Gestern hatten wir die Formen der Gewinnausschüttung, heute kommen also die Kennzahlen. Also die Kennzahlen zur Beurteilung einer Dividende.
Irgendwie muss man ja zu einer Einschätzung kommen können, sagen können, ob sie hoch oder niedrig ist und in Bezug auf was überhaupt, “hoch” und “niedrig” sind ja relative Begriffe und finden erst im Vergleich einen Sinn.
Betrag der Dividende
Das ist der absolute Betrag der Dividende – also der Euro-Betrag, der pro Aktie ausgezahlt wird. Ein einfacher Wert, der natürlich immer und von allen mit dem Betrag der Dividende der Vorjahre verglichen wird – je nach Interessenlage bewerten die Betrachtenden ihre Beobachtung aber natürlich unterschiedlich.
Der Betrag der Dividende sagt für sich allein noch nicht viel aus. Nehmen wir als Beispiel nochmal die Lindt & Sprüngli AG, die haben am 27.4.23 eine Dividende in Höhe von 1.300 CHF (also ca. 1.333 EUR) gezahlt. Und im Vergleich BMW, die haben am 16.5.23 eine Dividende in Höhe von 8,50 EUR gezahlt.
Eine Person, die eine Lindt & Sprüngli-Aktie hat bekommt also einen höheren Euro-Betrag als Dividende ausgezahlt als eine Person, die eine BMW-Aktie hat.
Dividendenrendite
Die Dividendenrendite betrachtet die Dividende im Verhältnis zum aktuellen Börsenkurs der Aktie. Die Fragestellung ist hier also: wie viel krieg ich für mein eingesetztes Geld? Man kann mittels der Dividendenrendite verlgeichen, welche Aktie mehr an Dividenenerträgen im Vergleich zum Kurswert (also: ihrem Preis) bringt als andere.
Man teilt dafür den Betrag der Dividende durch den aktuellen Kurswert und multipliziert mit 100, um ein % – Ergebnis zu erhalten.
Bei Lindt sieht es so aus: der Aktienkurs (der sich natürlich täglich ändert) lag bei der Ausschüttung bei 115.392,48 EUR, so viel hat also eine Aktie gekostet. Teilt man das durch 1.333 EUR und multipliziert mit 100, erhält man 1,15 %. Die Dividendenrendite von Lindt betrug also 1,15 %.
Bei BMW lag der Aktienkurs bei 106,16 EUR, im Vergleich also ein Schnäppchen. Es gab aber ja auch nur 8,50 EUR Dividende. Die Dividendenrendite beträgt hier 8,50/106,16*100, also 8,01 %.
Eine Person, die eine Lindt-Aktie hat bekommt also prozentual pro Euro, den sie bezahlt hat, weniger als Dividende ausgezahlt als eine Person, die eine BMW-Aktie hat.
Wichtig an dieser Stelle: mit der wirtschaftlichen Realität des Unternehmens hat das alles nicht direkt etwas zu tun. Die Dividendenrendite ist eine rein rechnerische Größe. Sie bezieht sich auf den Aktienkurs und der Aktienkurs zeigt an, wie hoch der Börsenwert, also: die Nachfrage nach Anteilen (=Aktien) an dem betreffenden Unternehmen ist. Der Aktienkurs ist kein direkter Indikator dafür, wie profitabel ein Unternehmen ist.
Und noch einmal wichtig: die Dividendenrendite ist nicht dasselbe wie die Aktienrendite. Die Dividendenrendite ist ein Teil der Aktienrendite. Die Aktienrendite schauen wir uns jetzt nicht genauer an, weil das Thema hier die Divdende ist.
Ausschüttungsquote (in Bezug auf den Gewinn)
Erst ab jetzt kommt bei unserer Betrachtung der Geschäftserfolg des Unternehmens ins Spiel, nämlich mit der Ausschüttungsquote.
Wir können zum einen den Ausschüttungsbetrag (also: den Gesamtbetrag, der in Dividenden ausgeschüttet wird) in einen Bezug zum Gewinn setzen, dann rechnen wir: Ausschüttungsbetrag/Nettogewinn*100
Ganz platt könnte man annehmen, die Ausschüttungsquote gibt Auskunft darüber, ob das Unternehmen sich die Dividendenzahlung überhaupt leisten kann. Aber so einfach ist es natürlich auch wieder nicht.
Dennoch: wenn die Ausschüttungsquote über 100 % liegt, also der gesamte Ausschüttungsbetrag größer ist als der Gewinn, den das Unternehmen in der entsprechenden Periode gemacht hat, dann lohnt es sich natürlich zu schauen, woher das Geld kommt, das da verteilt wird.
Und wenn die Ausschüttungsquote unter 100 % liegt, ist es natürlich interessant, wie der Rest des Gewinns verwendet wird und warum die Verteilung so getroffen wurde.
Daneben gibt es noch einen anderen Aspekt, der wichtig ist, nämlich die Ausschüttungsquote in Bezug auf den Free Cash Flow.
Ausschüttungsquote (in Bezug auf den Free Cash Flow)
Die Ausschüttungsquote in Bezug auf den Free Cash Flow berechnet man Ausschüttungsbetrag/Free Cash Flow*100.
Vielleicht fragen Sie sich, was da jetzt der Unterschied zum Gewinn ist oder was Free Cash Flow überhaupt ist. Das erkläre ich jetzt.
Gewinn und Free Cash Flow (FCF) sind beides sind Kennzahlen, die anzeigen, wie profitabel ein Unternehmen ist. Aber Gewinn bemisst die Wertsteigerung eines Unternehmens, ist eine buchhalterische Größe und Free Cash Flow misst nur Zahlungsströme und stellt die liquiden Mittel dar, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen.
Als Beispiel: Wenn ich ein hochwertiges Büromöbel kaufe, das 1.000 EUR kostet, fließen sofort 1.000,00 EUR. Nämlich von meinem Konto an das Möbelhaus. Diese 1.000 EUR stehen mir sofort weniger als freie Mittel zur Verfügung.
In Bezug auf den Gewinn, also in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), wird der Vorgang aber anders gesehen. Ich habe die 1.000 Euro ja nicht einfach verloren, sondern ein Möbel dafür bekommen, und das hat einen Wert, der mir nun gehört. Der Besitz meines Unternehmens hat sich also erst einmal nicht verändert. Das Möbel ist (zunächst einmal) 1.000 EUR wert und der Wert sinkt dann mit den Jahren. Das wird mit Abschreibungen dargestellt. Über 13 Jahre ist mein 1.000 EUR-Möbelstück jedes Jahr 1/13 weniger wert und damit sinkt mein Besitz in der Gewinn- und Verlustrechnung viel langsamer.
Im FCF habe ich also sofort 1.000 Euro weniger, in der GuV habe ich erstmal gar nicht weniger und dann pro Jahr 923,07 Euro und so weiter, in diesem Fall sinkt mein Bilanzgewinn also viel langsamer als mein Cash Flow.
Zusammenfassend: der Cash Flow misst nur Zahlungsströme, keine Abschreibungen, Rückstellungen und so weiter.
Doch noch mehr über den Unterschied zwischen Gewinn und Free Cashflow, Beispiel Amazon!
Generell reicht das als Hintergrundwissen zum Cash Flow, aber ich finde das so aufregend, ich erzähle noch mehr. Wem es zu viel ist, springt einfach bis zur nächsten Überschrift!!
Grob kann man sagen, die Ein- und Ausgaben werden beim Cash Flow nicht oder zumindest weniger geglättet als in der GuV. Es gibt weniger, sagen wir mal, “Gestaltungsmöglichkeiten”.
Aus steuerlicher Sicht ist es oft günstig, möglichst wenig Gewinn zu erzielen. Aus Börsensicht hingegen ist es günstig, möglichst viel Gewinn zu haben. In der GuV gibt es einen gewissen Spielraum, im Cash Flow ist der Spielraum viel enger. Dafür kann der Gewinn in der GuV viel stärker aufgespalten betrachtet werden (als EBITDA, EBIT, operatives Ergebnis etc.), man kann bei der Analyse des Gewinns eines Unternehmens deshalb viel differenzierter in die Tiefe gehen.
Die Unterscheidung Gewinn vs. Cash Flow ist eine, auf die wir zum Beispiel bei der Betrachtung von Amazon immer wieder stoßen:
Amazon weist bekanntlich so gut wie keinen Gewinn aus (und schüttet auch keine Dividende aus), aber der Cash Flow (sowohl der Free Cash Flow als auch der operative Cash Flow, das sind die entnahmefähigen Finanzmittel plus Capex, also Investitionsausgaben) sind bis 2022 immer angestiegen. Das liegt daran, dass Amazon ein absolutes Wachstumsunternehmen ist und die Gewinne reinvestiert, wirklich ungewöhnlich viel und sehr divers, manche sagen: aggressiv reinverstiert. Nicht umsonst sinken die Kurse der Wettbewerber in jedem neuen Markt, in den Amazon geht.
Amazon hat also nicht so viel Bilanzgewinn, der zu versteuern wäre und schüttet keine Dividende an die Aktionär*innen aus, weil es ja nichts zu verteilen gibt. Aber wenn man sich fragt, ob sich die Unternehmung Amazon an sich überhaupt lohnt, gibt der Blick auf den Cash Flow nochmal ein ganz anderes Gewürz in die Suppe.
Andersherum kann der Cash Flow auch ein Warnsignal sein: Wenn in der Bilanz eines Unternehmens der Gewinn deutlich höher ist als der Cash Flow, ist es möglich, dass der Gewinn zukünftige vereinbarte Zahlungen schon einbezieht, die aber eben noch nicht eingetroffen sind (also: noch nicht geflossen sind, deshalb vom Cash Flow noch nicht erfasst werden). In diesem Fall lohnt es sich, genauer hinzuschauen, denn: shit happens, möglicherweise kommen die Zahlungen aus irgendeinem Grund dann doch nicht, wir haben hier eine Taube auf dem Dach aber halt noch nichts in der Hand.
Wozu diese Kennzahlen?
Alle oben vorgestellten Kennzahlen sind natürlich hauptsächlich im Vergleich interessant:
Wie hat sich die Ausschüttungsquote in den letzten Jahren entwickelt? Wie ist sie innerhalb der Branche einzuschätzen? Wie ist die Ausschüttungsquote in Bezug auf die Dividendenrendite und den Betrag der Dividende einzuschätzen ist – wurde ein größerer oder kleinerer Teil des Gewinns ausgeschüttet, um die Dividendenrendite oder den Dividendenbetrag stabil zu halten?
Das alles sind Informationen, die zur Lage und Strategie des Unternehmens Auskunft geben können, sie haben eine starke Signalwirkung.
Beim nächsten Mal schauen wir, an wen sich diese Signale richten.