28. Juni 2023

Zwei Dinge habe ich heute zu berichten.

Ad 1: Ich habe eine neues Hobby gefunden. Ich werde nun regelmäßig mit Politiker*innen korrespondieren. Sehenden Auges, dass diese Korrespondenz vermutlich einseitig bleiben wird. Ich peile ca. drei bis fünf Nachrichten pro Woche an, ich schreibe ja gern.

Das Ganze kommt so: Zum ersten muss ich mich ja, weil Sommer ist, über alles fürchterlich aufregen. Über Dinge, über die ich sonst nach kurzem Augenzucken gelassen hinwegsehe, muss ich mich schon unfassbar aufregen, über Dinge, die mich sonst schon ärgern kann ich mich kaum noch halten und muss im Kreis rennen oder Treppen steigen, bis mir die Puste ausgeht. Persönlich bekannte Menschen aus meinem näheren Umfeld deuten schon an, dass sie an meinem Verhalten den Beginn einer neuerlichen sehr, sagen wir, „beschleunigten“ Phase ablesen.

Zum zweiten bringt es natürlich genau gar nichts, alles, was mich stört, in einem beliebigen Netzwerk herauszutröten. Bestenfalls kann ich mich dann ein bisschen mit Menschen mit anderer Meinung streiten, schlechtestenfalls finde ich mich in einer Echokammer wieder und werde sekündlich noch genervter. Ich benötige daher eine Alternative.

Und so kam mir, dritter guter Grund, der Gedanke, dass die Personen, die wirklich zuständig sind, vermutlich viel zu wenig sinnvolles Feedback erhalten, also Lob und Kritik, die über Geplärre hinausgeht. Das ist meistens so in Entscheidungspositionen. Ich kenne das beruflich ja selbst.

Einen vierten Grund gibt es sogar auch noch: ich werde – auch, wenn es gar keine Antworten gibt – sehr viel lernen. Oft weiß ich nämlich gar nicht genau, wer für etwas, worüber ich mich aufrege, wirklich zuständig ist. Das werde ich dann jeweils recherchieren, ich bin heute schon bei einer Kurzrecherche, bei wem ich mich für die neuen Fahrradstraßen in Offenbach bedanken könnte, auf hochinteressante Informationen gestoßen, Offenbach hat ein politisches Informationssystem, in dem man Sitzungsmappen herunterladen und sich wirklich en detail informieren kann. Den Sitzungskalender für Parlament und Ausschüsse konnte ich mit einem Klick in meinen Google-Kalender importieren. Ich glaube, es wird ein zeitintensives Hobby, perfekt für einen langen Sommer, in dem wegen zu warm keinerlei Verabredungen nachgehen möchte.

Ad 2: Bekanntlich (?) bereite ich mich auf so gut wie jedes berufliche (manchmal auch private) Gespräch vor und habe immer Notizen. Keine Ausführlichen, aber ein Post-it mit den Punkten, die ich auf jeden Fall besprechen möchte zum Beispiel. In der Zusammenarbeit mit dem nOC ist das unerlässlich, da habe ich ja Zeitslots von 5 bis 10 Minuten pro Woche und um da alles bestmöglich weiterzubringen, muss ich nicht nur priorisieren sondern auch nach Themengebieten zusammenfassen und Zeit für ein „ähm“ ist da sowieso nicht. Aber auch in anderen Gesprächen. Ich habe sowieso immer verschiedene Post-its mit Namen auf meinem Schreibtisch und darunter sammle ich die Punkte, die ich mit der entsprechenden Person durchgehen möchte, über ein oder zwei Tage, wir wir uns dann zusammensetzen. Oder, wenn es um ein komplexeres Thema geht, bereite ich mir natürlich auch die Hauptpunkte vor, die meiner Ansicht nach thematisiert werden müssen.

Diesen Zettel lege oder klebe ich dann im Meeting vor mir auf den Tisch, der ist ja nicht geheim, wenn mein Gegenüber Interesse zeigt, schiebe ich ihn auch mal in die Mitte. Vor ein paar Tagen geschah es nun, dass ich eine etwas umfangreichere Verständnisfrage an den Datenschutzbeauftragen hatte und auch da den Zettel mit meinen Punkten auf den Tisch klebte. Er sagte dann „was ist das denn für ein Aggro-Move?“ Auf meine Nachfrage sagte er, es wirke auf ihn wie „hier ist meine Agenda und so machen wir das jetzt“, also reichte ich ihm den Zettel rüber und sagte „dann machen Sie mal Ihre Agenda und es würde mich freuen, wenn wir meine Punkte berücksichtigen könnten“. Kurioserweise hatte er dann gar keine eigene Agenda, wie auch, wie soll er antizipieren, was ich nicht verstanden habe?

Ich finde es eher einen wertschätzenden Umgang mit der Zeit der anderen Person, wenn ich mich auf das Gespräch vorbereitet habe und nicht später noch zig mal nachfassen muss, weil mir im Meeting gerade irgendein wichtiger Punkt nicht mehr einfiel oder wir uns in eine andere Richtung verquatscht haben.