25. Juni 2025 – Nur hier!

Ereignisreicher Tag. Und das, obwohl ich drei Stunden davon relativ reglos im Stuhl der Zahnärztin verbrachte. Davor musste ich rennen, es fuhr nämlich irgendwie rein gar nichts an Bahnen, ich hatte gleichzeitig keinerlei Lust, den ganzen Tag ein Auto am Hals zu haben, also dachte ich, 90 Minuten Fahrzeit werden schon irgendwie ausreichen und näherte mich dem Zielort stückweise an. Der Plan ging nur fast auf, auf dem letzten Stück wurde es recht hektisch. Grund dafür war übrigens, dass ein Mensch – vermutlich in einer Lebenssituation, in der es nicht mehr gelingt, gute Entscheidungen zu treffen – im S-Bahn-Tunnel geschlafen hatte und am Morgen überfahren wurde.

Mein Termin war um 10 Uhr, da war ich noch etwa 500 Meter von der Praxis entfernt und beschloss, lieber leicht zu joggen als das Telefon zu bemühen. Um 10:05 stand ich vor der Tür der Praxis, als mein Telefon schellte – man wartet ungern in dieser Praxis, völlig zu Recht natürlich, ich drückte auf die Klingel, statt auf Handy und dann war ja auch schon alles gut.

Heute wurden im wesentlichen lauter Dinge vermessen und Provisorien angefertigt, die Praxishilfe entschuldigte sich, dass Abdrücke notwendig ware. Abdrücke sind mir aber total egal, ich war nur interessiert, warum es unten Himbeergeruch gab und oben nicht. Das hatte eine Erklärung, der Abdruck unten musste weniger präzise sein und war daher mit Alginat als Abdruckmasse, der oben wurde mit Polyether gemacht.

Auf dem Weg von der Zahnärztin zur Bahn trank ich den besten Eiskaffee meines Lebens, was daran liegen kann, dass ich bis dahin – es war nun ja schon 13 Uhr – vergessen hatte, irgendwas zu essen oder zu trinken.

In der Bahn war es auch wieder nett. Zwei mittelalte Herren stiegen ein, sie begleiteten eine Gruppe junger Männer, denen es aus unterschiedlichen Gründen schwer fiel, Bahn zu fahren. Einer konnte nicht gut sitzen bleiben, ein anderer wollte gar nicht erst einsteigen, ein dritter hielt sich die Ohren zu und wollte sich zunächt nicht hinsetzen, einer der mittelalten Herren konnte ihn ein wenig beruhigen. Er schaute sich um – und wollte dann nicht irgendwo, sondern ganz sicher neben mir sitzen. „Nur hier“‚, sagte er sehr bestimmt. Ich kann nicht erklären warum und es ist etwas bizarr: für mich fühlte es sich so an, wie neben einer Katze zu sitzen. Die Fahr verlief dann ohne Zwischenfälle, sie stiegen alle vor mir aus, so dass ich nicht durch eigenes Aussteigen Unruhe stiften musste.

Im Büro hatte ich den ersten einer jetzt regelmäßigen Serie von Videocalls, die ich angeregt hatte, die Teilnehmenden sind meine Counterparts an zwei anderen europäischen Standorten, der eine Standort ist sehr klein und quasi unser Satellit, die Kolleginnen am anderen Standort sind neu, so dass ich viel Absprachebedarf sehe. In dem Gespräch warnte ich vor einem Fehler in unserer Finanzsoftware, auf den ich gestern gestoßen war. Und zwar gibt es drei Wege, den Stand der offenen Fälligkeiten eines Kunden abzufragen – ungünstigerweise führen sie jedoch zu drei unterschiedlichen Ergebnissen.

Im einen Fall hat das mit Wechselkursthemen zu tun, im zweiten mit fehlschlagenden automatischen Aktualisierungen, der dritte Weg – der richtige – erfordert noch einmal Zugriffsrechte auf einem höheren Level und ich vermutete, die anderen haben diese Rechte nicht. Ich hatte sie bis gestern Abend nämlich auch nicht. Die Problemlösung wird wohl dauern, jedenfalls hat bisher noch keine der zuständigen Personen reagiert und ich werde morgen unfreundlich nachhaken.

Mir ging es jedenfalls heute darum, dass niemand der anderen in diese Falle tappt, die mich gestern halt gleich zweimal erwischt hatte. Einem Kunden die Außenstände zweimal und dann auch noch unterschiedlich falsch mitteilen, muss man in dieser Form ja auch erst einmal zustande bringen. Zu meiner völligen Verblüffung verwendeten die Kolleg:innen aus Belgien und Frankreich viel Zeit darauf, mir zu sagen, wie leid es ihnen tut, dass mir das passiert ist und wie unangenehm es doch gewesen sein muss. Das war in meiner Gedankenwelt jetzt so gar nicht angelegt. Ja, war natürlich doof, aber war ja gestern, heute schauen wir, dass es nicht wieder und auch niemandem sonst passiert.

Ich war jedenfalls verwundert, erst etwas ungeduldig, dann fand ich es auch irgendwie nett, es war eine sonderbare Erfahrung für mich. Ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals in den Kopf gekommen wäre, so zu reagieren, maximal würde ich vielleicht „what an unbelievable piece of shit!“ sagen. Ich habe hier noch Gelegenheit, an meinem interkollegialen Repertoire zu arbeiten!

Der Heimweg per Rad nach Hause – das Rad stand noch von gestern am Büro – verlief nach Törtchen und Champagner sehr beschwingt. Trotz Hitze. Seit ich Radieschen mit Salz esse, ist mir heiß und ich bin verschwitzt, wie normale Menschen. Das Kopfdröhnen, die Übelkeit und der leichte Schwindel den ganzen Tag sind bislang weg. Da es erst drei wirklich heiße Tage seither gab, mag das natürlich noch Zufall sein.

1 Kommentar zu „25. Juni 2025 – Nur hier!“

  1. Ich bin immer wieder begeistert von Ihren Beobachtung des menschlichen Lebens und fasziniert wenn Sie beschreiben das Sie eine neue menschliche Reaktion entdecken. Das finde ich so spannend und ist mir ein Grund warum ich so gerne die unterschiedlichsten Blogs lese.

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