Allgemein

16. November 2023

Hui. Ich habe zwei Tage quasi ineinander übergehen lassen, beim Tippen weiß ich schon nicht, ob das Bild taugt, mein Gehirn funktioniert momentan nicht so verlässlich wie üblich. Was ich meine ist: Ich kam letzte Nacht um 3:56 Uhr zu Hause an, was ich nur weiß, weil es von der GoogleMaps-Statistik erfasst wurde, ich ging zu Bett, als eine 4 vorn auf der Uhr war (den Rest konnte ich nicht entziffern, weil weder Konzentration noch Fokus dafür ausreichten) und ich gerade am Küchentisch sitzend mit dem Kopf auf einem Wasserglas aufgewacht war, dann klingelte um 7 Uhr der Wecker, um 8 war hatte ich dreimal den linken Schuh verfehlt und mich in Folge von dem Gedanken verabschiedet, wegen des DB-Streiks mit dem Auto ins Büro zu fahren, daher spazierte ich 20 Minuten ans andere Ende der Stadt, fuhr mit Straßenbahn und U-Bahn auf insgesamt eine Stunde ins Büro und war so pünktlich für ein Meeting um 10 Uhr anwesend, geistig und körperlich.

Danach war mir sehr flau mit Kopfschmerzen, ich traf Gegenmaßnahmen mit Apfelsaftschorle und gesüßtem Tee, arbeitete noch ein paar dringende Themen fertig und traf mich dann außerhalb mit Fragmente zum Kaffee. Fragmente trank eine Kaffeespezialität mit Pistaziencreme, das Glas wurde, um es schön zu machen, mit der Creme drin mehrere Male drehend in die Luft geworfen, das war sehr spannend anzuschauen! Ich traute mir einen Capuccino zu und ein streichholzschachtelgroßes Stück von Fragmentes Pizza, dazu bot sie mir ein Medikament gegen Übelkeit an, das aber wohl auch müde macht. Müde war ich schon im Übermaß, also verzichtete ich.

Um 15 Uhr machte ich mich auf den Heimweg, weil ich um 16 Uhr mit Gepäck von Schanuf zu Hause abgeholt wurde. Dieses Mal ging die Reise durch den Streik nicht gut, ich stieg am Südbahnhof in ein Taxi um, das stand dann aber im Stau, die Fahrerin fragte, wo ich herkäme und auf meine verwunderte Anwort „Vom Südbahnhof, da wo ich eingestiegen bin?!“ erklärte sie, ich sähe weit gereist aus. „Ich hatte eine harte Nacht“, antwortete ich, die Fahrerin war interessiert und bat um Bericht, nach zwei Minuten sagte sie resolut „ich nehme jetzt die Busspur, dann sind Sie schneller zu Hause!“. Das war lustig. So ging alles noch auf, ich rannte die Treppe hoch, warf die eine Tasche ab, nahm die andere Tasche auf und lief wieder hinunter ins Auto zu Schanuf. Drei Stunden lang quälten wir uns durch den Stau nach Kassel, ich hatte eine Stabilisierungsbanane dabei und das flaue Gefühl wich. Als wir am Ziel ankamen, hatte ich unfassbaren Hunger und aß im Restaurant in lockerer Folge Brot mit Aioli, Tomaten-Mozzarella-Salat, Oliven, Ahle Wurscht mit saurer Gurke und Schweinemedaillons mit Kroketten. Dazu trank ich Spezi.

Ich gaube, jetzt kann ich gut schlafen.

14. November 2023

Hui, wo ist der Tag? Gerade hab ich noch meinen Morgentee auf dem Balkon getrunken (bei Nieselregen, barfuß, sehr angenehm!), schon sitze ich wieder im Sessel, dazwischen lag ein Arbeitstag, bei dem mir die Begriffe „unglücklich“ und „misslich“ nur so um die Ohren flogen und danach war ich einkaufen, hab gekocht, die 3. Maschine Wäsche läuft, ich habe mit M Brownies gebacken und hatte Event mit Frau Herzbruch, dabei die Zugfahrt für die nächste Wien-Reise finalisiert, zwei Rücksendungen von Pailettendingen veranlasst, zwei Oberteile für zur bei mir verbleibenden Paillettenhose bestellt und über passende Schuhe nachgedacht. Chucks gehen zur Paillettenhose ja eher nicht, nebenher zur Kenntnis genommen, dass die Bahn wieder einmal bestreikt wird, meine Güte, wie die mir auf die Nerven gehen, exakt seit 1992 ärgere ich mich quasi unablässig über die Bahn und ich bin da noch nicht zur Akzeptanz bereit. Akzeptanz liegt mir generell nicht so. Kennen Sie das, so Horrorfilme, wo eine Hand aus einem Grab noch nach irgendwem angelt und ihn zu Fall bringt? Das wäre ich.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste – ich muss „Thema“ sagen, es ist ja meist gar keine Fragen – lautet: „Schluss mit lustig“

Nein, natürlich nicht Schluss mit lustig. Warum denn, was könnte besser sein, als Spaß zu haben? Wir haben in der Familie, also Herr N., M und ich, eine Redewendung, die lautet „Das war genug Spaß für heute!“. Die entstand, als M und ihre Freund*innen ca. 14, 15 Jahre alt waren. Ich bin ja schon immer der Ansicht, dass Kinder genauso ein Recht haben, ihre Freizeit selbst zu gestalten, wie Erwachsene. Also wenn alle notwendigen Programmpunkte (Hausaufgaben, Mahlzeiten, Termine, familiäre Verpflichtungen) erledigt sind, können sie spielen, was sie wollen und die Idee, diese Spiele müssten irgendwie sinnvoll sein, draußen stattfinden oder ohne Strom funktionieren finde ich komplett absurd. Jedenfalls, als M ca. 15 Jahre alt war, wollte der Freundeskreis sich treffen, es war ein Wochenendtag, M und die anderen gingen zur gemeinsamen Freundin E, um sie abzuholen. E war auch zu Hause, sie war in ihrem Zimmer und las ein Buch. Die Clique klingelte und fragte, ob E rauskäme, das wurde aber verneint, es gab natürlich zwischen E und den Eltern eine Diskussion und in diesem Zusammenhang sagte der Vater „Nein E, du hast Dich heute morgen schon mit Freunden getroffen, das war genug Spaß für heute!“

Seitdem sagen wir hier in der Familie „Das war genug Spaß für heute!“ in völlig abwegigen Zusammenhängen. Wenn ich beispielsweise M frage, ob sie mir mir Brownies machen will, M dann sagt, dass sie noch eine Präsentation fertigmachen muss, dann könnte ich gut sagen „was, Präsi, du warst doch heute morgen schon in der Schule, das war genug Spaß für heute!“ Und dann würde M mit mir Brownies backen, so wie heute.

13. November 2023

Heute früh im Supermarkt habe ich Cassis-Kaugummi gekauft, aus Neugier, nicht aus Neugier in Bezug auf den Kaugummi sondern in Bezug auf das Leben.

Es war so, ich stand an der Kasse, meine Ware lag auf dem Band, vor mir hampelte noch aber eine Regaleinräumperson und sortierte die Quengelware durch, ein paar Dinge fielen um, sie räumte sie wieder weg, sprang dann rechtzeitig zu meinem Bezahlvorgang aus dem Weg und ich sah, dass der Kassierer diesen Cassis-Kaugummi mit über das Band gezogen hatte. „Hm, den wollte ich gar nicht, ich glaube, der ist runtergefallen“, sagte ich. Der Kassierer bot an, zu stornieren, reflexartig hatte ich aber schon meine Karte an das Lesegerät gehalten, der Kassierer bot natürlich an, „den Stornoschlüssel“ kommen zu lassen, Horrorszenario „den Stornoschlüssel kommen lassen“, das geht ja nie ohne mehrfaches Klingeln, lange Schlangebildung und Personen im Stechschritt mit tadelndem Blick einher, ich überlegte deshalb ganz schnell um und sagte „egal, ich nehme das, wenn einem was vor die Füße fällt, sollte man zugreifen, wer weiß, was sich daraus entwickelt!“ Der Kassierer war verwirrt aber auch erleichtert. Seitdem warte ich. Bisher ist nichts außergewöhnliches passiert bis auf, dass ich mir im Büro Früchtetee in die Tastatur gegossen habe. Ich trinke sonst nie Früchtetee, nur jetzt wegen der abklingenden Erkältung, ich fühlte mich irgendwie shitty, Sie kennen das vielleicht, wenn man sich eine Woche lang mit aller Kraft eingeredet hat, dass es einem super geht und dann ist der Tag, an dem das wirklich relevant ist, absolviert und dahinter liegt, nunja, sagen wir eine kleine Befindlichkeitssenke. So war das bei mir heute. Kleine Befindlichkeitssenke, Früchtetee aus Thermobecher, er war viel zu heiß, ich warf ihn um, der Becher schloss nicht richtig, also Früchtetee auf der Tastatur. Ohne Zucker oder sonstige Süßungsmittel, weshalb die IT unbeeindruckt war, sie ausschüttelte und mir zurückgab. Ich warte weiter. Wegen des Kaugummis, falls Sie zwischenzeitlich den Faden verloren haben.

Angereichtes Thema in der täglichen Contentvorschlagliste heute: Macht.

Ich hatte bereits einen kleinen Exkurs über Macht geschrieben – wer nicht aufmerksam war, liest am besten erst einmal nach. Wer dazu keine Lust hat, liest einfach weiter, ich wiederhole das Wesentliche kurz: ich hatte argumentiert, dass Macht notwendig ist, um das eigene Leben zu gestalten und Pläne verwirklichen zu können. Völlig normale Sache.

Nun ist es so, dass wir nicht immer dieselben Pläne haben wie andere, manchmal lassen sich unsere Pläne mit denen anderer noch nicht einmal vereinbaren. Wir nehmen ein ganz einfaches Beispiel aus dem Arbeitsalltag: Sie sitzen in einem Büroraum zu dritt, die Kollegin mit dem besten Arbeitsplatz kündigt, wer von den beiden verbleibenden bekommt den nun? Es gibt ihn halt nur einmal, Sie verbleiben aber zu zweit.

Kommen Sie mir jetzt nicht mit „richtig“ und „falsch“. Die beiden Sachen gibt es in der Regel nicht bzw. immer nur in ihrem eigenen Kopf und in anderen Köpfen ist richtig und falsch was anderes. Eventuell haben Sie sofort gedacht „na die dienstältere natürlich!“ oder sie haben gedacht „na die ältere natürlich!“ oder „na die, in Vollzeit natürlich und die in Teilzeit nicht natürlich!“ oder „na die, die bessere Leistung bringt natürlich!“ oder „na die mit dem Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule natürlich!“ oder „na die, die bisher den schlechtesten Platz hatte, als Ausgleich, natürlich!“ oder „na die, die bisher den zweitschlechtesten Platz hatte und die den drittschlechtesten hatte, rückt dann ja auch eins auf, natürlich!“. Natürlich.

Nehmen wir an, die Kollegin bekommt den Platz, die nicht Sie sind. Also die andere. Vielleicht finden Sie das richtig und denken „ja, ich gönne es ihr von Herzen, denn ich mag sie so gern und möchte, dass sie glücklich ist“. Kann schon sein. Wahrscheinlicher finden Sie diese Entwicklung aber enorm schlecht und denken „die kriegt immer, was sie will“, „die wird immer bevorzugt“ oder „die hat wohl wen erpresst“ oder „die ist wohl wem in den Arsch gekrochen“. (Dann sind Sie eine Zeit lang beleidigt und dann haben Sie es irgendwann vergessen und regen sich erst wieder darüber auf, wenn die Kollegin mit dem jetzt besseren Arbeitsplatz etwas anderes macht, was Ihnen nicht gefällt. Oder es fällt Ihnen dann auch nicht mehr ein und Sie reagieren nur unangemessen heftig, weil Sie einen unbewältigten halb vergessenen Groll mit sich herumschleppen.)

Was Sie an der Kollegin, die jetzt den tollen Arbeitsplatz hat, beobachtet haben, ist Macht. Und wenn Sie beim nächsten Mal den schönen Platz wollen, schauen Sie am besten gut hin, wie die Kollegin das bewirkt hat. Wer hat darüber entschieden, wer hat mitgeredet, wie war der Ablauf, wie sind die Verhältnisse der Player zueinander, wie verliefen Gespräche, was gab es noch zu beobachten. Machen Sie sich Notizen, machen Sie Grafiken, machen Sie Soziogramme. Macht kann man verstehen lernen, wie eine Fremdsprache, manchen fällt es leichter, manchen schwerer, Anstrengung gehört immer dazu. Beobachten Sie die Leute, die in Ihrem Alltag mehr Macht als Sie haben. Was machen die und was machen die anders als Sie? Wie verhalten die sich den ganzen Tag, mit wem reden Sie, wie reden Sie, was erscheint Ihnen unerwartet, was vorhersehbar, gibt es Muster, wie sind die Verflechtungen? Die Personen, die eigentlich wie Sie sind, aber irgendwie komischerweise vermeintlich besser wegkommen, sind alle gute Studienobjekte, bessere als Elon Musk oder Putin, die zweifellos auch Macht haben aber auf einer anderen Ebene, da sind Sie (vermutlich) nicht, so dass die in Ihrer eigenen Machtgestaltung eher keine Rolle spielen.

Was Sie sehen werden ist, dass diese Leute aus ihrem Umfeld für Ihre Macht etwas tun. Es reicht nicht, sich zurückzulehnen in der Überzeugung, eben Recht zu haben, die richtige Ansicht zu haben, denn wie wir ja oben schon gesehen haben, gibt es diverse richtige Ansichten. Abwarten, dass Ihr eigenes „richtig“ sich durchsetzt, ist mehr als nur naiv. Wenn Sie Ihr „richtig“ durchsetzen wollen, müssen Sie sich in den Wind stellen, gegen Wände rennen, Klinken putzen. Sie müssen sich sichtbar machen, denn wenn Sie nicht sichtbar sind, können sich andere Ihnen nicht anschließen und sie verlieren wertvolle Zeit damit, irgendwie verdeckt zu ergründen, wer Ihr „richtig“ teilen könnte – absolute Zeitverschwendung. Sie müssen reden und Ihr „richtig“ erklären, immer wieder, sie müssen positiv wirken, auch wenn Sie sich scheiße fühlen, Sie müssen Verbindungen zu Personen, die Ihr „richtig“ teilen, finden und halten, auch wenn sie sie eventuell persönlich überhaupt nicht leiden können, Sie müssen Ihr „richtig“ attraktiv machen und Sie müssen für das alles bezahlen, mit Ihrer Zeit, Ihrer Aufmerksamkeit, mit Ihren Nerven, oft müssen Sie sich auch entscheiden, welches Ihrer diversen „richtigs“ Sie verfolgen wollen, weil Sie oft nicht dieselben Personen für mehrere Ihrer Ziele mobilisieren können, manche müssen Sie also über Bord werfen, Ziele oder auch Personen, für beides bezahlen Sie und was das ist. mit dem Sie bezahlen, liegt in Ihrer eigenen Natur, bei manchen ist es Nachtschlaf, bei anderen Appetit, bei mir sind es unter anderem Fingernägel.

Und Sie brauchen jetzt nicht zu erwähnen, dass ja manche Personen durch ihre Position Macht haben. Die Position an sich ist nicht so relevant, klar können Sie jemandem einen schönen Titel geben, der Autorität verleiht, ohne Substanz dahinter wird jedoch von kurzer Dauer sein, denn Macht muss kontinuierlich gelebt, poliert, ausgerichtet, immer wieder unterfüttert werden. Sie ist nämlich etwas Fluides, sie muss ja, wie schon erwähnt, immer wieder zugestanden werden, sonst ist sie gar nicht da. Wir alle kennen solche zahńlosen Tiger als Vorgesetzte, die einen Titel, ein Amt haben, aber nichts gestalten. Wenn Sie einen sehen, so einen König Théoden, schauen Sie sich ein bisschen weiter um und finden Sie heraus: wer ist die Person, die in Wirklichkeit die Entscheidungen trifft, wo ist Gríma Schlangenzunge? Wie verlaufen die Fäden? 

Genauso wenig wie aus einem Titel hat auch niemand Macht rein aus sich, aus der Natur, aus der eigenen Persönlichkeit heraus. Denn, ich sage es noch einmal, Macht muss zuerkannt werden. Macht haben wir nicht, während wir allein auf dem Klo sitzen, Macht haben wir immer nur vor anderen. Wenn wir Macht zuerkannt bekommen wollen, ist es eine oft genutzte Möglichkeit, uns so zu positionieren, dass es für andere sehr leicht ist, uns Macht zuzugestehen. Fragmente hat das kürzlich sehr schön und romantisierend beschrieben, sie sieht sich einer Person gegenüber, der sie Macht zugesteht und nimmt diese Macht als warm, verführerisch oder berauschend wahr. Diese Macht macht unterschwellig ein Angebot, wie eine Versprechung, vielleicht Anerkennung, Gemeinsamkeit, Coolness, im weitesten Sinne Liebe. Super, wenn das so funktioniert, dass man beim Scheitern der Beziehung in einem Status verzückter Bewunderung die Kehle durchgebissen bekommt, besser kann es ja kaum sein. Ich meine das völlig unironisch. Die Ideen und Ziele einer Person, die so liefert, trägt man gerne mit und wenn das Ende bitter ist, so war der Weg doch schön. Es ist eine hervorragende Dienstleistung, man möchte ja für Profis arbeiten, nicht für Deppen. Schauen Sie, wie es bei Ihnen läuft. Schauen Sie, worauf Sie selbst reagieren. Schauen Sie, worauf andere reagieren und wie es ihnen von denjenigen, die Macht ausüben, angeboten wird. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, diejenigen, die Macht ausüben, haben das verstanden. Lassen Sie sich etwas bieten für die Macht, die Sie zuerkennen!

Jetzt gehen wir nochmal zurück nach oben. Macht ist notwendig, um das eigene Leben zu gestalten und Pläne verwirklichen zu können. Bisher haben wir hauptsächlich auf Machtstrategien geschaut, die offensiv, die souverän wirken. Natürlich können wir auch ganz anders vorgehen und z.B. über Angst Macht ausüben. Haben Sie Leute im Team, die herumbrüllen, wenn es nicht nach Ihrer Nase läuft und andere, die das vermeiden möchten, und daher lieber zustimmen? Sie sehen Machtausübung. Haben Sie Vorgesetzte, die mit Drohungen oder Abmahnungen um sich werfen und die Angestellten bemühen sich, nichts falsch zu machen? Machtausübung. Schauen wir auch mal auf Machtausübung durch Schwäche, vielen auch bekannt aus dem familiären Kontext: „ich kann nicht kochen“, „ich kann keine Möbel zusammenbauen“, „ich kann das Licht am Fahrrad nicht reparieren“, „ihr müsst mich nicht besuchen kommen aber nächstes Jahr um diese Zeit bin ich vielleicht schon tot“. Oder Enttäuschung: „Ich dachte, wenn ich schon zwei Kinder und vier Enkelkinder großgezogen und ihnen mein Haus überlassen habe, würde wenigstens eines davon mal sonntags anrufen!“ Oder Moral: „Du hast unseren Hochzeitstag vergessen, schämst du dich nicht?!“ Oder vielleicht haben Sie in dem Beispiel mit dem Arbeitsplatz oben auch nicht nur schlecht über die Kollegin gedacht, sondern auch schlecht über sie gesprochen. Damit sie beim nächsten Mal eben etwas schlechter dasteht und Sie selbst vielleicht einen Vorteil haben. Sie haben sich positioniert, andere haben zugestimmt oder nicht widersprochen. Das ist Machtausübung.

Das alles ist weder gut noch schlecht. Es ist einfach da. Und wenn Sie jetzt denken, nein, ich bin nicht so, ich will nur, dass das Richtige und das Gute sich durchsetzt, dann schauen Sie in den Spiegel und sagen das nochmal und werden sich klar, dass Sie von IHREM Richtigen und IHREM Guten sprechen. Und dann wenden Sie sich dem Studium zu, wie Sie das durchsetzen können, daran ist nichts Schmutziges. Sie halten es schließlich für das Richtige und Gute, was sonst könnte maßgeblich sein?

12. November 2023

Ich wachte gegen 8 Uhr eigentlich ausgeschlafen aus, stellte fest, dass meine Stimme wieder weitaus weniger vorhanden war und befand, dass ich das nicht akzeptiere. Also legt ich mich sofort wieder ins Bett und schief weiter, bis 11 Uhr. Und sprach dann einfach gar nicht und sagte mir, dass sicherlich alles in Ordnung ist und dass das Singen gut klappen wird. Nebenher lutschte ich die Schleimbonbons, die der Gesangslehrer empfohlen hatte (GeloRevoice), trank viel Tee, kaute Kaugummi (was die Hausärztin empfohlen hat, weil ständiger Speichefluss gegen Halsschmerzen gut ist) und schoss die Nase frei.

Um 15:30 verließ ich das Haus, holte ein drittes Paket mit einer Pailettenhose ab und konnte ganz unauffällig ohne, dass es irgendwie komisch klang „Ich möchte ein Paket abholen“ sagen. So war ich bester Dinge. Ich habe jetzt drei Pailettenhosen, mit jeder ist etwas nicht zu 100 % perfekt, in den nächsten zwei Tagen werde ich eine Entscheidung treffen.

Das Einsingen war mäßig, die Vorstellung lief dafür hervorragend. Da gab es ja nichts mehr zu schonen für später oder den nächsten Tag, ich war zufrieden, ich glaube, die Aufführung war insgesamt sehr schön. Vielleicht kann ich es in ein paar Tagen in der Zeitung lesen.

Jetzt ist die Stimme wieder komplett weg, aber das ist natürlich sehr egal. Dafür hab ich ein Blumensträußchen bekommen.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste: „Was bringt Sie zum Weinen.“

Interessanterweise gar nicht mal unbedingt Traurigkeit. Traurigkeit macht mich still. Ich weine hauptsächlich in zwei Situationen, die eine ist hormonzyklusbedingt und tritt alle paar Monate (nicht jeden) mal als PMS-Symptom auf. Ich empfinde dann eine tiefe, ehrliche Rührung in Bezug auf die ganze Welt. Mit allem darin. Die hässliche Stadttaube auf dem Dach, stellen Sie sich dieses kleine Leben mal vor. Einen Rückzugsort hat die ja so gut wie nicht, allen geht sie auf die Nerven aber gucken Sie ihr mal in die Augen, die Sie so komisch seitlich fixieren, weil mit beiden gleichzeitig geht ja offensichtlich nicht, die ruckartigen Kopfbewegungen, damit sie besser sehen kann, der gesamte Bewegungsablauf ist an die Suche nach Futter angepasst und ob das wirklich genug oder geeignet ist, was sie in der Stadt so findet, weiß ich nicht. Und um die Augen herum sind ganz winzige Federn, bestimmt sind die sehr weich. So niedlich! Und natürlich Menschen erst. Was sie für Kleidung anhaben und die haben sie sich ausgesucht, dabei haben sie sich irgendwas gedacht, wie verrückt das eigentlich ist und wie rührend zugleich, da ist jemand morgens aufgestanden und hat planvoll Stoff um sich gehüllt, vielleicht dabei Freude, Hoffnung empfunden, einen Plan für den Tag, wie viele Gedanken wohl in dem Kopf und was für welche. Das alles fasst mich an in diesem gelegentlichen hormonbedingten Zustand und treibt mir die Tränen in den Augen.

Die zweite Situation ist länger andauernde absolute Überforderung ohne die Möglichkeit, mich auch nur einen Moment zurückziehen zu können. Situationen, die mir als ausweglos erscheinen, in denen ich ständig über meine Grenzen gehen muss, obwohl ich weder will noch weiter aushalten kann. Erst kommt dann maßlose Wut und wenn die Situation sich auch durch diese Wut nicht auflöst, weine ich. Als Kind/Jugendliche kam das häufig vor und es kam auch häufig vor, als ich selbst ein kleines Kind hatte, das abends nicht und nachts nicht und eigentlich ums Verrecken überhaupt nie schlafen wollte oder das in den Kindergarten ging und die Schließzeiten hatten alle Urlaubstage aufgebraucht und dann war es krank und danach war Streik und dann war Konzepttag und dann war Betriebsausflug und dann war irgendwas anderes und es hat einfach nie geendet. Erst die unfassbare Wut, ich hab Türen eingetreten und Sachen an die Wand geworden, aber das Kind hat (natürlich) trotzdem nicht geschlafen, die Betreuungssituation hat sich (natürlich) trotzdem nicht verbessert. Dann habe ich geweint.

Das kam jetzt schon lange nicht mehr vor. In vielen Situationen, die mir früher ausweglos erschienen, habe ich jetzt mehr Handlungsmöglichkeiten. Und ich habe derzeit den großen Luxus, das niemand absolut auf mich angewiesen ist und ich auf niemanden absolut angewiesen bin, so kann ich mir die allermeisten Dinge selbst zeitlich einteilen und wenn ich nicht mehr kann, dann höre ich auf. Das gilt auch für den Job, ich arbeite häufig sehr intensiv und auch oft zu Zeiten, die andere für verrückt halten und gehe in Situationen in denen andere nicht sein möchten. Gleichzeitig höre ich immer exakt vor der großen Wut auf, das habe ich gelernt. Und damit auch vor dem Weinen.

11. November 2023

Meine Güte, ein aufregender Tag reiht sich an den nächsten. Heute war ich bei Die Hanf Profis und mein eines Ohr ploppte wieder auf! Und noch ein Debakel, aber von vorn.

Zuerst einmal wachte ich auf und begann unmittelbar, in der Küche ein wenig umzuräumen und auf den Badezimmerschränken durchzusortieren sowie feste Kartonagen zu zerkleinen. Manchmal passiert mir sowas, also dass ich vom Bett aus falsch abbiege und mich erst ein paar Stunden später erinnere, das sich noch barfuß bin und üblicherweise zuerst Kaffee und Dusche auf dem Programm steht. Als ich mich besann, etwa zwei Stunden später, stellte ich fest, dass – wohl besonders durch die Sache mit den Kartonagen – nicht nur mein Nagellack teilweise abgesplittert war sondern auch ein Nagel abgebrochen und einer eingerissen, ich entfernte also den Restlack und naja, alles war ein wenig schlecht. Ich hatte im Sommer schon einmal festgestellt, dass meine Fingernägel das ständige Lackieren nicht so sehr goutieren. Ich lackiere ja seit zwei Jahren immer, zum einen, weil ich das schön finde, das sind aber nur 40 % des Grundes, die übrigen 60 % sind, dass ich schon mein ganzes Leben lang an den Fingernägeln kaue und bislang nichts half außer eben: Lackieren. Ich kaue ja nicht absichtlich sondern versehentlich und bemerke es nicht. Wenn ich Lack im Mund habe, bemerke ich es aber und höre sofort auf.

Nun ist es aktuell wohl so, dass ich mir aussuchen kann, ob ich kaputte Nägel durch Dauerlackieren habe oder kaputte Nägel durch Kauen, aber vielleicht kann ich mir auch jetzt, nach zwei Jahren Abgewöhnung, aussuchen, dass ich einfach auch unlackierte Nägel nicht mehr abknabbere? Sozusagen Levelaufstieg, erhöhter Schwierigkeitsgrad. Ich werde in regelmäßigen Fingercount-Accountability-Posts berichten. Stand heute: Linke Hand 2 gesplittert, . Rechte Hand 1 gesplittert, 1 abgerissen und gesplittert, 1 ganz kurz angenagt.

Frage aus der täglichen Contentvorschlagliste heute: Kinnhare.

Kinnhaare, wirklich das absolute Grauen, eine Zumutung! Überlegen Sie mal. Sie sitzen da, in Denkerinnenpose, hochwichtige weltrelevante Gedanken wie immer, fast haben Sie eine brillante Erkenntnis, ganz nah dran, Sie fahren mit dem Rücken das Zeigefingers über Ihr Kinn – und dann. Ein Haar. Wie eine kleine Borste. Es stört die Haptik, es unterbricht den Gedankenfluss, mit den Fingernägeln kriegen Sie es nicht zu packen, Sie können mit diesem Haar aber auch nicht weiterdenken, noch nicht einmal weiterexistieren, Sie müssen sofort ins Bad, eine Pinzette, ein gut ausgeleuchteter Badezimmerspiegel. Deshalb ist das alles mit der Welt so, würde ich sagen. Wegen Kinnhaaren.

10. November 2023

Meine Stimme ist zurück, noch nicht ganz in der gewohnten Pracht aber in einem Umfang der für Konversation ausreicht. „Oh, es spricht!“, sagte die Finanzperson, als ich sie morgens im Gang grüßte, und als ich dem nOC freudig „Ich kann heute wieder richtig mit Ihnen sprechen!“ durch die offene Tür rief antwortete er „Ich weine fast vor Freude.“

Weniger erfolgreich war die geplante Abholung eines Pakets, das eine Paillettenhose enthielt. Als ich mit Frau Herzbruch in der Bristol Bar den besten Cocktail der Welt trank, kam eine Frau mit Pailettenhose herein, ich war völlig verzückt und sagte, dass ich mich auch sehr in einer Pailettenhose sehe. Frau Herzbruch war zögerlich, sagte dezent etwas in der Art „Diese Person ist ja nur halb so groß wie wir, also nicht in der Höhe, ihr steht die Hose sehr gut, möglicherweise liegt das an ihrer Statur“ aber meine Begeisterung war entfacht, ähnlich wie die für Jan Marsalek und diese Begeisterung reißt alle mit. Schon einen Tag später bekam ich von Frau Herzbruch geeignete Links zum Kauf einer Pailettenhose und ich soll sie sogar Silvester schon tragen.

Nunja, die Hose ist bestellt und geliefert aber per UPS (ich wusste gar nicht, dass es die noch gibt) und die fanden es eine gute Idee, sie bei „Die Hanf Profis“ abzugeben. Die Hanf Profis haben immer nur von 14 bis 18 Uhr geöffnet, ich war heute um 18:30 Uhr pro forma mal da (es liegt auf dem Arbeitsweg, der findet aber eben nie nach 14 Uhr oder vor 18 Uhr statt bei mir), da waren sie aber schon weg. Ich bin noch nicht sicher, wie ich an diese Hose komme. Morgen haben sie zwar auch ab 14 Uhr geöffnet, aber ich habe um 14:30 Chor-Generalprobe und möglicherweise sind Die Hanf Profis eher gechillt und sperren den Laden nicht a punto auf. Wir werden es sehen.

Eigentlich wollte ich etwas komplett anderes schreiben. Habe aber vergessen was. Wenden wir uns der täglichen Contentvorschlagliste zu, mein Plan ist ja weiterhin, sie komplett leer zu beantworten, schneller als Sie was reinschreiben können. Frage heute: „Warum Offenbach und nicht Frankfurt? Oder eine noch schönere Stadt im Umkreis?“

Das ist sehr einfach. Ich bin für meinen ersten Job nach dem Studium hierher gezogen, zusammen mit Herrn N (der in einer anderen Stadt lebte, wir trafen uns hier auf neutralem Boden). In Frankfurt hätten wir uns keine zwei separaten Zimmer plus Wohnzimmer leisten können, die nicht völlig absurd entfernt von jedem ÖPNV liegen, in Offenbach ging das. Als wir dann vier oder fünf Jahre später die jetzige Wohnung gekauft haben, hatten wir uns an Offenbach gewöhnt. Ich lebe gerne hier, ich finde es super, mitten in der Innenstadt zu sein und alles fußläufig zu haben. Ich mag auch die vielen Nationalitäten, das schätze ich sowohl kulinarisch als auch kulturell und es macht das Straßenbild weniger eintönig – wenn ich richtig informiert bin, haben rund 45 % der Offenbacher*innen keine deutsche Staatsangehörigkeit, einen Migrationshintergrund haben rund 65 %. Ob eine Stadt optisch schön ist, spielt für mich bei der Wohnentscheidung keine Rolle. Mir ist es wichtiger, dass die Stadt für mich praktisch ist, dass ich dort alles einfach erreichen kann, was ich erreichen möchte und dass ich nach außerhalb gut angebunden bin und dass das Straßenbild vielfältig ist. Ich war ja neulich in Flonheim und in Dänemark, da war alles irgendwie beschaulich und gleich, da fühle ich mich nicht so wohl.

9. November 2023

Gerade erst im Sessel angekommen und gleich gehe ich aus Vernunft (nicht aus Neigung!) auch schon wieder schlafen, es ist ein Jammer. Ich habe mich allerdings von 20 Uhr bis gerade mit Amüsement befasst, also will ich nicht zu sehr jammern. Ich war mit Excellensa und TexasJim verabredet, um über einen Zeitungsartikel zu sprechen, das taten wir in aller Ausführlichkeit mit vielen Randthemen, nicht allen natürlich, wir fanden bis zum Schluss immer noch neue Themen, die zu durchdringen sich lohnen würde, aber dann, wie gesagt: Vernunft. Nicht Neigung.

Davor hatte ich Spaghetti Carbonara, schon aus der S-Bahn heraus wegen enormem Hunger bestellt, denn die Abfahrt aus dem Büro hatte sich verzögert, weil sich unerwartet plötzlich am Abend ein Slot beim nOC frei wurde, das wollte ich natürlich nutzen. Davor – wir gehen den ganzen Tag jetzt rückwärts – Gespräch mit der Dame von der Hausverwaltung, diejenige, bei der es letzte Woche 7 Zwerge, nein, Herren brauchte, um sie zu vertreten und dennoch das Gespräch ohne Ergebnis enden zu lassen. Das Ergebnis heute war nur marginal besser, es wurde um Verständnis geworben, Personalmangel, .Fachkräftemangel, unvorhergesehene Ereignisse, ja, kenne und verstehe ich alles aber warum ich für eine Dienstleistung zahlen soll, die nicht erbracht wird, erschließt sich mir dennoch nicht. Schauen wir mal.

Davor Italienischstunde, oh, ich muss noch den Termin für die nächste Stunde verschicken, fällt mir ein, das mache ich morgen. Und ob es Hausaufgaben gibt habe ich auch vergessen, weil wir etwas überzogen hatte und ich überstürzt aufbrechen musste.

Davor Bauabnahme, leider viele Mängel, einer sehr misslich, es wurden die falschen WC-Spülkästen verbaut. Unter Putz. Ächz.

Davor Nägel lackieren. Da die Nase wieder Normalfarbe hat, war ich im Nagellackfarbton nicht mehr eingeschränkt. Insgesamt ging es mir den gesamten Tag sowieso exezellent, nur die Stimme verhielt sich erratisch. Am Nachmittag schätzte ich meine Konzertchancen auf 10 %, nach den Besprechungen am Abend nur noch auf 5 %, jetzt gerade nach dem Videocall mit TexasJim und Excellensa ist merkwürdigerweise alles besser und ich liege gedanklich bei 25 %. Ich habe keinen Alkohol getrunken, daran liegt es nicht. Wobei CucinaCasalinga und ich schon morgens von der Italienischlehrerin gefragt wurden, ob wir auf Drogen seien (waren wir ebenfalls nicht). Sie kam in den Call als wir gerade über Toiletten sprachen, ich hatte die ja kurz zuvor abgenommen bzw auch nicht und dabei auch die Beschilderung ändern lassen, zwei Toiletten bestehen nämlich jeweils aus einer Toilettenkabine und einem Vorraum, also jede Kabine hat einen einzelnen Vorraum, es ist deshalb sinnvoll, finde ich, das Schloss an die Tür des Vorraums zu versetzen. So kann man sich auch mal in Ruhe frisch machen. Und weil dann zwei völlig separate Einheiten entstanden sind, gibt es auch gar keinen Grund, die Toiletten nach Geschlechtern zu beschriften, es kann einfach an jeder Tür WC stehen, keine Zuordnung notwendig. Das habe ich veranlasst und dann CucinaCasalinga erzählt, die mir wiederum erzählte, eine ehemalige Kollegin habe Sorge vor einer Schwangerschaft gehabt, wenn Männer und Frauen dieselbe Toilette verwenden. Als die Italienischlehrerin dazu kam, hatte ich glaube ich gerade gefragt, ob die Kollegin zufällig Maria hieß.

Vor dem Nägel lackieren Arbeitsweg, ich war spät dran wegen der Bahn, zwei kamen nicht, die dritte war so überfüllt, dass niemand mehr einsteigen konnte, die vierte nahm ich dann aber das war halt 40 Minuten später.

Davor aufgewacht und erfreut festgestellt, dass es mir gut geht.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste heute: „Wie erkennt man den/die richtige*n Bewerber*in?“

Zum einen natürlich an den Qualifikationen, die gehen aus Lebenslauf und Zeugnissen hervor. Wenn da alles notwendige gegeben ist, lädt man die Person ein, ab da endet natürlich jegliche Objektivität, denn da schaut man natürlich, ob es „passt“, also ob es „zu uns passt“ und was sollte daran objektiv sein. Ich überlege meist, ob ich mir vorstellen kann, wie die entsprechende Person zukünftig am Arbeitsplatz sitzt, wie es ist, wenn ich ihr mehrfach täglich begegne, wie es ist, wenn ihr erster Arbeitstag naht, ob ich mich auf sie freuen würde. Im Idealfall kann ich mir das alles detailliert vorstellen un freue mich. Wenn ich mir hingegen denke „achnaja schön dann kommt xy halt und wir haben wieder jemanden mehr, das ist gut, passt schon, okay, begrüßen und so kann dann gerne wer anders“ ist das nicht perfekt. Also das ist meine Vorgehensweise. Bestimmt gibt es bessere.

8. November 2023

Vermutlich verleben Sie schon den ganzen Tag in besorgter Spannung auf ein Update, wie es mir geht. Ich hätte Sie frühzeitiger erlöst, aber diese Seite funktionierte nicht richtig, bzw. die Seite funktionierte doch richtig, es lag natürlich alles an mir, an meinen Cookies, wie der Webmaster sagt, und er hatte Recht, er hat ja immer Recht. Ich habe jetzt also den Browserverlauf mit allen Daten von IMMER auf allen Geräten gelöscht, was ich jetzt immer alles neu eintippen und mich erinnern muss, kann ich noch nicht absehen, weiß aber schon jetzt, dass es eine absolute Zumutung sein wird.

Es geht mir hervorragend. Der Schnupfen ist so gut wie weg, die Nase sieht normal aus. Die Erkältung hat den Hals übersprungen, ich bilde mir ein, weil ich mit einem Spray immer sehr weit in den Rachen gesprüht habe, so weit, dass ich Kotzgeräusche wie die Katzen gemacht habe, die guten Tiere waren sehr interessiert. Jetzt sitzt alles in den Bronchien. Meine Stimme ist ca. 2 Oktaven tiefer und sehr rauchig, menschlich klingt sie nicht, von Alexa wird sie nicht erkannt. Ich erwarte nach wie vor Heilung über Nacht, morgen sollten maximal noch 30 % Erkältung vorhanden sein, die dann in der Nacht auf Freitag komplett verschwinden, denn Freitag ist Chor, Samstag Generalprobe, Sonntag Konzert. Ich schätze meine Teilnahmechancen liegen momentan bei ca. 15 %. Das ist gar nicht so übel.

Ich verbrachte den Tag heute – aus Vernunft, nicht aus Neigung – zu Hause. Die Mittagspause vergaß ich, so ist das immer zu Hause, weil einen da niemand zur Mittagspause abholt. Dafür hat mich aber die Waschmaschine mehrmals zum Wäscheaufhängen aufgefordert, es hat diverse Male an der Tür geklingelt, einmal von einer Dame in Begleitung einer anderen Dame, die mit mir über die Bibel sprechen wollten, ich überlegte kurz, ob ich sie hereinbitte, Cucinacasalinga war im Stream und Herr N saß im Wohnzimmer, wir hätten zu fünft sprechen können, es wäre unterhaltsam gewesen. Zugunsten meiner 15-%-Chorstimme verzichtete. Was ich sagen will: ich denke, diese ganzen Nebenaktivitäten beliefen sich zeitlich sowieso auf eine übliche Mittagspause.

Um 16:30 Uhr fühlte ich große Schwäche und setzte mich in den Sessel, um 19 Uhr war ich wieder top erholt und beschloss, die schon für gestern geplante Mangold-Quiche anzugehen. Ich hatte immer noch Angst vor dem Riesenmangoldbusch, hatte hier aber neulich ja bereits erklärt, dass man gar keinen Mut braucht, weil man Dinge ja auch feige tun kann. Oder, wie wir im Geschäftsumfeld sagen, „mit Respekt“. Vor dem Verhandlungspartner Mangold hatte ich Respekt. Allerdings wirkte er, als ich ihn aus dem Kühlschrank nahm, schon gar nicht mehr so unfassbar performant wie bei Lieferung. Teil des Mangoldquicherezepts beinhaltet, die Blätter zusammenfallen zu lassen und dem Zusammenfallen hatte der Mangold sich bereits angenähert. Ich hatte leichtes Spiel. Die Mangoldquiche ist schon im Ofen bzw. in diesem Moment ist sie fertig, ich habe sie exakt zwischen dem letzten Satz und diesem herausgeholt und nun muss sie sich noch ein wenig setzen, bevor es Essen gibt.

Mehr gibt es heute auch nicht zu berichten.

Frage aus der täglichen Contentvorschlagliste heute: „Stricken, Häkeln, Handarbeiten“. Finde ich total schön. Wenn andere es machen. M strickt und häkelt, Frau Herzbruch strickt, Cucinacasalinga auch, es entspannt mich sehr, wenn ich daneben sitze und etwas anderes mache. Ich selbst handarbeite nicht. Schuld ist Frau Kleinlosen, meine ehemalige Grundschullehrerin. In der 3. Klasse strickten wir einen Teddybären und füllten ihn mit abgelegten Damenfeinstrümpfen, mein Teddy war blau und quadratisch, ich bekam für die Ausführung eine „3“. Ich hatte überhaupt noch nie eine 3 gehabt und außerdem war der Teddy für mich perfekt, ich war ob der Beleidigung meines Quadratteddys tief gekränkt und habe seitdem nie mehr gehandarbeitet. Wo der Teddy jetzt ist, weiß ich nicht, ich erinnere mich an sein letztes Auftreten in den 90ern, damals, aus Gründen, an die ich mich aber leider nicht mehr erinnere, in der Wohnung meines damaligen Freundes. Möglicherweise hat er den Teddy bei unserer Trennung zurückbehalten. Es handelt sich bei dieser Person übrigens um den Webmaster, der immer Recht hat.

Vielleicht ist aber auch gar nicht Frau Kleinlosen schuld sondern es ist „Disposition“. So gut wie alle, die ich kenne und die handarbeiten, tun das beim Fernsehen oder Hörbuch, Radio, Podcasts, Musik hören. Ich schaue ja kein Fernsehen und höre keine Hörbücher, Radio, Podcasts, Musik. Was soll ich denn machen, soll ich mich einfach auf einen Stuhl mitten in einen Raum setzen und Handarbeiten? Ich könnte natürlich dazu Fernsehen oder Musik anmachen, aber dann übe ich gleich zwei Tätigkeiten auf einmal aus, an denen mir nichts liegt. Das hat zwar den Charme einer gewissen Effizienz, ist aber gleichzeitig auch sehr unnötig.

7. November 2023

In der Nacht gab es ein Problem: meine Nase lief aus. Es ist total faszinierend, wo so viel Rotz kurzfristig herkommen kann. Wie wird das so schnell produziert? Gut, ich war sehr durstig gewesen gestern Abend und hatte noch 2 Liter Wasser im Sessel getrunken. Ich halte es aber für denkbar, dass mehr als 2 Liter nachts aus meiner Nase liefen. Irgendwann stopfte ich mir zerknüllte Taschentücher in die Nasenlöcher, damit mir nicht immer irgendwas über das Gesicht rann.

Anschließend träumte ich, ich sei in der Bahn unterwegs und hätte einen riesigen Popel vor dem Nasenloch hängen, den ich einfach nicht wegschnäuzen konnte. Tja. Tellerlinsen und Popel, welcome to my brain.

Der Coronatest war negativ, ich fuhr mit Maske ins Büro und zog mich dort in mein Zimmer zurück, erledigte Dinge, die vor Ort viel einfacher gehen als zu Hause und packte um 17 Uhr das Gegenteil davon zusammen, nämlich Dinge, die ich zu Hause gut tun kann. Damit werde ich mich morgen beschäftigen. Zu Hause. Remote. FML. Zwischenzeitlich habe ich nämlich eine rote Clownsnase entwickelt, sehr unelegant, passt auch nicht zum Nagellack, ich werde sie morgen zu Hause den ganzen Tag salben und erwarte umgehende Totalgenesung.

Mit Papa N. telefonierte ich am Nachmittag noch kurz, um ihm von meinem Leid zu berichten. Papa N sagte: Sowat kenn ich nicht. Er kann sich nicht erinnern, je Schnupfen gehabt zu haben. Das ist bei einem 86jährigen nicht ungewöhnlich, denken Sie jetzt vielleicht, ich kann mich aber auch nicht erinnern, dass Papa N. seit meine Erinnerung einsetzt je Schnupfen gehabt hätte. Er hatte meiner Erinnerung nach einmal Husten und ein paar Mal (ca. alle 3 Jahre) einen Tag Kopfschmerzen. Darüber hinaus hatte er auch eine bestätigte aber komplett symptomfreie Coronainfektion. Neulich bekam er am selben Tag die Gürtelrose- und Grippeimpfung, hat er nichts von gemerkt. Verblüffend.

Auf dem Heimweg kaufte ich noch das Lieblingsputzmittel für die Putzhilfe ein, es war leer, sie hatte mir letzte Woche ein Foto geschickt, ich kam bislang nicht dazu, weil ich ja verreist war. Heute hatte ich gar nicht mal so Lust, noch einen Einkaufsspaziergang zu machen aber so sehr, wie ich es hasse, nicht alle für mich allerbesten Arbeitsmittel um mich herum zu haben, hasst sie es vermutlich auch. Also musste ich das Putzmittel kaufen.

Zu Hause angekommen war mir dann sehr kalt, ich hüllte mich in eine Heizdecke und saß im Sessel, mir wurde aber immer kälter, also raffte ich mich noch einmal zum Aufwärmen von Linsensuppe und Bereiten einer Wärmflasche auf. Jetzt, nach Linsensuppe, mit Heizdecke und Wärmflasche ist mir zu warm. Am besten gehe ich gleich schlafen.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste: „Freundschaften zu Frauen sind einfacher, oder?“ Glaube ich nicht. Männer haben Freund*innen, Frauen haben Freund*innen, es ist ja gerade bei Freundschaften (im Gegensatz zu Liebesbeziehungen) nicht so relevant, dass es geschlechtlich passt.

6. November 2023

Ich wachte heute Nacht von einem Niesanfall auf, einem eigenen, höchst merkwürdig, 30, 40 Mal niesen. Meine erste Vermutung war, ich hätte im Schlaf irgendwas komisches durch die Nase eingeatmet, eine Fluse, ein Tier (hoffentlich nicht…), irgendwas anderes. Ich war zu schläfrig, alles genau zu ergründen, schlief wieder ein und träumte von Linsen. Frau Herzbruch hatte mir die gesamte Zugfahrt erzählt, Herr Herzbruch würde für ihre Rückkehr Linsensuppe kochen. Seitdem möchte ich auch Linsensuppe, ich kriege das nicht mehr aus dem Kopf. Heute sollte es also Linsensuppe geben, Sellerie, Lauch, Karotten habe ich im Kühlschrank und heute Nacht träumte ich, ich stünde vor dem Küchenoberschrank, nähme die gut verschlossene Plastikdose heraus, öffnete sie und fände eine 3/4-Packung Tellerlinsen. Ich freute mich sehr.

Andere Leute haben aufregend sexuelle Träume oder spirituelle Visionen in der Nacht, ich träume von Tellerlinsen. Man kann es sich nicht aussuchen.

Am Morgen führte mein erster Gang (zur Empörung der Katzen) zum Küchenschrank und der gut verschlossenen Plastikdose. Es sind nur zwei Packungen rote Linsen darin, damit kann man Kokoslinsensuppe oder Karottenlinsensuppe machen aber natürlich keinen guten deutschen Linseneintopf mit Sellerie. Was für eine Enttäuschung. Ich packte Linsen auf die Einkaufsliste. Und Maggi.

Im Büro sortierte ich ein bisschen durch, weniger Unterlagen als viel mehr Köpfe, dann bekam ich am Mittag wieder einen Niesanfall. Wieder 30, 40 Mal. Die Zimmernachbarn schlossen ihre Türen. Bei genauer Betrachtung kratzt auch mein Hals ein wenig. Ich habe dazu keine Lust. Ich sagte alle Präsenztermine für die Woche ab bzw. verwandelte sie in Online-Termine. Das geht mir unfassbar auf die Nerven, ich möchte mögliche Erkältungen einfach wieder ignorieren können, wie früher, gute alte Zeit, ich habe null Interesse daran, sie ernst zu nehmen und mein Verhalten zu ändern, bin nicht an einer Beschäftigung in irgendeiner Form mit möglicher Erkältung interessiert, meine Güte, alles eine Zumutung. Ich knallte meine Tür auch zu. Die Fenster im Büro gehen derzeit wegen Witterung nicht auf, völlige Fehlkonstruktion, wer will denn das Fenster bei warmer Luft öffnen, ich jedenfalls nicht, ich möchte es öffnen, wenn angenehm kühle Luft hineinkommt. Vielleicht trat ich kurz gegen die Wand. Wird sowieso bald gestrichen.

Am Abend zog ich durch die Supermärkte, überall nur rote Linsen, am Ende fand ich vorgegarte braune Linsen, es war zu dem Zeitpunkt sowieso schon so spät, dass es gut war, dass irgendjemand anders die Linsen schon gegart hatte. 3 Teller Linseneintopf gegessen, jetzt sehr satt, werde gleich fragen, was es im Hause Herzbruch die nächsten Tage gibt, damit ich entsprechend einkaufen kann. Wobei ich morgen Mangold-Quiche machen muss, in der Gemüsekiste war ein Busch Mangold, der nimmt den halben (sehr großen doppeltürigen) Kühlschrank ein und muss wirklich weg. Ich hoffe, wir schaffen das, diesen Busch morgen aufzuessen und der frisst nicht uns.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste ist, was ich studiert habe und wie das ins Herz des Kapitalismus geführt hat. Ich habe im wesentlichen Sprachen studiert, habe einen Magisterabschluss in Älterer Anglistik, Amerikanistik, Romanischer Linguistik und ein 1. Staatsexamen (Lehramt Sek I/II in Englisch, Spanisch, Deutsch als Fremd- und Zweitsprache), ich habe VWL (Vordiplom) und BWL (Bachelor) studiert, habe eine Ausbilderinneneignung, ein Übersetzerinnendiplom, eine kaufmännische Ausbildung, eine Ausbildung als Mediatorin, als Systemische Practitioner und – above all! – ein Jodeldiplom. Nichts davon hat ins Herz des Kapitalismus geführt oder alles, keine Ahnung, Konkret ins Herz des Kapitalismus hat mich eine Headhunterin geführt. Ich hatte bis dahin keine Ahnung, dass es solche Arbeitsplätze überhaupt gibt und was man da macht.