des Grauens. Ich kann mir das nur so erklären, dass er früher mal toll war und nun immer noch von einem Ruf lebt. Es war ein ziemlich weitläufiges Ladenlokal und darin untergebracht sämtlicher weltbekannter Nippes und Tourikram. Die geblümten Teetassen, die es auch im Blumenladen in Offenbach gibt, die Seifen, die jede Apotheke hat, die Kosmetik aus der entsprechenden Abteilung bei Manufactum, dazwischen das Sortiment von Depot und dieser Dekoladenkette, die Kikeriki oder so ähnlich heißt. Unfassbar. Es gibt nur einen Weg durch den Laden, man muss alles anschauen, um wieder hinauszukommen. Wir kauften nichts.

Jetzt ist es stürmisch geworden, das ist sehr gemütlich, wir müssen uns nun dem Doppelkopf und dem Cidre und den ca. 20 eingekauften Creme-Brulees widmen.

Herzregen im Urlaub – Tag 3

Die Herren Herzbruch fuhren heute noch einmal zu Kriegsschauplätzen, wir anderen blieben daher im Anwesen, denn wie gesagt, eine andere Fortbewegungsweise als die per Auto ist hier nicht vorgesehen. So harrten wir – gut versorgt durch morgendliche Einkäufe – auf der Terrasse mit Meerblick den ganzen Tag über aus, in meinem Fall unterbrochen von einem kleinen Schläfchen.

Ich las dabei – beim Auf-der-Terrasse-sitzen, nicht beim Schlafen – die Tagebücher von Erich Mühsam und war amüsiert-verwundert über sein ständiges Jammern hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Situation. Ein erwachsender Mann, der erwartet, von seiner Familie ausgehalten zu werden – war das damals üblich? Und er bekam sogar finanzielle Unterstützung aber fand, es sei zu wenig, schließlich sei ja mehr Geld da. Dann andererseits gehen ja heute auch viele Leute davon aus, es stünde ihnen irgendwie zu, dass andere ihnen ein auskömmliches Leben ermöglichen. Darüber bin ich auch immer wieder verwundert.

Später geschah das Ereignis des Tages: ein Wägelchen hielt am Campingplatz gegenüber und trug die Aufschrift „Le Petit Wan“. Wir gingen es besichtigen, es handelt sich um einen Thai-Imbiss, der immer Mittwochs kommt. Dienstags kommt ein Döner&Burger-Wagen, was an den anderen Tagen kommt, habe ich schon vergessen, was daran liegt, dass kein einziger Wagen für uns irgendwie interessant ist.

Morgen fahren wir einen Ort besichtigen, der auch ganz toll sein soll – er hat die größte Austernzucht Frankreichs (örks), vor der Küste liegt eine Quarantäne-Insel, die bei der Pest und dann noch bis ins letzte Jahrhundert in Gebrauch war, es gibt zwei Türme, die nach einer verlorenen Seeschlacht mit der niederländisch-englischen Flotte entstanden und einer davon wird noch militärisch genutzt, dann gibt es noch eine Kirche die allen im Meer Ertrunkenen gewidmet ist. Das Highlight des Ortes scheint ein Laden mit Gewürzen, Feinkost und Deko-Zeugs zu sein, in dem Frau Herzbruch sich heute schon mental einen Einkaufskorb zusammengeklickt hat.

Die Überfahrt zur Pestinsel haben wir für einen anderen Tag gebucht, morgen war schon alles voll – es dürfen nur 500 Personen pro Tag auf die Insel. Man könnte theoretisch auch zu Fuß durchs Watt hinwandern doch haben wir nicht die richtige Ausrüstung und außerdem ist Nipptide, da zieht das Wasser bei Ebbe nicht weit genug raus, zusätzlich käme es mit den Uhrzeiten auch alles nicht hin. Und Handyempfang um Rettung anzufordern ist hier ja auch nirgendwo.

Dann müssen wir morgen noch einkaufen, und zwar den Cidre rose doux e fruité. Den Champagner nehme ich wieder mit nach Hause, wir haben derzeit einen billigeren Geschmack.

Herzregen im Urlaub Tag 2

Gleich morgens ergab sich ein weiterer Quest. Wir hatten einen Ausflug geplant. Mit dem Auto – andere Fortbewegungsarten sind hier nicht vorgesehen. Das Auto war auch offen, der Schlüssel allerdings nicht da. Nicht im Schloss, nicht in der Handtasche, nicht in der Hosentasche, nicht auf der Kommode. Wie ich berichtet hatte, sind wir hier in einem sehr mit wirklich allem vollgestellten Haus, man findet nichts, es ist bestimmt alles da, aber das, was man versendet, ist immer leicht „off“, heute am Abend zum Beispiel servierten wir Spaghetti mit einer Grillzange. In diesem Haus galt es nun, den Autoschlüssel wiederzufinden.

Ich bin unfassbar gut in sowas, noch am Tag vor Abreise fand ich in unserem Haushalt für M einen Ohrring wieder, den sie zuletzt in Schottland getragen hatte und von dem das Gegenstück auf ihrem Schreibtisch lag. Er war in der Schweißnaht des Handgepäckrucksacks, den sie mithatte, verfangen. Den Autoschlüssel fand ich in einer Kommode mit abgeschlossenen Türen, deren Rückwand aber, wie ich beim Abrücken von der Wand sah, fehlte, so dass der Schlüssel in dieses Schränkchen irgenwie unglücklich hineinfallen konnte. Mit nur 20 Minuten Verspätung brachen wir auf.

Gestern waren Frau Herzbruch und ich ja noch einkaufen gewesen, es kam dabei zu einigen unerwarteten Situationen im Straßenverkehr, unter anderem fuhren wir bis zu einer roten Ampel vor, um dann erst festzustellen, dass die davor stehenden Fahrzeuge gar nicht parkten sondern, nunja, der Ampelrückstau waren und wir nun mit unserem Reisebus dem Gegenverkehr den Weg versperrten. Und ähnliche Situationen halt, unglücklicherweise fuhr die ganze Zeit hinter uns derselbe Mann. Keine Ahnung, was der angestellt hat, dass das Schicksal die arme Frau Herzbruch derart für seine Bestrafung heranzog. Zuletzt bog der Mann sogar auf denselben Supermarktparkplatz ab wie wir, Frau Herzbruch hatte Sorge, er könne uns ansprechen, ich habe aber ja Französisch B1 absolviert und hätte dann „La dame est un instrument du destin!“ gesagt und dann hätten wir doch mal herausgefunden, wer von den Beteiligten sich genau was vorzuwerfen hat. Heute fuhr Herr Herzbruch. Er meisterte alle diese Stellen problemlos. Ob es daran lag, dass wir ihm beständig die Gefahren soufflierten, oder ob er eben kein Instrument des Schicksals war, bleibt offen.

Der Ausflug führte und zu den Landungsbrücken, alles sehr wenig erheiternd. Krieg ist scheiße.

Danach waren wir Bettwäsche kaufen. Gestern auch schon. Ich hoffe, das wird kein Running Gag, dass wir jetzt täglich mit Familie Herzbruch Bettwäsche kaufen gehen, ich finde Bettwäsche langweilig. Apfeltarte haben wir auch wieder gekauft, mittlerweile die dritte. Die erste war super, Herr H fand sie aber zu wenig apfelig. Gestern hatten wir eine deutlich apfeligere, unter den Äpfeln war noch Apfelmus (bei der ersten: eine Art Creme), dafür war der Teig für mich aber absolut inakzeptabel, weil er im Mund ein starkes Schwammgefühl machte. Wir probieren weiter, bis wir die ideale Tarte gefunden haben. Beim Cidre sind wir schon am Ziel: Cidre Rosé doux et fruité für irgendwas unter 3 Euro. Allerdings habe ich 4 (unterschiedliche) Flaschen Champagner mitgebracht, die müssen auch irgendwie weg, Champagner wird durch Lagerung ja nicht besser. Heute gibt es daher keinen Cidre sondern der Roederer Rosé 2016 ist dran. Erschreckt fand ich im Flaschenkarton auch noch eine Geschenkkarte, die ich bis dahin nicht bemerkt hatte.

Nach dem Einkauf fand das erste Schwimmen im Meer statt – die Herren Herzbruch und ich waren dabei, dem Hund war es zu kalt. Beim Reingehen schon sehr frisch, dann, einmal untergetaucht, kam es mir so vor als könne ich ewig im Wasser bleiben und nach ca. 20 Minuten wurde es unfassbar kalt.

Jetzt Doppekopf.

Herzregen im Urlaub

Herr Budddenbohm ist aus dem Urlaub zurück, wir (also Frau Herzbruch und ich) übernehmen an dieser Stelle die Urlaubsstaffel. Daher reisten Herr N und ich gestern morgen um 5 Uhr zu Familie Herzbruch, um dort in einen kleinen angemieteten Reisebus der ausreichend Platz für 5 Personen, 1 Hund und viel Gepäck (hoffentlich) bot, umzusteigen, dann würde jemand den Bus wegfahren und den so freigewordenen Parkplatz würde für die nächste Woche unser Auto besetzen, versorgt von den freundlichen Nachbarn. Daher blieb unser Autoschlüssel auch bei Herzbruchs, einen Zweitschlüssel habe ich aber an der Frau, man weiß nie, vielleicht brennt oder säuft Herzbruchs die Wohnung ab in unserem Urlaub, es wäre bedauerlich aber das allermeiste vom Hausstand haben sie eh dabei, wir könnten dann in unserem Auto immerhin nach Hause fahren.

Vorher war noch ein fremder Herr auszuzocken, der im Halteverbot vor dem kleinen Bus stand und die Herzbruchs offenbar schon ausgespäht hatte, jedenfalls direkt den Rückwärtsgang einlegte, als Frau Herzbruch sich dem Wagen näherte, elegant drehte sie zu unserem Fahrzeug ab und wir fuhren davon, beobachteten und beratschlagten unauffällig aus dem Hauseingang eine Ecke weiter. Unsere Vermutung war, dass der Herr in den Gottesdienst gehen möchte, der um 8:30 Uhr begann. Bis dahin würde er warten, ob der kleine Bus sich wohl noch in Bewegung setzt oder ein anderer Parkplatz frei wird – falls nicht das Auto dann im Halteverbot stehen lassen. Genau so war es auch, um 8:28 Uhr setzte er sich Richtung Kirche in Bewegung, wir freuten uns sehr, dass er ein guter Gläubiger ist und wünschten ihm, dass zumindest für die Dauer des Gottesdienstes niemand vom Ordnungsamt vorbeikommt.

Gegen 9 Uhr hatten wir Airfryer, Kaffeemaschine und was man sonst so braucht (dieses Jahr keine Wasserkästen) verräumt und fuhren los. Ich als Beifahrerin. Ich bin beflissen, eine ganz besonders gute Beifahrerin zu sein, weil ich ja überhaupt nie fahren möchte, daher versuche ich, die Wünsche der Fahrperson schon zu antizipieren bevor sie geäußert werden. Zu 99 % gelang mir das, ich hatte Feuchttücher, Gebäck und – mein großer Moment – sogar eine Polsterung für die klappernde Getränkehalterung dabei, nur an einem einzigen Punkt hatte ich die Lüftung nicht perfekt eingestellt, so dass Frau Herzbruchs Bein warm wurde und sie selbst die Hand ausstrecken musste, um das Rädchen von 3 auf 5 hochzudrehen. Das tat weh.

Während der Fahrt hörten wir den „Alles Gesagt“-Podcast mit dem Astronauten, Name vergessen, nur die Moderatoren untereinander reden sich ständig mit Namen an, der Gast wird nicht mit Namen angesprochen, wie soll ich ihn mir also merken. Das All ist nichts für uns, beschlossen wir. Augenödeme, Übelkeit, mit den selben Leuten ein halbes Jahr verbringen und wenn die dann alle 9 Stunden am Stück reden, so wie der Herr Dingens, meine Güte. Ich verreise ja sowieso schon nicht so besonders gern. Ich bin zwar gern an anderen Orten und lerne gerne neue, fremde Dinge kennen aber gleichzeitig wäre ich gerne zu Hause, ist ja ein völliger Irrsinn, dass man sich die Wohnung schön und gemütlich macht, mit allem, das man benötigt, funktional und effizient einrichtet und dann fährt man in jeder freien Minute weg und muss in fremden Küchenschubladen nach dem Buttermesser suchen. Bar jeder Vernunft. Für mich wäre es gut, wenn wir in Zukunft nur noch virtuell reisen würden, mit entsprechenden Brillen, Anzug, Technik – das muss alles noch Fortschritte machen, bisher ist diese Technik fast beschwerlicher als eine physische Reise. Aber dann könnte ich in einem Raum ohne Sonne sitzen und das alles erleben, später lege ich die Technik ab, schmiere mir in der eigenen Küche ein Butterbrot und lege mich in mein eigenes Bett, vorher kann ich noch die Katzen füttern. Sicher wäre das auch für’s Klima viel besser, wobei: weiß ich nicht genau. Die Rechenzentren für so etwas verschlingen bestimmt auch viel Energie, die irgendwo her kommen muss. Ich bilde mir aber im Moment ein, es sei besser für das Klima als physisches Reisen, wenn man unsicher ist, kann man ja das annehmen, was der eigenen Haltung besser zupass kommt. So wie bei Online-Bestellungen, da frage ich mich auch manchmal, ob das sinnvoll ist, dass das Postauto mir so viele Pakete bringt und denke dann, dass es sicher nicht sinnvoller ist, wenn ich mit dem eigenen Auto zig Läden abfahre, um mir die Sachen entsprechend zu besorgen.

Naja, die Fahrt wer recht ereignislos, wir kamen gut durch und gut an und dann nicht ins Haus. Und die Vermieterin war nicht erreichbar. Nach 20 Minuten hatten wir eine Masterkey-Schlüsselbox identifiziert, 4 Rädchen von 1-9, also 10.000 Möglichkeiten, wenn man pro Möglichkeit eine Sekunde braucht, ist man in weniger als 3 Stunden durch, mit Pausen oder Personenwechsel vielleicht 4 Stunden, vor Mitternacht wären wir schon im Haus! Ich fing sofort an, war schon bei 1.400 als ich weggezerrt wurde Richtung Bar, die anderen wollten lieber auf einen Rückruf der Vermieterin dort warten. Schwierige Situation. Ich war sofort wieder angefixt wie in Wien bei Pokemon Go! Warum das aufgeben, wie toll wäre das denn, die Schüsselbox zu knacken und sei es durch simples Rädchendrehen? Was soll ich in einer Bar? Nun ja. Kurz vor Eingang der Bar rief die Vermieterin an und teilte den Code mit, ich sage mal so, ich hätte keine 20 Minuten mehr gebraucht.

Im Haus ging der Quest dann aber noch weiter, wir fanden ein paar Dinge nicht, die Vermieterin schickte Anweisungen (auf Französisch!) die so ungefähr besagten: oben gegenüber der Treppe ist ein normannischer Schrank, der Schlüssel zu diesem Schrank liegt in der Kammer links in einem Buch über Cotentin. Im Keller waren wir auch noch, dort kein Licht aber verschiedenste Türen, Dinge aus verschiedensten Jahrhunderten. Und ein Boot. Und alles ist irgendwie ein bisschen angeschmuddelt und feucht und alles ist voll mit allem. Und der Blick ist grandios, die Luft auch, wir werden es sehr schön hier haben.

Zum Abendessen gab es Baguette mit Butter und Käse an Cidre, nachts schauten wir Sternschnuppen, schliefen alle wunderbar, am nächsten Morgen, also heute, wachte ich mit einem Auge auf, das doppelt so groß war, wie das andere, vielleicht ein Augenödem, weil wir im Auto so viel mit Weltall gemacht hatten. Egal, Sonnenbrille drüber, so waren Frau Herzbruch und ich mehr als drei Stunden für genauso viele hundert Euro einkaufen, nun haben wir die Aufgabe, das alles aufzuessen und aufzutrinken und wir werden dieser Aufgabe gewachsen sein (auch wenn Herr Herzbruch, ausgerechnet, Zweifel hat)!

WmdedgT 8/2024

Okay, es ist Sommer, eine Million Grad, was soll ich schon machen? Meine Güte. Nein, und die Laune ist auch noch nicht besser.

Aufgewacht erstmals um 5 weil die bekloppte Sonne dann aufgeht, eine unsägliche Zeit. Umgedreht und weitergeschlafen, wieder aufgewacht, weil die Katzen finden, es sei Tag, wenn die Sonne aufgeht und man müsse Futter bekommen. Umgedreht und mich schlafend gestellt. Um kurz nach 6 habe ich das aufgegeben.

Alle Fenster und Türen der Wohnung inklusive der zum Balkon standen die Nacht über offen, also muss morgens erst einmal das Anwesen kontrolliert werden, wo irgendwas reingekommen ist, das nicht reinkommen soll. Die Temperatur ist noch okay, irgendwas knapp über 20 Grad, das geht aber im Radio wird schon wieder mit beschwingter Stimme von einem „hochsommerlicher Tag ab dem Nachmittag, wenn die Bewölkung sich auflöst und wir blauen Himmel haben!“ gefaselt, so als sei das ein Grund zur Freude.

Schnell die Sachen erledigt, die ich abends wegen Hitze nicht schaffe, nämlich Wäsche aufgehängt, einen Küchenschrank durchsortiert, ein paar Unterlagen zusammengesucht und in die Bürotasche gesteckt, ein Paket ausgepackt und den Inhalt verräumt. Die Katzen versorgt, Blumen gegossen, die nächste Waschladung vorbereitet, sie wird auch wieder über Nacht laufen und morgen früh hänge ich das Zeug dann auf. Es wäre ja schön, wenn man im Sommer weniger Wäsche hätte, weil die Sachen kürzer sind, dafür ist aber immer alles schwitzig und es gibt umso mehr Kleidungsstücke, auch noch in diversesten Farben, so dass diverseste Sortierungen erforderlich sind, das ist doch alles Mist.

Um 8:30 Uhr saß ich auf dem Rad und fuhr in den Supermarkt, um Büroessen für die Woche zu kaufen, also Sachen wie Joghurt, Käse, Nektarinen etc., das kaufe ich immer auf dem Arbeitsweg, weil es ja völlig unsinnig ist, es beim üblichen Wocheneinkauf zu kaufen und dann erst in die Wohnung zu schleppen und dann aus der Wohnung wieder hinaus. Früher habe ich letzteres gemacht, mir ist heute unerklärlich warum. Vielleicht hatte ich da noch feste Arbeitszeiten und es war mir zu stressig, das ist gut möglich.

Im Supermarkt, der um 8:30 Uhr öffnet, ist Einkaufen um diese Uhrzeit eigentlich auch nicht vorgesehen. Es wird noch geputzt, auch mit Maschinen und eingeräumt, auch mit großen Paletten, mit einem Einkaufswagen kommt man eher nicht durch und ist auch nicht willkommen. Heute stand zusätzlich noch eine in sandfarbene wallende Gewänder gekleidete kleine Gruppe – eine Frau und zwei Kinder – vor dem Regal mit den Brötchen, an das ich eigentlich wollte und besprach sich zu Einkauf, zur Bedienung der Brötchenzange und so w.eiter, es dauerte hundert Jahre, es war noch ein Herr da, der vor mir der nächste Benutzer der Brötchenzange gewesen wäre, er hatte ein seliges, gütiges Lächeln auf dem Gesicht beim Betrachten der kleinen Gruppe, es war mir nicht möglich, das weiter auszuhalten ohne Amok zu laufen und so entfernte ich mich aus der Situation und kaufte kein Brötchen. Bzw. dann später beim Bäcker, da ist es 50 Cent teurer und schmeckt nicht halb so gut. Ist aber ja auch egal.

Dann kaufte ich mir noch einen Blumenstrauß, der Blumenladen öffnet neuerdings erst um 9, dort sind aber auch vor 9 schon Kundinnen willkommen, wenn sie nichts gebunden haben wollen sondern nur was Fertiges mitnehmen. Also das kosmische Gegengewicht zum Supermarkt, der ja um 8:30 Uhr öffnet aber Kundschaft zu diesem Zeitpunkt rundheraus ablehnt. Der Blumenladen hat immer einen fertigen Strauß der Woche für 10 Euro, er heißt Blumenliebe-Strauß, glaube ich, jedenfalls kaufe ich mir den häufig für das Büro. Also für mein Büro, für meinen Raum. Ich sage das, weil es immer wieder bei allen möglichen Leuten für die merkwürdigsten Ideen sorgt, weil sie wohl im Kopf haben, dass man Schnittblumen immer geschenkt bekommen muss. Das ist natürlich Quatsch, man kann sie einfach kaufen, ohne einen Verwendungsnachweis vorzulegen.

So bepackt fuhr ich weiter und weil „die Bewölkung“ sich schon verfrüht auflöste und die scheiß Sonne rauskam, wechselte ich vom Rad in den S-Bahn-Tunnel. Die Bahn war klimatisiert, immerhin. Auf dem Weg zwischen S-Bahn-Station und Büro ist momentan eine Großbaustelle und der Verkehr mit Ampeln so geregelt, dass man zum Überqueren der Kreuzung zweimal unmäßig lang ohne Unterstellmöglichkeit warten muss. Die Bahnfahrenden haben sich daher schon vor geraumer Zeit zur Anarchie entschlossen und wenn die erste Ampel grün wird, gehen wir geschlossen los und diagonal über die Straße, so dass die Autos anhalten müssen. Gestern war ein Verkehrspolizist vor Ort und wollte die Ampel mit dirigierenden Armbewegungen unterstützen, er wurde jedoch nicht beachtet. Heute war er nicht da.

Ich habe keine Erinnerung mehr, was ich im Büro getan habe. Bei diversen Personen musste im Kopf etwas durchsortiert werden, das habe ich unterstützt. Außerdem habe ich viele Arbeitsvorgänge wieder zurückgewiesen, weil sie mir unfertig abgeliefert wurden. Zwischendrin habe ich mit Vergnügen Papierstapel mit Schwung in eine 415-Liter-Tonne geschmissen, bis sie voll war.

Nach dem Büro musste ich unbedingt zum Briefkasten, einen Brief einwerfen, denn vergangenen Donnerstag hing am Auto ein Zettel, dass irgendeine völlig idiotische Person das vordere Kennzeichen beschädigt hat und nun ein Siegel nicht mehr ganz ist und erneuert werden muss, bitte bis 7. August erledigen und von einer Polizei oder Werkstatt etc. bestätigen lassen und Karte zurückschicken. Siegel macht die Zulassungsbehörde, frühester Termin war der 9. August, es war geplant, dass M letzten Freitag mit dem Auto ins Ausland fuhr. Ich schickte das Kind zur Zulassungsbehörde, sich durchquatschen, das gelang, ich musste nun noch die fertige Karte einwerfen, das war heute. Als ich aus dem S-Bahn-Tunnel kam, brannte die Sonne so runter, dass mein Fluchtreflex einsetzte und ich sofort nach Hause fuhr. Nachdem ich das Rad angeschlossen hatte und den Haustürschlüssel aus der Tasche nahm, fiel mir das Kärtchen dann in die Hände, nicht zufällig, ich hatte es genau in Antizipation eines solchen oder ähnlichen Ablaufs genau dort verstaut und konnte in gleißender Sonne noch eine Runde zum Briefkasten drehen.

Zu Hause erledigte ich sehr schnell alles Unabdingbare und sank dann in den Sessel, aus dem komme ich bei diesem Wetter wegen Kreislauf nämlich nicht mehr gut raus. Heute ging es, ich war für das Abendessen zuständig und sah mich nach Sonnenuntergang – schon gegen 21:15, Halleluja! – noch in der Lage, Pellkartoffeln in einem Topf zu kochen und in der Schale mit Kräuterquark aus der Packung zu servieren.

Gleich schalte ich noch die Waschmaschine ein und dann gehe ich schlafen.

(Alles zu WmdedgT wie immer bei Frau Brüllen)