Ins Büro gelangte ich heute erst um 12:30 Uhr. Seit 9 Uhr war ich allerdings unterwegs. Per Rad, also nicht im Stau oder im S-Bahn-Tunnel gefangen, es war einfach Leben, das dazwischen kam.
Zunächst fuhr ich zum Schneider, denn das blaue Chiffonjäckchen, das mir in New York sehr gute Dienste geleistet hatte und daher unbedingt weiter Bestandteil meiner Garderobe sein soll, hatte einen losen Faden an einer Naht. Das ist keine gute Situation, ich wollte das beheben lassen, bevor noch mehr geschieht. Selbst kann ich das nicht. Einfach Dinge kann ich durchaus zusammennähen, nicht aber Nähte an halbdurchsichtigen Chiffonjäckchen, zumindest nicht zu meiner Zufriedenheit. Bei der Gelegenheit nahm ich noch zwei weitere Kleidungsstücke mit, die ich durchaus selbst hätte flicken können (ebenfalls aufgegangene Nähte). Das hatte in den letzten 1,5 Jahren jedoch nicht stattgefunden, auch wenn ich das kann, habe ich dazu überhaupt keine Lust und hatte diese Aufgabe daher immer weiter aufgeschoben. Bis heute, wie praktisch, da hat sich der Weg zum Schneider immerhin richtig gelohnt. Ich werde nun bald eine türkisfarbene Bluse wieder tragen können und schon vorbereitend auf den Herbst eine schwarz-weiß-gemusterte Strickjacke.
Nach dem Schneider fuhr ich zum Bäcker und dann zum Schuster. Tag des alten Handwerks, sozusagen. Allerdings war ich wegen eines Schlüssels beim Schuster, der Schuster ist auch Schlüsseldienst bzw. ich muss leider sagen: „war“. Es gab das Geschäft nicht mehr, statt dessen eröffnet dort bald „Swedish Candy“ (oder vielleicht auch Danish Candy, irgendein Scandinavian Candy halt, ich bin nicht interessiert, ich habe es mir nicht gemerkt). Ich ergoogelte einen anderen Schlüsseldienst, der auch Autoschlüssel repariert, darum ging es nämlich, bei der letzten Fahrt war mir der Schlüssel – Autoschlüssel sind ja immer in so einem Plastik-Fernbedienungsgehäuse – in der Hand auseinandergefallen.
Nun radelte ich also zu dem anderen Schlüsseldienst, ging hinein und sagte „Sie reparieren ja auch Autoschlüssel, richtig?“. Der Herr im Raum sagte, nein, das täten sie nicht. „An Ihrer Tür ist aber ein Schild, auf dem Autoschlüssel abgebildet sind und daran steht ab 35 Euro“ wandte ich ein. Der Herr ging zur Tür und hinaus, schaute, kam wieder hinein und befand das, nujnja, man dann wohl auch Autoschlüssel reparieren würde. „Ich muss Sie das fragen“, sagte ich, „arbeiten Sie wirklich hier? Man kennt das ja aus dem Fernsehen, so einfach jemand an einem Schreibtisch sitzt und alle denken, es sei der Neurologe und in Wirklichkeit ist es ein Patient, vielleicht sind Sie auch gar kein Autoschüsseldienst sondern ein Autodieb, in dem Fall kann ich ihnen sagen, ohne Maßnahmen geht der Wagen nicht durch den TÜV und ich habe den Kostenvoranschlag noch nicht, besser sagen Sie gleich, wenn Sie hier nicht arbeiten, das ist für uns beide die bessere Lösung.“ Der Mann seufzte und bat mich, ihm das Problem mal zu zeigen – ich hatte alle Schlüsselteile, die ich noch gefunden hatte, in einem Ziploc-Beutel dabei. „Eigentlich 55, wir machen aber 45 denn Sie haben ihn ja schon auseinandergebaut, da sparen wir einen Schritt“, sagte der Mann und „ist in einer Stunde fertig“.
Eine Stunde hatte ich nicht. Der Laden hat Mo – Fr von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Ich habe keine Ahnung, wann ich da jemals wieder zu Öffnungszeiten hingehen kann. Wenn es so weit ist, ist da vermutlich auch schon Scandinavian Candy. Ich beschloss, dieses Problem vorerst zu ignorieren und ließ den Schlüssel da.
Dann hatte ich einen persönlichen Reparaturtermin, unmittelbar danach rief M mich an, denn sie hatte außer Haus übernachtet und keinen Schlüssel dabei. Ich bot ihr an, nochmal durch die halbe Stadt zurückzuradeln und ihr meinen Schlüssel zu geben, vorausgesetzt sie holt den Autoschlüssel bei Hier-keine-Autoschlüssel-aber-vielleicht-auch-bald-Candy ab, so einigten wir uns, Problem gelöst, hurra!
Nun war ich endlich auf dem Weg ins Büro, wobei ich gut auf halbem Weg hätte nochmal umdrehen können, es gab nämlich einen Kaffee-Vorfall. Ich habe aber Wechselkleidung im Büro.
Die Zeit dort verging entsprechend schnell, war ja nur ein halber Tag, dann fuhr ich mit dem Rad wieder nach Hause, nur um dort sofort ins Auto einzusteigen und M mit einer schweren Tasche nochmal wohin zu fahren, die Tasche musste dort abgegeben werden und man kann sehr schlecht parken, es war derselbe Weg, den ich heute vorher schon mehrfach mit dem Rad gefahren war und ich hatte Fahrzeugverwirrung, wollte an roten Ampeln immer vom Autositz aufstehen und mich hinstellen.
Jetzt bin ich im Sessel. Das ist vermutlich besser so.
Vielen Dank für die vielen Marmeladenverwendungstipps, ich werde sie alle ausprobieren.
In der täglichen Contentvorschlagliste wird heute gefragt: „Kommen Bildschirm und Schreibtisch jetzt raus aus dem Gästezimmer, wenn sie nicht mehr verwendet werden, oder werden sie dort nur ab jetzt ignoriert?“
Mir ist unklar, wie es zu der Frage kommen kann. Ich hatte ja schon geschrieben, dass ich momentan weder Zeit noch Lust habe, mich um die Umgestaltung des Raums zu kümmern. Was denken Sie, was passiert? Dass irgendwer aus dem Internet kommt – eher kommen für sowas ja Leute aus dem Fernsehen, glaube ich, da gab es mal so eine Sendung – und das macht? Eins kann ich versichern: dass ich das mache, obwohl ich weder Zeit noch Lust habe, ist keine Realität, die ich jemals betreten habe.