Ein Tag ohne fixe Termine UND ich musste morgens nicht das Auto irgendwohin umparken. Es gab also keinen Anlass, den Wecker zu stellen. Ich stellte ihn trotzdem, denn wenn ich nach 9 Uhr aufgewacht wäre, hätte das den Arbeitstag unnötig nach hinten verlagert. Tatsächlich wurde ich aber um 20 nach 7 ganz von alleine wach. Dementsprechend ausgeschlafen war ich den ganzen Tag über. Ich brauche noch nicht einmal Kaffee. Möglicherweise endet meine Kaffee-Phase gerade, ich trinke derzeit viel lieber Tee. Herr Herzbruch trank sogar während der Silvesterfeierlichkeiten Tee und ich war kurz neidisch. Möglicherweise endet nämlich auch meine Sekt-Phase gerade. Ich trank viel Wasser an Silvester. Aber zurück zum Tee, ich habe im Büro eine Riesentasse, knapp 600 ml fasst sie, darin bereite ich mir Tee zu. Der wird natürlich immer kalt, das ist mir aber egal. Immer, wenn ich die Tasse mit dem erkalteten Tee sehe freue ich mich „oh, noch Tee da, super!“. Wenn ich hingegen die Kaffeetasse sehe denke ich „achnaja Kaffee, wird schon rein gehen“. Ich bin gespannt, was passiert.
Ansonsten viel zugehört. Zwei Personen sind in einer Sache uneins, schreiben und sprechen zueinander aber immer in überfreundlich-begeistertem vermeintlichem Verständnis, beide eskalieren einzeln dann in Gesprächen mit mir. Ich habe mich schon länger damit abgefunden, dass ein Großteil meines Jobs darin besteht, Personen zu entschärfen und Situationen einzuordnen, ich sage als „jaja“ und „hmhm“ und „das geht jetzt seit Wochen, Sie kommen so anscheinend nicht weiter, haben Sie mal überlegt, die Taktik zu wechseln und dem anderen zu erklären, wie Sie wirklich darüber denken, einfach Karten auf den Tisch, das sind meine, was sind Ihre, schauen wir mal, was wir daraus machen können, wir wollen am Ende doch dasselbe?“. Das möchten beide nicht, jeder einzeln für sich nicht, was ich verstehe, denn sie würden bei grundsätzlichen Themen landen, bei denen Sie uneins sind, sie wollen aber nicht uneins sein bei grundsätzlichen Themen, denn was dann? Ich bin da entspannt und denke, das sieht man dann schon, irgendwohin wird die Reise ja gehen. Keiner der beiden möchte dieses Risiko aber eingehen, lieber spielen sie ihr Spiel weiter und eskalieren bei mir, so funktioniert das System und es soll mir recht sein, ich werde dafür bezahlt und außerdem fasziniert es mich, ich bin gespannt, wie lange man das so spielen kann und wie es enden wird.
Highlight des Arbeitstages war, dass mir ein (bestellter) Schuhlöffel geliefert wurde. Seit immer hatte ich einen Schuhlöffel aus Metall, bevor ich ihn hatte, lebte er mit mir im Elternhaus, auch das schon immer, und gestern brach er einfach durch. Ich war schockiert! Ich habe ja noch nie ohne diesen Schuhlöffel gelebt! Kurz dachte ich darüber nach, ob ich Maßnahmen ergreife. Reparatur erschien mir angesichts der Lage und Art der Bruchstelle ausgeschlossen. Ein Stück als Memento aufbewahren sicherlich möglich, aber sehr unpraktisch, wohin damit und wozu? Ich werden diesen Schuhlöffel ja sowieso nie vergessen. Also warf ich ihn weg und bestellte einen neuen, mit der Idee, bei Benutzung des neuen Schuhlöffels halt kurz an den alten zu denken, also so lange ich daran denke und wenn nicht mehr ist es dann ja auch egal.
Dieser neue Schuhlöffel wurde heute geliefert und erregte Aufsehen, er ist nämlich 75 cm lang. Das ist Absicht. Es ist ja würdelos, sich beim Schuhe anziehen irgendwie zu verrenken, niemand möchte das. Was wir möchten: ungestört durch Realität noch viele Jahrzehnte lang den Gedanken denken können, dass wir unsere Stiefeletten auf im Auf-einem-Bein-Stehen locker und elegant überstreifen können. Diese Überzeugung möchte nicht durch Versuche angetastet werden, weder heute noch zu einem späteren Zeitpunkt. Dafür benötigt man einen 75 cm langen Schuhlöffel, jetzt bereits, sonst muss man ihn irgendwann später kaufen als upgrade nach einem kurzen, wenn der Rücken steif geworden ist und dann hält das Gedankengebilde nicht mehr so gut. Das verstehe ich unter Vorsorge.
Wie auch immer, es hagelte „was ist das?“, „wofür ist das?“ und „wieso so groß?“, bereitwillig erklärte ich alles. Dasselbe auf dem Heimweg in der S-Bahn. Wenn Sie sich mal einsam und gesprächsarm fühlen, setzen Sie sich mit einem 75-cm-Schuhlöffel in ein öffentliches Verkehrsmittel. Alles ist möglich damit.
Bei mir wohnt auch so ein großer Schuhlöffel, vor Jahren bei Ikea gekauft, leider im Auto nach Hause gebracht. Was ich vergessen habe, er kostete 99 Cent. Ich erinnere mich, dass ich gleich zwei davon mitnahm – wer kann sowas widerstehen – und ich vor kurzem daran erinnert wurde, dass ich einen meinem Sohn gab, der jetzt in Buffalo, NY wohnt. Beste Anschaffung ever!