Allgemein

22. November 2023

Heute schleppte ich dann also den ganzen Krempel, den ich zum Arbeiten zu Hause benötigt hatte, zurück ins Büro. Also eine Tasche und noch einen Stoffbeutel voll mit schwerem Zeugs und ich hielt es für eine hervorragend effiziente Idee, gleichzeitig damit drei leere Gemüsekisten, zwei Rewe-Papiertüten voll mit Altpapier, einen großen leeren Pappkarton und einen prall gefüllten Restmüllbeutel zwei Stockwerke hinunterzubalancieren. Zwanzig Minuten überspringen wir, Ergebnis dann: ein top geputztes Treppenhaus und noch viel schlechtere Laune als eh schon (wegen des Geschleppes).

Unterwegs kaufte ich mir zum Trost Blumen, „garantiert 5 Tage nach Kauf haltbar“, ich bin mir da nicht so sicher, ich bin mir aber auch nicht sicher, ob ich am Freitagabend Lust habe, schlappe Blumenleichen zurück in den Laden zu tragen und auf Wiedergutmachung zu pochen. Für 1,99 EUR. Ich halte mir das noch offen, vielleicht bin ich am Freitagabend ja auch in exakt dem richtigen Gemütszustand dafür. Im Büro dann ein Meeting nach dem anderen, das hatte ich eigentlich besser geplant, ich hatte nur drei Personen für heute eingeladen und die anderen drei letzte Woche aber dann wurden die krank und später raus im Jahr wird es bei mir eng, also kamen sie alle heute. Und 5 von den 6 brachten Kuchen mit. Ist das jetzt modern, dass man zu geschäftlichen Terminen Kuchen mitbringt? Ich hatte einiges zu Verteilen hinterher.

Davor, danach, dazwischen Irrsinn. Ich weiß langsam nicht mehr, wie ich mir das erklären soll. Ja, es ist Jahresende. Ja, das Jahr war mies. Ja, es gibt noch einige Termine einzuhalten. Ja, viele sind krank. Muss man da auch noch durchdrehen, das nervt doch nur noch mehr. Kurz vor Feierabend auch noch ein Anruf vom nOC, ich hatte ihm ein Informationsnugget zugeworfen, dazu rief er mich an um mir sehr intensiv, eindringlich und angespannt zu schildern, wie er das alles sieht und wie das alles zu interpretieren ist, gut und schön, nur wusste ich das alles bereits, inklusive seiner Meinung dazu, die ich übrigens auch teile. Ein völlig unnützes Gespräch, das ich nicht einordnen kann außer so, dass es ihm wichtig ist, dass wir in diesem Punkt übereinstimmen und er schlicht nicht weiß, dass mir das alles längst klar ist. Das ist etwas beleidigend.

Frage in der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste heute: „Haben Sie eine Coachingausbildung oder nehmen regelmäßig an Trainings/Coachings teil?“

So ziemlich mit das allerletze, was ich machen möchte, ist Leute coachen. Nicht nur, dass ich dazu überhaupt keine Geduld hätte, ich stelle es mir auch komplett grauenhaft vor. Man muss ihnen endlos zuhören und sich irgendwas zu sagen überlegen, das ihnen dann hilft, sich selbst irgendwie zu sortieren und auf die für sie wesentlichen Punkte zu kommen, was man wieder abwarten bis aussitzen muss und passiert es dann früher (oder vermutlich eher später) und der Fall ist abgeschlossen, wendet man sich der nächsten Person zu und fängt von vorne an. Ich bin schon bei der Vorstellung unendlich genervt. Ich habe dementsprechend keine Coachingausbildung und wüsste auch nicht, wozu ich eine machen sollte.

Ich nehme auch nicht an regelmäßigen Coachings teil und plane das auch nicht, wobei ich mich damit auf Coachings im vermutlich gemeinten Sinne, also bei einer für Coaching ausgebildeten Person mit entsprechender Vorgehensweise und gegen Bezahlung, beziehe.

Hier möchte ich etwas mehr differenzieren: den Nutzen, meine eigenen Meinungen, Haltung, Vorgehensweisen – auch gerade beruflich – mal von jemand anders ansehen und mit mir besprechen zu lassen, halte ich für absolut sinnvoll. Also eine Art Executive Coaching, vielleicht eher ein Sparring, also eine Person, mit der ich über meine Strategien offen sprechen kann und die von meiner Reaktion nichts zu befürchten hat und mir deshalb gut sagen, was sie von mir und meinen Ideen hält. Mir dafür eine einzelne Person zu suchen, über die ich erst einmal nichts weiß, sehe ich einfach nicht. Vielleicht ist sie gar nicht richtig schlau oder denkt mir zu langsam oder zu festgefahren oder ist mir nicht robust genug. Wenn so ein Austausch nicht auf Augenhöhe stattfinden kann, funktioniert das ja nicht.

Aus diesem Grund habe ich solchen Austausch mit Freundinnen, also nicht nur nebenher sondern klar angekündigt als „Fallbesprechung“ oder Feebackwunsch, AITA, oder was auch immer. Das hat den großen Vorteil, dass ich die Gesamtumstände gar nicht erst erklären muss, die kennen sie ja schon. Alle meine Freundinnen sind schlau, denken schnell und offen und sind robust, keine von ihnen zögert, mir zu sagen, wenn ich Bullshit rede. Das zusätzlich Wunderbare ist, dass sie alle völlig unterschiedlich sind und deshalb in ganz unterschiedlichen Momenten finden, dass komplett falsch liege. Irgendeine kritisiert immer, natürlich immer mit guten Argumenten, das macht meine Entscheidungen stabiler, weil ich diese Argumente dagegen schon einmal mitdenken kann.

21. November 2023

Im beruflichen Kontext bin ich heute so vielen völlig bizarren Situationen begegnet, dass ich mir am Ende des Tages (nicht als Redewendung sondern rein als Zeitbegriff gemeint) die Frage stellte, ob ich möglicherweise gerade ein Testverfahren in Bezug auf meine Urteilsfähigkeit durchlaufe. Es wäre dann allerdings ein sehr einfacher Test.

Ansonsten war der Tag eher ruhig. Der Patientin geht es etwas besser, die Kontrolle verlief positiv, sie hat momentan ein Gesicht, das breiter als lang ist aber das geht wohl wieder weg. Es sieht absolut faszinierend aus. Wie ein fremder Mensch. Ich saß die meiste Zeit am Schreibtisch, dazwischen Kühlpack, Suppe, dreimal kam ein Paketdienst. Ich habe die hässlichste Bluse, die ich jemals gesehen habe, bestellt. Auch eine Leistung. Es geschah nicht absichtlich, ich dachte, sie könnte so gerade eben funktionieren mit einem ganz bestimmten Spin, aber leider ging der Spin geradewegs in die andere Richtung und sie ist ein Ausbund an Hässlichkeit. Ich musste sehr lachen.

Ich habe momentan eine Kiste mit Dingen „zu verschenken“ vor der Wohnungstür. Im 2. Stock noch, weil ich noch keine Gelegenheit hatte, sie nach unten zu bringen, ich war immer anderweitig beladen. Erstaunlicherweise gehen die Dinge im 2. Stock vor der Tür aber auch schon gut weg, vielleicht liegt es daran, dass wir über uns jetzt zwei WGs haben. Mit sehr coolen jungen Leuten allerdings, ich hätte nicht gedacht, dass sie sich für meine abgelegten Handtaschen und Rucksäcke interessieren, aber so ist es wohl. Auch ein Paketbote griff zu, bei den Kindertaschen.

Es ist auch Zeit für ein Fingernagel-Accountability-Update: rechts drei gesplittert, links zwei. Keiner abgekaut. Dezentes Hurra.

Auf dem Rückweg vom Kontrolltermin gingen M und ich noch in einen Wollladen, Handarbeitsladen, ich weiß nicht, wie solche Geschäfte heißen, es gibt da alles Mögliche in Bezug auf Handarbeiten und auch fertige Produkte, die aber alle Unikate sind. M wollte Wolle kaufen, wurde auch freundlich beraten, an einem Holztisch saß eine Gruppe Frauen mit Heißgetränk, die man bei NYT Connections alle anhand bestimmter Kleidungsmerkmale hätte zu einer Gruppe zusammenfügen können und sie reagierten weder auf unseren Gruß beim Hereinkommen noch beim Herausgehen. „Was ist mit denen?“, fragte M als wir vor der Tür standen. „Weiß ich nicht, aber wir können wieder reingehen und sie uns vertraut machen, die stärkste Energie im Raum bestimmt die Energie im Raum“ bot ich predigend an. „Ich will wieder ins Bett“, sagte M. So wurde es gemacht. M zurück ins Bett, ich zurück an den Schreibtisch.

Die Frage in der unverbindlichen Contentvorschlagliste ist heute nicht so einfach: „>Diesen Teil der Empathie übe und baue ich auch seit Anfang 2021 weiter aus, weil sie ja ein sehr nützliches Handwerkszeug ist.< Weshalb gerade seit Anfang 2021? Und wie darf man sich dieses Üben vorstellen?“

Die Frage bezieht sich – ich habe das gegoogelt, kein Witz! – auf einen Post von mir im April dieses Jahres.

Gehen Sie mal gedanklich zurück zu Anfang 2021. Ab März 2020 hatten wir Pandemie mit viel Häuslichkeit und wenige Kontakte zu haben war eine Tugend. Kleiner Exkurs: ich bin davon überzeugt, dass diese Phase der Zurückgezogenheit, in der wir uns nur mit Personen getroffen haben, die uns wichtig waren, die wir gern hatten, unsere „Bubble“, uns einen großen Teil der Übung darin, uns auseinanderzusetzen mit dem, was wir eben nicht mögen und einen großen Teil der Übung im Diskurs abgekauft hat. Ohne Zweifel ist es nett, sich nur mit den Menschen zu befassen, die man mag. Ich glaube aber, das ist nicht, wie eine Gesellschaft funktionieren kann. Das ist aber ein anderes Thema, können wir gerne ein andermal diskutieren.

Zurück zu Anfang 2021, wir saßen immer noch oder schon wieder zu Hause, meine berufliche Kommunikation – in der man sich z.B. nicht die Menschen um einen herum aussuchen kann – wurde für mich immer herausfordernder, ich hatte den Eindruck, alle Emotionen schlagen immer höher, gleichzeitig verlief vieles schriftlich und was steht, das steht und es gab außerdem in meiner Rolle besonders viel Anlass, größeren Gruppen Mitteilungen zu machen, idealerweise in einer Form, in der es nicht danach eine große Explosion und Vernichtung gibt. Ich beriet mich deshalb mit den Internetdamen des virtuellen Büros häufig über die Frage, wie diese Kommunikation besser gelingen kann. Und fast immer landeten wir beim Thema „Empathie“.

Wie schon im Ursprungspost gesagt ist es nicht so, dass ich die Gefühle und Situationen anderer nicht gut erkennen könnte. Ich hatte nur signifikant unterschätzt, wie sehr die meisten Personen ihre Entscheidungen durch Emotionen leiten lassen, sogar, wenn es für sie selbst nachteilig ist. Weil das bei mir häufig anders ist und ich deshalb auch nicht so sehr darauf reagiere, wenn meine Emotionen anerkannt oder adressiert werden. So habe ich kein gutes Vokabular für solche Reaktionen, keine geübten Formulierungen, weil das alles nie in mir Resonanz erzeugt hat und damit nie hängen geblieben ist. Zusammenfassend könnte man sagen, ich kenne die zugehörigen Konventionen der empathisch-zugewandten Reaktion nicht.

Bzw. ich kannte sie nicht, ich übe ja schon eine Weile. Wie sieht das Üben also aus? Zunächst mal beobachte ich, wie andere sich verhalten. Wie reagieren sie, wenn sie z.B. den Schmerz einer dritten Person erkennen, welche Worte, welche Gesten verwenden sie und wie wird das angenommen, welche Reaktion folgt darauf wieder. Ich schreibe mir Sätze, Formulierungen, Gesten auf, die in einer Situation besonders wirksam. Mag für Sie lächerlich klingen; ich lerne das wie Vokabeln (weil ich es für nützlich und auch weil ich es für richtig halte), ich schaffe mir also zunächst einmal ein künstliches, ein erlerntes Repertoire. Das allein ist natürlich noch nicht das Ende des Weges, denn ich habe erst einmal nur bei Platitüden und Worthülsen, das mag in flüchtigen Kontexten hilfreich sein aber nachhaltig überzeugend und zeitbeständig ist das nicht.

Mittlerweile bin ich an einem Punkt, an dem ich betrachten kann, welche Handlungsweisen in mir selbst Resonanz erzeugen und habe ein besseres Gefühl für Möglichkeiten der Reaktion, die angemessen sind und gleichzeitig aus mir kommen und in meinem ganz eigenen Gesamtkontext auch Sinn ergeben, für die ich mich nicht verbiegen muss. Kurz gesagt, die aufrichtig sind und damit eine Haltung ergeben.

20. November 2023

Stressiger Tag. Das aus meinem Mund, ich bin üblicherweise nie gestresst. Ich musste früh aufstehen, um M zum Frühstücken zu bringen (wir frühstücken alle nicht, also außer am Wochenende gegen 11/12 Uhr), es gelang nicht, ich konnte aber Tee mit Zucker in sie hineinbringen. Das war mir wichtig, denn um 9 Uhr stand Weisheitszahnextraktion auf dem Programm, das ging sehr schnell, schon um 9:45 Uhr spazierte ich mit einem leicht tattrigen Kind zur Apotheke und dann nach Hause.

Meine Aufgabe war ab da 24 Stunden lang a) Überwachung des Kindes (von ärztlicher Seite angeordnet) und b) verwöhnen des Kindes (von ihrer Seite angeordnet). Mein Plan war, von zu Hause zu arbeiten, zunächst kollidierten diese Pläne nicht, weil der Rechner sowieso eine Milliarde Updates zog und was soll ich da zu Hause nebenher machen? Im Büro hätte ich anderen Gespräche aufzwingen können. Das Kind mit -4 Zähnen war nicht in Plauderlaune.

Gegen Mittaq war ich dann endlich startklar aber schon zu diesem Zeitpunkt leicht angestrengt. Kaum hatte ich mich fertig eingeloggt wurde mir auch schon per WhatsApp „Hunger“ gemeldet, ich bereitete Bananenshake zu. Alle halbe Stunde waren die Kühlpacks zu wechseln. Jemand für Herrn N rief an, Herr N. war nicht da, ich musste eine Nachricht aufnehmen. Kühlpack. Ein Nachbar klingelte um zu fragen, ob ich die Sachen, an denen „zu verschenken“ steht wirklich verschenken will. Kühlpack. Eine Lebensmittellieferung kam. Kühlpack. M verlangte nach Grießbrei, Kühlpack, dann nach Wasser, Kühlpack, dann nach gesüßtem Tee, Kühpack. Ich hatte 3 verdammte Schulungen und zu keiner einzigen kam ich pünktlich. Kühlpack. Die Katze schrie mich an wegen Futter. Kühlpack. Tomatensuppe wurde verlangt. Kühpack. Gegen 19 Uhr war ich durch alle Mails einmal durch. Kühlpack. Um 20 Uhr war Feierabend. Kühlpack.

Was ich heute gemacht habe, außer den drei Schulungen, könnte ich nicht sagen. Unverhältnismäßig lang habe ich über meine Antwort auf eine Mail nachgedacht, nein, über drei ganz unterschiedliche sogar unverhältnismäßig lang, ich glaube, heute war der Tag der schwierigen Formulierungen. Die erste Antwort ist die auf eine Mail, in der mich wer tritt, den ich nicht zurücktreten will. Die zweite Antwort ist eine, die mir nicht zusteht, die ich aber kenne und auf der schweigend zu sitzen möglich ist, aber widersinnig. Die dritte Antwort schafft einen neuen Ablauf, eine neue Verantwortlichkeit, was von mir absolut nicht gewünscht ist aber auch nicht vermeidbar, die Empfänger werden vermutlich darauf anstoßen. Und ich hasse es, wenn ich schon so kapitulieren muss, dann zumindest mit den richtigen Worten (klar und nüchtern und nichts Überflüssiges). Kühlpack.

Pizza bestellt, der Bote mit Blick auf mich „Ah, du läufst neue Docs ein.“ Ich: „Ja, es ist die Jahreszeit.“ Er: (nickt wissend)

Die heutige Frage in der unverbindlichen Contentvorschlagliste verblüfft mich: „Aufmerksamkeit wie ein Eichhörnchen oder stark fokussiert? alternativ: Deutsche Bahn“

Ich habe den Zusammenhang zwischen meiner Aufmerksamkeit und der Deutschen Bahn bisher noch nicht gefunden, wir können aber noch entspannt abwarten, vielleicht kommt das beim Schreiben, es wird noch ca. 5 Minuten andauern, so lange haben wir noch, ihn zu entdecken.

Wir können das „oder“ jedenfalls schon einmal aus der Frage streichen. Ich kann beides liefern. Ich kann mich fast immer, wenn ich will, in einen tiefen ausdauernden Flow begeben, in dem Dinge möglich werden, die bis dahin eher nicht machbar schienen. Ich stelle mir dann öfters einen Wecker, weil ich sonst nicht mehr gut herausfinde. Ich kann mit diesem Flow auch in Gespräche gehen, das ist dann meist sehr intensiv und wird nicht immer vom Gegenüber geschätzt.

Wenn ich das nicht mache, habe ich die Aufmerksamkeitsspanne eines Eichhörnchens. Es gibt ja so viele interessante Dinge, es schadet nicht, sich mit allen im schnellen Wechsel immer ein bisschen zu beschäftigen, quasi von Ast zu Ast zu hüpfen und immer mal eine vorher fallengelassene Nuss wiederzufinden. Das macht mir Freude, Sie sollten sich mich als glückliches Eichhörnchen vorstellen. Ein Bruchteil meiner Aufmerksamkeit reicht für die meisten Dinge sowieso aus, wie gesagt ist meine volle, ungeteilte Aufmerksamkeit selten willkommen.

Ein Mittelding habe ich nicht so richtig. Könnte das die Deutsche Bahn sein? Es tut mir sehr leid, ich sehe den Zusammenhang nach wie vor nicht. Ich finde Zugfahren an sich eine unglaublich schlaue und gut durchdachte Sache und halte gleichzeitig die Deutsche Bahn für ein Konstrukt des Grauens. In jedem Aufmerksamkeitszustand.

19. November 2023

Ha! Ich wachte heute morgen zu 80 % wieder fit (körperlich und geistig) auf und konnte mich über den Tag auf 95 % steigern. Vorhin habe ich mich auch getraut, die Abbuchungen von Mittwochnacht auf der Kreditkarte durchzuschauen und außer der von einem Bubble-Tea-Laden, an dessen Besuch ich mich nicht erinnern kann, war nichts weiter Überraschendes dabei. Was ein wunderbares q.e.d. ist, war doch das Ziel der ganzen Aktion, den Beweis zu führen, dass ich rotzbesoffen derselbe Mensch bin wie nüchtern, ohne Kontrolle derselbe Mensch wie mit. Bubble Tea, pah, das ist nun wirklich kein dunkles Geheimnis.

Heute war viel zu tun. Wenn so ein Privathaushalt 1,5 Wochen brach liegt wegen Urlaub, dann Krankheit, dann kurz Selbstzerstörung und dann wieder zwei Reisen bleibt viel liegen. Zunächst mal Wäsche und mit Wäsche ging einher: Kleiderschrank sortieren. 2 Umzugskartons voll Zeug sind seit eben weg (bzw. nicht weg, sie stehen bereit, damit Violinista sie durchschauen kann aber für mich sind sie weg). Ich war etwas unsicher, ob die Entscheidungsfreude am Wetter liegt oder ob ich möglicherweise doch noch leicht unzurechnungsfähig bin. Es wird sich zeigen.

Weitere Kleidungsangelegenheiten: Erste Einlaufversuche der neuen Docs (irgendwer sagte neulich, das wäre heutzutage nicht mehr so, nunja, ich denke, das ist gelogen) und Umräumen des Schuhregals von Halbschuhen auf Stiefeletten.

Darüber hinaus gibt es so viel zu tun, das ich es erst einmal sortieren musste. Davon ausgehend stimmte ich CucinaCasalinga zu, dass wir uns wieder regelmäßig zu „Stapel des Grauens“-Terminen treffen sollten. Es ist zwar bislang wirklich nur ein Stapel und nicht, wie beim letzten Mal, zwei übervolle Wäschekörbe mit teilweise ungeöffneter Post unter dem Bett, aber da möchte ich ja auch nicht mehr hin.

M buk mit Besuch Cookies, ich erfrug routiniert ob „mit“ oder „ohne“, die jungen Erwachsenen verstanden die Frage nicht. Jugend vergisst offenbar noch schneller als Alter. Später gab es gutes 3-Komponenten-Sonntagsessen (Wirsing, Kartoffeln, vegane Frikadellen). Der Wirsingkopf war irgendwie zu klein, ich bin noch hungrig.

Die nächsten 2 Tage ist Launearlarm, ich muss von zu Hause arbeiten.

(In der täglichen Contentvorschlagliste wird für heute kein Thema angereicht.)

18. November 2023

Sehr lustig, die Frage in der unverbindlichen Contentvorschlagliste heute. Sie lautet: „Sekt oder Selters“. Ich habe keine Ahnung, ob das schon lange da steht oder eine kürzliche Ergänzung ist, meine Antwort ist hier ausnahmsweise einmal ganz eindeutig: Ich flehe Sie an, Selters bitte.

Ich bin immer noch erledigt. Körperlich müde und im Kopf, in den Gedanken, irgendwie wund. Völlig unfassbar und auch irgendwie unverschämt. Liegt es am Alter oder an der Intensität, mit der ich mich Mittwochnacht zerlegt habe? Bitte nicht antworten.

Jedenfalls wachte ich nach weiteren 8 Stunden tiefem Schlaf auf, dieses Mal mit wilden Träumen, in die Fetzen der besagten Nacht eingeflochten waren: wir haben viele Menschen kennengelernt. Länger mit einem Dealer gesprochen (kein Verkaufsgespräch), mit einem Mann, der eigentlich nach Puerto Rico ausgewandert war aber an diesem Abend zurückkam, um am nächsten Tag nach Ostdeutschland weiterzureisen zu seinem besten Schulfreund, der im Sterben liegt (haben uns zu dritt umarmt und alle geweint), aus Gründen, die ich nicht mehr nachvollziehen kann, waren wir auch mit zwei jüngeren Frauen in einem Taxi unterwegs und haben später in einem Imbiss versehentlich die Bestellung von ein paar Jungs in Jogginganzügen aufgegessen, also kamen wir mit denen auch noch ins Gespräch. All das kam im Traum wieder hoch, es gibt für mich wohl noch eine Menge zu verarbeiten.

Der Wecker klingelte um 7 Uhr, denn ich fuhr Papa N. besuchen. Er ist ganz hervorragender Stimmung. Seit einiger Zeit hat er mittags keinen Appetit mehr auf „richtiges Essen“, auf Dessert aber schon, habe ich schon länger beobachtet und heute hat ihn das Thema Mittagessen deutlich gestresst. So haben wir nun besprochen, dass man mit 86 absolut essen kann, was man will, zu jeder Tages- und Nachtzeit und dass es überhaupt keinen Grund gibt, die Hauptmahlzeit zu essen, wenn man lieber zwei Teller Dessert möchte. Papa N. liebt Rotweincreme, Quarkspeise und Grießbrei. Davon wird man ja auch gut satt.

Später versuchte ich, ein Geburtstagsgeschenk für meine Schwester einzukaufen. Sie hat einen runden Geburtstag, möchte nichts Gegenständliches, mag aber Thai-Massage, also fand ich es eine gute Idee, in dem Salon in ihrer Nähe einen Gutschein zu kaufen. Das war viel schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte. Sie geht da ja häufiger hin, also dachte ich, ich kann ihren Namen nennen oder ein Foto von ihr zeigen, dann wissen die Leute im Salon, um wen es geht und was diese Person gerne bucht. Das hat aber nicht funktioniert, vielleicht geht sie doch nicht so oft hin, wie ich dachte. Also wollte ich einfach einen Gutschein, der das teuerste Produkt abdeckt, dann ist man ja auf der sicheren Seite. Das teuerste Produkt war „2 Stunden 4-Hand-Massage“. Ganz ehrlich, direkt nach Sekt das letzte, was ich wollen würde, ist ja, zwei Stunden lang von zwei Personen massiert zu werden. Ich fragte also nach, ob das ein gängiger Wunsch sei, ob viele Personen diese Massage buchen. „Nein, nie!“, sagte die Dame im Salon. Am zweitteuersten war „Hot Stone 120 Minuten“. Hot Stone mag aber auch „fast niemand“, wie mir gesagt wurde. Nicht besonders geschäftstüchtig, dieser Salon, scheint mir. Ich habe mir jetzt beholfen und einen Prospekt mitgenommen, dazu schreibe ich dann „such dir was aus, das dir gefällt“ und dann rufe ich vor dem Termin den Salon an, die haben es sowieso am Liebsten, wenn man mit Paypal zahlt und das geht ja von überall.

Ansonsten war ich viel in Zügen und an Bahnhöfen unterwegs und machte mich nützlich: ich wischte einem Geschäftsreisenden den umgeschütteten Kaffee von Koffer und Schuhen, mit den Feuchttüchern, die Joriste mir empfohlen hatte, als ich selbst Kaffee auf der Handtasche hatte, also mit den Resten davon, dann kaufte ich mehreren hungrigen Personen Frühstück und erklärte der Kassiererin bei Starbucks, wie man Gutscheine in die Kasse eingibt.

Und jetzt bin ich schon wieder müde und gedankenwund, es ist wirklich sehr nervig.

17. November 2023

Ich fühle mich ein wenig betrogen. Den ganzen Tag gestern dachte ich in Momenten, in denen das Adrenalin kurz nachließ und es mir wirklich grottig schlecht ging: „Ach, aber wie absolut hervorragend wird es mir morgen gehen, das wird toll, gerade der Kontrast, ich werde morgen früh aufwachen und topfit sein und mich wegen des Kontrasts zu heute doppelt fit fühlen und es wird vermutlich für alle anderen komplett unerträglich sein, wie wunderbar ich mich fühle.“

Mit diesem Gedanken schlief ich gegen 23 Uhr ein, ich hatte noch einen Schal um den Hals aber absolut keine Energie mehr, ihn abzulegen und die Zahnbürste, die ich kurz auf dem Bett abgelegt hatte, konnte ich auch nicht mehr wegräumen, es ging einfach nicht, von morgens 7 bis Abends 23 Uhr hatte ich Energie rausgepowert ohne Ende und da waren dann eben alle Reserven leer. Ich schlief also ein und wachte 8 Stunden später vom Wecker auf. Joah. Ich konnte problemlos aufstehen, hätte aber auch gut noch weiterschlafen können. Die der große Felsen auf dem Kopf war weg, das Adrenalin war aber auch weg. Sehr ernüchternd.

Später am Tag fand ich mein Fahrrad wieder. Das hatte ich Mittwochvormittag irgendwo abgestellt und vergessen, wo genau, bei meinen eiligen Pendelfahrten am Donnerstag hatte ich es nicht gesehen. Jetzt weiß ich auch warum, mittlerweile wurde ein Weihnachtsmark darum herum aufgebaut und es ist irgendwie eingezäumt. Ich hätte es gern befreit, konnte aber den Schlüssel in meiner Handtasche nicht finden, also wird es noch mindestens einen weiteren Tag hinter dem Zaun verbringen müssen. Den Schlüssel entdeckte ich vorhin auf dem Küchentisch in der Obstschale. Ist das also auch geklärt.

Die Frage aus der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste heute ist: „Wenn sie einen neuen Bereich übernehmen, wie gehen Sie bei der Neu-Organisation vor?“

Das kann ich so pauschal wirklich nicht sagen, es kommt völlig auf den Einzelfall an, auf den Anlass, die Problemstellung, auf die Möglichkeiten und so weiter. Einzig immer gleich ist, dass ich die Aufgaben des Bereichs erst einmal richtig verstehen muss. Ich organisiere meist um, um Abläufe einfacher, schneller oder sicherer zu machen. Dazu muss ich die Abläufe zunächst verstehen und einordnen können und was ich dann mache, hängt von diesem Verständnis ab.

Weil das so kurz war, kommen die Themen von vorgestern und gestern gleich noch hinterher, wobei das von gestern redundant ist, es lautet „Kraulschwimmen“ und dazu habe ich schon eine ganze Serie geschrieben. Ich gehe nicht mehr regelmäßig schwimmen, habe aber herausgefunden: wenn man einmal richtig Kraulschwimmen kann, verlernt man es nicht mehr. Nur die Kondition geht verloren, natürlich.

Das Thema von vorgestern ist: „wie gut sollte man sich selber kennen und wie merkt man, ob das der fall ist?“

Generell halte ich es für hilfreich zu verstehen, was man so für Zaunpfähle im Kopf hat, also: was einen selbst bei Entscheidungen leitet. Dann kann man immer mal kurz überlegen, ob das gerade zuträgliche Mechanismen sind oder ob es sich lohnt, sie beiseite zu legen. Wir sind ja nicht verpflichtet, immer denselben Mechanismen zu folgen, wir haben das Recht uns zu ändern, auch in unseren Haltungen.

Anzeichen, dass Personen gerade keine gute Verbindung zu sich selbst haben, sind für mich Gerede, auf das nichts folgt, Rechtfertigungen und das Wegreden von eigenen Fehlern/Fehlentscheidungen. Wenn ich mit mir im Einklang bin, sind meine Worte nicht beliebig, ich bin von meinen Handlungen überzeugt und Fehler wurden in der Annahme gemacht, die bestmögliche Entscheidung unter den aktuellen Gegebenheiten zu treffen, es ist also eher interessant, zu schauen, ob Informationen, die eigentlich vorhanden waren, mir fehlten und falls ja, aus welchem Grund, als den Fehler unter den Teppich zu schieben.

16. November 2023

Hui. Ich habe zwei Tage quasi ineinander übergehen lassen, beim Tippen weiß ich schon nicht, ob das Bild taugt, mein Gehirn funktioniert momentan nicht so verlässlich wie üblich. Was ich meine ist: Ich kam letzte Nacht um 3:56 Uhr zu Hause an, was ich nur weiß, weil es von der GoogleMaps-Statistik erfasst wurde, ich ging zu Bett, als eine 4 vorn auf der Uhr war (den Rest konnte ich nicht entziffern, weil weder Konzentration noch Fokus dafür ausreichten) und ich gerade am Küchentisch sitzend mit dem Kopf auf einem Wasserglas aufgewacht war, dann klingelte um 7 Uhr der Wecker, um 8 war hatte ich dreimal den linken Schuh verfehlt und mich in Folge von dem Gedanken verabschiedet, wegen des DB-Streiks mit dem Auto ins Büro zu fahren, daher spazierte ich 20 Minuten ans andere Ende der Stadt, fuhr mit Straßenbahn und U-Bahn auf insgesamt eine Stunde ins Büro und war so pünktlich für ein Meeting um 10 Uhr anwesend, geistig und körperlich.

Danach war mir sehr flau mit Kopfschmerzen, ich traf Gegenmaßnahmen mit Apfelsaftschorle und gesüßtem Tee, arbeitete noch ein paar dringende Themen fertig und traf mich dann außerhalb mit Fragmente zum Kaffee. Fragmente trank eine Kaffeespezialität mit Pistaziencreme, das Glas wurde, um es schön zu machen, mit der Creme drin mehrere Male drehend in die Luft geworfen, das war sehr spannend anzuschauen! Ich traute mir einen Capuccino zu und ein streichholzschachtelgroßes Stück von Fragmentes Pizza, dazu bot sie mir ein Medikament gegen Übelkeit an, das aber wohl auch müde macht. Müde war ich schon im Übermaß, also verzichtete ich.

Um 15 Uhr machte ich mich auf den Heimweg, weil ich um 16 Uhr mit Gepäck von Schanuf zu Hause abgeholt wurde. Dieses Mal ging die Reise durch den Streik nicht gut, ich stieg am Südbahnhof in ein Taxi um, das stand dann aber im Stau, die Fahrerin fragte, wo ich herkäme und auf meine verwunderte Anwort „Vom Südbahnhof, da wo ich eingestiegen bin?!“ erklärte sie, ich sähe weit gereist aus. „Ich hatte eine harte Nacht“, antwortete ich, die Fahrerin war interessiert und bat um Bericht, nach zwei Minuten sagte sie resolut „ich nehme jetzt die Busspur, dann sind Sie schneller zu Hause!“. Das war lustig. So ging alles noch auf, ich rannte die Treppe hoch, warf die eine Tasche ab, nahm die andere Tasche auf und lief wieder hinunter ins Auto zu Schanuf. Drei Stunden lang quälten wir uns durch den Stau nach Kassel, ich hatte eine Stabilisierungsbanane dabei und das flaue Gefühl wich. Als wir am Ziel ankamen, hatte ich unfassbaren Hunger und aß im Restaurant in lockerer Folge Brot mit Aioli, Tomaten-Mozzarella-Salat, Oliven, Ahle Wurscht mit saurer Gurke und Schweinemedaillons mit Kroketten. Dazu trank ich Spezi.

Ich gaube, jetzt kann ich gut schlafen.

14. November 2023

Hui, wo ist der Tag? Gerade hab ich noch meinen Morgentee auf dem Balkon getrunken (bei Nieselregen, barfuß, sehr angenehm!), schon sitze ich wieder im Sessel, dazwischen lag ein Arbeitstag, bei dem mir die Begriffe „unglücklich“ und „misslich“ nur so um die Ohren flogen und danach war ich einkaufen, hab gekocht, die 3. Maschine Wäsche läuft, ich habe mit M Brownies gebacken und hatte Event mit Frau Herzbruch, dabei die Zugfahrt für die nächste Wien-Reise finalisiert, zwei Rücksendungen von Pailettendingen veranlasst, zwei Oberteile für zur bei mir verbleibenden Paillettenhose bestellt und über passende Schuhe nachgedacht. Chucks gehen zur Paillettenhose ja eher nicht, nebenher zur Kenntnis genommen, dass die Bahn wieder einmal bestreikt wird, meine Güte, wie die mir auf die Nerven gehen, exakt seit 1992 ärgere ich mich quasi unablässig über die Bahn und ich bin da noch nicht zur Akzeptanz bereit. Akzeptanz liegt mir generell nicht so. Kennen Sie das, so Horrorfilme, wo eine Hand aus einem Grab noch nach irgendwem angelt und ihn zu Fall bringt? Das wäre ich.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste – ich muss „Thema“ sagen, es ist ja meist gar keine Fragen – lautet: „Schluss mit lustig“

Nein, natürlich nicht Schluss mit lustig. Warum denn, was könnte besser sein, als Spaß zu haben? Wir haben in der Familie, also Herr N., M und ich, eine Redewendung, die lautet „Das war genug Spaß für heute!“. Die entstand, als M und ihre Freund*innen ca. 14, 15 Jahre alt waren. Ich bin ja schon immer der Ansicht, dass Kinder genauso ein Recht haben, ihre Freizeit selbst zu gestalten, wie Erwachsene. Also wenn alle notwendigen Programmpunkte (Hausaufgaben, Mahlzeiten, Termine, familiäre Verpflichtungen) erledigt sind, können sie spielen, was sie wollen und die Idee, diese Spiele müssten irgendwie sinnvoll sein, draußen stattfinden oder ohne Strom funktionieren finde ich komplett absurd. Jedenfalls, als M ca. 15 Jahre alt war, wollte der Freundeskreis sich treffen, es war ein Wochenendtag, M und die anderen gingen zur gemeinsamen Freundin E, um sie abzuholen. E war auch zu Hause, sie war in ihrem Zimmer und las ein Buch. Die Clique klingelte und fragte, ob E rauskäme, das wurde aber verneint, es gab natürlich zwischen E und den Eltern eine Diskussion und in diesem Zusammenhang sagte der Vater „Nein E, du hast Dich heute morgen schon mit Freunden getroffen, das war genug Spaß für heute!“

Seitdem sagen wir hier in der Familie „Das war genug Spaß für heute!“ in völlig abwegigen Zusammenhängen. Wenn ich beispielsweise M frage, ob sie mir mir Brownies machen will, M dann sagt, dass sie noch eine Präsentation fertigmachen muss, dann könnte ich gut sagen „was, Präsi, du warst doch heute morgen schon in der Schule, das war genug Spaß für heute!“ Und dann würde M mit mir Brownies backen, so wie heute.

13. November 2023

Heute früh im Supermarkt habe ich Cassis-Kaugummi gekauft, aus Neugier, nicht aus Neugier in Bezug auf den Kaugummi sondern in Bezug auf das Leben.

Es war so, ich stand an der Kasse, meine Ware lag auf dem Band, vor mir hampelte noch aber eine Regaleinräumperson und sortierte die Quengelware durch, ein paar Dinge fielen um, sie räumte sie wieder weg, sprang dann rechtzeitig zu meinem Bezahlvorgang aus dem Weg und ich sah, dass der Kassierer diesen Cassis-Kaugummi mit über das Band gezogen hatte. „Hm, den wollte ich gar nicht, ich glaube, der ist runtergefallen“, sagte ich. Der Kassierer bot an, zu stornieren, reflexartig hatte ich aber schon meine Karte an das Lesegerät gehalten, der Kassierer bot natürlich an, „den Stornoschlüssel“ kommen zu lassen, Horrorszenario „den Stornoschlüssel kommen lassen“, das geht ja nie ohne mehrfaches Klingeln, lange Schlangebildung und Personen im Stechschritt mit tadelndem Blick einher, ich überlegte deshalb ganz schnell um und sagte „egal, ich nehme das, wenn einem was vor die Füße fällt, sollte man zugreifen, wer weiß, was sich daraus entwickelt!“ Der Kassierer war verwirrt aber auch erleichtert. Seitdem warte ich. Bisher ist nichts außergewöhnliches passiert bis auf, dass ich mir im Büro Früchtetee in die Tastatur gegossen habe. Ich trinke sonst nie Früchtetee, nur jetzt wegen der abklingenden Erkältung, ich fühlte mich irgendwie shitty, Sie kennen das vielleicht, wenn man sich eine Woche lang mit aller Kraft eingeredet hat, dass es einem super geht und dann ist der Tag, an dem das wirklich relevant ist, absolviert und dahinter liegt, nunja, sagen wir eine kleine Befindlichkeitssenke. So war das bei mir heute. Kleine Befindlichkeitssenke, Früchtetee aus Thermobecher, er war viel zu heiß, ich warf ihn um, der Becher schloss nicht richtig, also Früchtetee auf der Tastatur. Ohne Zucker oder sonstige Süßungsmittel, weshalb die IT unbeeindruckt war, sie ausschüttelte und mir zurückgab. Ich warte weiter. Wegen des Kaugummis, falls Sie zwischenzeitlich den Faden verloren haben.

Angereichtes Thema in der täglichen Contentvorschlagliste heute: Macht.

Ich hatte bereits einen kleinen Exkurs über Macht geschrieben – wer nicht aufmerksam war, liest am besten erst einmal nach. Wer dazu keine Lust hat, liest einfach weiter, ich wiederhole das Wesentliche kurz: ich hatte argumentiert, dass Macht notwendig ist, um das eigene Leben zu gestalten und Pläne verwirklichen zu können. Völlig normale Sache.

Nun ist es so, dass wir nicht immer dieselben Pläne haben wie andere, manchmal lassen sich unsere Pläne mit denen anderer noch nicht einmal vereinbaren. Wir nehmen ein ganz einfaches Beispiel aus dem Arbeitsalltag: Sie sitzen in einem Büroraum zu dritt, die Kollegin mit dem besten Arbeitsplatz kündigt, wer von den beiden verbleibenden bekommt den nun? Es gibt ihn halt nur einmal, Sie verbleiben aber zu zweit.

Kommen Sie mir jetzt nicht mit „richtig“ und „falsch“. Die beiden Sachen gibt es in der Regel nicht bzw. immer nur in ihrem eigenen Kopf und in anderen Köpfen ist richtig und falsch was anderes. Eventuell haben Sie sofort gedacht „na die dienstältere natürlich!“ oder sie haben gedacht „na die ältere natürlich!“ oder „na die, in Vollzeit natürlich und die in Teilzeit nicht natürlich!“ oder „na die, die bessere Leistung bringt natürlich!“ oder „na die mit dem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule natürlich!“ oder „na die, die bisher den schlechtesten Platz hatte, als Ausgleich, natürlich!“ oder „na die, die bisher den zweitschlechtesten Platz hatte und die den drittschlechtesten hatte, rückt dann ja auch eins auf, natürlich!“. Natürlich.

Nehmen wir an, die Kollegin bekommt den Platz, die nicht Sie sind. Also die andere. Vielleicht finden Sie das richtig und denken „ja, ich gönne es ihr von Herzen, denn ich mag sie so gern und möchte, dass sie glücklich ist“. Kann schon sein. Wahrscheinlicher finden Sie diese Entwicklung aber enorm schlecht und denken „die kriegt immer, was sie will“, „die wird immer bevorzugt“ oder „die hat wohl wen erpresst“ oder „die ist wohl wem in den Arsch gekrochen“. (Dann sind Sie eine Zeit lang beleidigt und dann haben Sie es irgendwann vergessen und regen sich erst wieder darüber auf, wenn die Kollegin mit dem jetzt besseren Arbeitsplatz etwas anderes macht, was Ihnen nicht gefällt. Oder es fällt Ihnen dann auch nicht mehr ein und Sie reagieren nur unangemessen heftig, weil Sie einen unbewältigten halb vergessenen Groll mit sich herumschleppen.)

Was Sie an der Kollegin, die jetzt den tollen Arbeitsplatz hat, beobachtet haben, ist Macht. Und wenn Sie beim nächsten Mal den schönen Platz wollen, schauen Sie am besten gut hin, wie die Kollegin das bewirkt hat. Wer hat darüber entschieden, wer hat mitgeredet, wie war der Ablauf, wie sind die Verhältnisse der Player zueinander, wie verliefen Gespräche, was gab es noch zu beobachten. Machen Sie sich Notizen, machen Sie Grafiken, machen Sie Soziogramme. Macht kann man verstehen lernen, wie eine Fremdsprache, manchen fällt es leichter, manchen schwerer, Anstrengung gehört immer dazu. Beobachten Sie die Leute, die in Ihrem Alltag mehr Macht als Sie haben. Was machen die und was machen die anders als Sie? Wie verhalten die sich den ganzen Tag, mit wem reden Sie, wie reden Sie, was erscheint Ihnen unerwartet, was vorhersehbar, gibt es Muster, wie sind die Verflechtungen? Die Personen, die eigentlich wie Sie sind, aber irgendwie komischerweise vermeintlich besser wegkommen, sind alle gute Studienobjekte, bessere als Elon Musk oder Putin, die zweifellos auch Macht haben aber auf einer anderen Ebene, da sind Sie (vermutlich) nicht, so dass die in Ihrer eigenen Machtgestaltung eher keine Rolle spielen.

Was Sie sehen werden ist, dass diese Leute aus ihrem Umfeld für Ihre Macht etwas tun. Es reicht nicht, sich zurückzulehnen in der Überzeugung, eben Recht zu haben, die richtige Ansicht zu haben, denn wie wir ja oben schon gesehen haben, gibt es diverse richtige Ansichten. Abwarten, dass Ihr eigenes „richtig“ sich durchsetzt, ist mehr als nur naiv. Wenn Sie Ihr „richtig“ durchsetzen wollen, müssen Sie sich in den Wind stellen, gegen Wände rennen, Klinken putzen. Sie müssen sich sichtbar machen, denn wenn Sie nicht sichtbar sind, können sich andere Ihnen nicht anschließen und sie verlieren wertvolle Zeit damit, irgendwie verdeckt zu ergründen, wer Ihr „richtig“ teilen könnte – absolute Zeitverschwendung. Sie müssen reden und Ihr „richtig“ erklären, immer wieder, sie müssen positiv wirken, auch wenn Sie sich scheiße fühlen, Sie müssen Verbindungen zu Personen, die Ihr „richtig“ teilen, finden und halten, auch wenn sie sie eventuell persönlich überhaupt nicht leiden können, Sie müssen Ihr „richtig“ attraktiv machen und Sie müssen für das alles bezahlen, mit Ihrer Zeit, Ihrer Aufmerksamkeit, mit Ihren Nerven, oft müssen Sie sich auch entscheiden, welches Ihrer diversen „richtigs“ Sie verfolgen wollen, weil Sie oft nicht dieselben Personen für mehrere Ihrer Ziele mobilisieren können, manche müssen Sie also über Bord werfen, Ziele oder auch Personen, für beides bezahlen Sie und was das ist. mit dem Sie bezahlen, liegt in Ihrer eigenen Natur, bei manchen ist es Nachtschlaf, bei anderen Appetit, bei mir sind es unter anderem Fingernägel.

Und Sie brauchen jetzt nicht zu erwähnen, dass ja manche Personen durch ihre Position Macht haben. Die Position an sich ist nicht so relevant, klar können Sie jemandem einen schönen Titel geben, der Autorität verleiht, ohne Substanz dahinter wird jedoch von kurzer Dauer sein, denn Macht muss kontinuierlich gelebt, poliert, ausgerichtet, immer wieder unterfüttert werden. Sie ist nämlich etwas Fluides, sie muss ja, wie schon erwähnt, immer wieder zugestanden werden, sonst ist sie gar nicht da. Wir alle kennen solche zahńlosen Tiger als Vorgesetzte, die einen Titel, ein Amt haben, aber nichts gestalten. Wenn Sie einen sehen, so einen König Théoden, schauen Sie sich ein bisschen weiter um und finden Sie heraus: wer ist die Person, die in Wirklichkeit die Entscheidungen trifft, wo ist Gríma Schlangenzunge? Wie verlaufen die Fäden? 

Genauso wenig wie aus einem Titel hat auch niemand Macht rein aus sich, aus der Natur, aus der eigenen Persönlichkeit heraus. Denn, ich sage es noch einmal, Macht muss zuerkannt werden. Macht haben wir nicht, während wir allein auf dem Klo sitzen, Macht haben wir immer nur vor anderen. Wenn wir Macht zuerkannt bekommen wollen, ist es eine oft genutzte Möglichkeit, uns so zu positionieren, dass es für andere sehr leicht ist, uns Macht zuzugestehen. Fragmente hat das kürzlich sehr schön und romantisierend beschrieben, sie sieht sich einer Person gegenüber, der sie Macht zugesteht und nimmt diese Macht als warm, verführerisch oder berauschend wahr. Diese Macht macht unterschwellig ein Angebot, wie eine Versprechung, vielleicht Anerkennung, Gemeinsamkeit, Coolness, im weitesten Sinne Liebe. Super, wenn das so funktioniert, dass man beim Scheitern der Beziehung in einem Status verzückter Bewunderung die Kehle durchgebissen bekommt, besser kann es ja kaum sein. Ich meine das völlig unironisch. Die Ideen und Ziele einer Person, die so liefert, trägt man gerne mit und wenn das Ende bitter ist, so war der Weg doch schön. Es ist eine hervorragende Dienstleistung, man möchte ja für Profis arbeiten, nicht für Deppen. Schauen Sie, wie es bei Ihnen läuft. Schauen Sie, worauf Sie selbst reagieren. Schauen Sie, worauf andere reagieren und wie es ihnen von denjenigen, die Macht ausüben, angeboten wird. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, diejenigen, die Macht ausüben, haben das verstanden. Lassen Sie sich etwas bieten für die Macht, die Sie zuerkennen!

Jetzt gehen wir nochmal zurück nach oben. Macht ist notwendig, um das eigene Leben zu gestalten und Pläne verwirklichen zu können. Bisher haben wir hauptsächlich auf Machtstrategien geschaut, die offensiv, die souverän wirken. Natürlich können wir auch ganz anders vorgehen und z.B. über Angst Macht ausüben. Haben Sie Leute im Team, die herumbrüllen, wenn es nicht nach Ihrer Nase läuft und andere, die das vermeiden möchten, und daher lieber zustimmen? Sie sehen Machtausübung. Haben Sie Vorgesetzte, die mit Drohungen oder Abmahnungen um sich werfen und die Angestellten bemühen sich, nichts falsch zu machen? Machtausübung. Schauen wir auch mal auf Machtausübung durch Schwäche, vielen auch bekannt aus dem familiären Kontext: „ich kann nicht kochen“, „ich kann keine Möbel zusammenbauen“, „ich kann das Licht am Fahrrad nicht reparieren“, „ihr müsst mich nicht besuchen kommen aber nächstes Jahr um diese Zeit bin ich vielleicht schon tot“. Oder Enttäuschung: „Ich dachte, wenn ich schon zwei Kinder und vier Enkelkinder großgezogen und ihnen mein Haus überlassen habe, würde wenigstens eines davon mal sonntags anrufen!“ Oder Moral: „Du hast unseren Hochzeitstag vergessen, schämst du dich nicht?!“ Oder vielleicht haben Sie in dem Beispiel mit dem Arbeitsplatz oben auch nicht nur schlecht über die Kollegin gedacht, sondern auch schlecht über sie gesprochen. Damit sie beim nächsten Mal eben etwas schlechter dasteht und Sie selbst vielleicht einen Vorteil haben. Sie haben sich positioniert, andere haben zugestimmt oder nicht widersprochen. Das ist Machtausübung.

Das alles ist weder gut noch schlecht. Es ist einfach da. Und wenn Sie jetzt denken, nein, ich bin nicht so, ich will nur, dass das Richtige und das Gute sich durchsetzt, dann schauen Sie in den Spiegel und sagen das nochmal und werden sich klar, dass Sie von IHREM Richtigen und IHREM Guten sprechen. Und dann wenden Sie sich dem Studium zu, wie Sie das durchsetzen können, daran ist nichts Schmutziges. Sie halten es schließlich für das Richtige und Gute, was sonst könnte maßgeblich sein?

12. November 2023

Ich wachte gegen 8 Uhr eigentlich ausgeschlafen aus, stellte fest, dass meine Stimme wieder weitaus weniger vorhanden war und befand, dass ich das nicht akzeptiere. Also legt ich mich sofort wieder ins Bett und schief weiter, bis 11 Uhr. Und sprach dann einfach gar nicht und sagte mir, dass sicherlich alles in Ordnung ist und dass das Singen gut klappen wird. Nebenher lutschte ich die Schleimbonbons, die der Gesangslehrer empfohlen hatte (GeloRevoice), trank viel Tee, kaute Kaugummi (was die Hausärztin empfohlen hat, weil ständiger Speichefluss gegen Halsschmerzen gut ist) und schoss die Nase frei.

Um 15:30 verließ ich das Haus, holte ein drittes Paket mit einer Pailettenhose ab und konnte ganz unauffällig ohne, dass es irgendwie komisch klang „Ich möchte ein Paket abholen“ sagen. So war ich bester Dinge. Ich habe jetzt drei Pailettenhosen, mit jeder ist etwas nicht zu 100 % perfekt, in den nächsten zwei Tagen werde ich eine Entscheidung treffen.

Das Einsingen war mäßig, die Vorstellung lief dafür hervorragend. Da gab es ja nichts mehr zu schonen für später oder den nächsten Tag, ich war zufrieden, ich glaube, die Aufführung war insgesamt sehr schön. Vielleicht kann ich es in ein paar Tagen in der Zeitung lesen.

Jetzt ist die Stimme wieder komplett weg, aber das ist natürlich sehr egal. Dafür hab ich ein Blumensträußchen bekommen.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste: „Was bringt Sie zum Weinen.“

Interessanterweise gar nicht mal unbedingt Traurigkeit. Traurigkeit macht mich still. Ich weine hauptsächlich in zwei Situationen, die eine ist hormonzyklusbedingt und tritt alle paar Monate (nicht jeden) mal als PMS-Symptom auf. Ich empfinde dann eine tiefe, ehrliche Rührung in Bezug auf die ganze Welt. Mit allem darin. Die hässliche Stadttaube auf dem Dach, stellen Sie sich dieses kleine Leben mal vor. Einen Rückzugsort hat die ja so gut wie nicht, allen geht sie auf die Nerven aber gucken Sie ihr mal in die Augen, die Sie so komisch seitlich fixieren, weil mit beiden gleichzeitig geht ja offensichtlich nicht, die ruckartigen Kopfbewegungen, damit sie besser sehen kann, der gesamte Bewegungsablauf ist an die Suche nach Futter angepasst und ob das wirklich genug oder geeignet ist, was sie in der Stadt so findet, weiß ich nicht. Und um die Augen herum sind ganz winzige Federn, bestimmt sind die sehr weich. So niedlich! Und natürlich Menschen erst. Was sie für Kleidung anhaben und die haben sie sich ausgesucht, dabei haben sie sich irgendwas gedacht, wie verrückt das eigentlich ist und wie rührend zugleich, da ist jemand morgens aufgestanden und hat planvoll Stoff um sich gehüllt, vielleicht dabei Freude, Hoffnung empfunden, einen Plan für den Tag, wie viele Gedanken wohl in dem Kopf und was für welche. Das alles fasst mich an in diesem gelegentlichen hormonbedingten Zustand und treibt mir die Tränen in den Augen.

Die zweite Situation ist länger andauernde absolute Überforderung ohne die Möglichkeit, mich auch nur einen Moment zurückziehen zu können. Situationen, die mir als ausweglos erscheinen, in denen ich ständig über meine Grenzen gehen muss, obwohl ich weder will noch weiter aushalten kann. Erst kommt dann maßlose Wut und wenn die Situation sich auch durch diese Wut nicht auflöst, weine ich. Als Kind/Jugendliche kam das häufig vor und es kam auch häufig vor, als ich selbst ein kleines Kind hatte, das abends nicht und nachts nicht und eigentlich ums Verrecken überhaupt nie schlafen wollte oder das in den Kindergarten ging und die Schließzeiten hatten alle Urlaubstage aufgebraucht und dann war es krank und danach war Streik und dann war Konzepttag und dann war Betriebsausflug und dann war irgendwas anderes und es hat einfach nie geendet. Erst die unfassbare Wut, ich hab Türen eingetreten und Sachen an die Wand geworden, aber das Kind hat (natürlich) trotzdem nicht geschlafen, die Betreuungssituation hat sich (natürlich) trotzdem nicht verbessert. Dann habe ich geweint.

Das kam jetzt schon lange nicht mehr vor. In vielen Situationen, die mir früher ausweglos erschienen, habe ich jetzt mehr Handlungsmöglichkeiten. Und ich habe derzeit den großen Luxus, das niemand absolut auf mich angewiesen ist und ich auf niemanden absolut angewiesen bin, so kann ich mir die allermeisten Dinge selbst zeitlich einteilen und wenn ich nicht mehr kann, dann höre ich auf. Das gilt auch für den Job, ich arbeite häufig sehr intensiv und auch oft zu Zeiten, die andere für verrückt halten und gehe in Situationen in denen andere nicht sein möchten. Gleichzeitig höre ich immer exakt vor der großen Wut auf, das habe ich gelernt. Und damit auch vor dem Weinen.