Das dunkle Herz des Kapitalismus – Teil IV

Durch Herumreisen und eine Milliarde Grad wegen Sommer wurde ich kurz unterbrochen, aber jetzt geht es weiter. Heute mit Cum-Ex!

Um das Spielfeld komplett aufzuspannen brauchen wir jetzt noch einen Überblick über die verschiedenen Interessengruppen in Bezug auf die Ausschüttung. Das sind:

  • Das Unternehmen (die Geschäftsleitung)
  • Die Aktionär*innen
  • Weitere “Stakeholder”

Unternehmen

Das Unternehmen wird vertreten durch die Unternehmensleitung, die nach einer sinnvollen operativen und strategischen Ausrichtung der Ausschüttungspolitik strebt. Sinnvoll operativ und strategisch heißt in diesem Fall: das Unternehmen soll stabil im Wettbewerb bestehen. Dazu sind verschiedene Maßnahmen notwendig und dafür wiederum sollen genug finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Aktionär*innen

Die Aktionär*innen wollen mit der Aktie Geld verdienen, entweder über Kursgewinne (also teurer verkaufen als sie eingekauft haben, das geht aber natürlich immer nur einmal pro Kauf) oder kontinuierlich über Dividenden. Das Interesse ist meist Gewinnmaximierung. Sie vergleichen alternative Unternehmen und ihre Strategien und kommen zu einem Urteil, wo sie ihr Geld einsetzen möchten. Hinweise zur Beurteilung geben ihnen dabei die Kennzahlen, die wir oben angeschaut haben.

Exkurs: Bin ich ein Schlaufuchs, wenn…

Bin ich ein Schlaufuchs, wenn ich mir viel Geld leihe, davon einen Haufen Aktien, bei denen von einer Dividendenzahlung auszugehen ist, ganz kurz vor der Hauptversammlung kaufe, die Dividende einheimse und sie danach sofort wieder verkaufe?

Nein, so funktioniert das in der Regel nicht und zwar aus folgendem Grund (Achtung, im Folgenden ist nur der Zeitablauf in Deutschland geschildert):

Der Dividendenanspruch entsteht am Tag der Hauptversammlung – dieser Tag wird auch Cum-Tag genannt. An diesem Tag muss die Aktie spätestens im eigenen Depot landen, damit man berechtigt ist, eine Dividende zu erhalten.

Auf der Hauptversammlung wird dann der Dividendenbeschluss gefasst und sofort am Banktag nach der Hauptversammlung ist der Ex-Tag. An diesem Tag wird die Aktie an der Börse “ex dividende” gehandelt, das wird durch ein “exD” oder “exDiv” hinter dem Kurswert gekennzeichnet.

Und das bedeutet zwei Dinge: Zum einen wird vom Kurswert die Dividende abgezogen. Der Börsenkurs der Aktie fällt also am Ex-Tag (wenn man andere Marktfaktoren ausklammert) um die Höhe der Dividende. In einem Chart zur Kursentwicklung sieht man dann eine Lücke.

Zweitens bedeutet es, dass diejenigen, die eine “exD”-Aktie kaufen, keinen Anspruch auf die aktuelle Dividendenzahlung haben (in späteren Zeiträumen dann natürlich schon). Ein Käufer hat also bei einer “exD”-Aktie zunächst einmal keine Dividende und kein Bezugsrecht, dafür aber einen niedrigeren Kurs beim Kauf der Aktie. Und ein Verkäufer hat eine Dividendenzahlung, muss aber dafür beim Verkauf der Aktie Kursabschläge hinnehmen.

Am 2. Banktag nach der Hauptversammlung ist Record Date, an diesem Tag ermitteln die Banken die dividendenberechtigten Aktien. Und am 3. Banktag nach Hauptversammlung ist Pay Day. die Dividende wird ausgezahlt. Und was wir jetzt wissen: man wird an diesem Tag nicht plötzlich um die Dividendenrendite “reicher”, weil sich ja gleichzeitig der Wert der Aktie im Depot um den Dividendenbetrag verringert.

Man kann also in der Theorie durchaus am Tag vor Cum einen Kredit aufnehmen, viele Aktien kaufen, hat sie rechtzeitig im Depot, bekommt am Pay Day die Dividende und verkauft die Aktien dann sofort wieder und zahlt den Kredit zurück. Schlaufuchsig ist das aber nicht unbedingt, denn a) wird man die Aktien zu einem (wie gesagt, andere Marktfaktoren ausgeklammert) um die Dividende verringerten Kurs verkaufen, hat also nichts eingenommen b) zahlt man auf den Kredit vermutlich Zinsen und c) zahlt man auf die Dividende Steuern – abgesehen vom Freibetrag natürlich. Und man kann die Verluste aus dem Aktienverkauf (der ja exD ist) verrechnen, nunja, Steuern sind nicht mein Fachgebiet aber alles in allem ist sprunghafter wahnsinniger Reichtum innerhalb von drei Bankarbeitstagen bei diesem Plan nicht zu erwarten.

Lohnt es sich dann überhaupt, Aktien wegen der Dividende zu kaufen, wenn der Aktienkurs um den Dividendenbetrag sinkt, also ist das nicht ein Nullsummenspiel? In der Regel lohnt es sich, weil sich der Aktienkurs sich oft nach einer Dividendenzahlung mittelfristig gut erholt und oft auch überkompensiert, zum Beispiel aus psychologischen Gründen (die Aktie wirkt ja gerade viel billiger!) oder auch wegen der Signalwirkung der Dividendenzahlung.

Exkurs Cum-Ex

Die Begriffe Cum und Ex haben Sie sicherlich aus anderem Zusammenhang in Erinnerung, nämlich von den Cum-Ex-Geschäften. Und das ist tatsächlich gar kein ähnlicher Zusammenhang, sondern derselbe Zusammenhang wie oben beschrieben. Bei den Cum-Ex-Geschäften (und auch bei den Cum-Cum-Geschäften) geht es genau um diesen Zeitraum, den ich oben beschrieben habe, im Zusammenhang mit Short Selling (also: Leerverkäufen) und der mehrfachen Erstattung von Kapitalertragsteuer.

Als Privatperson können Sie das (soweit ich weiß, ich bin aber keine Expertin in Steuerhinterziehung) nicht machen, als Unternehmen gibt oder gab es Wege. Die sind allerdings – das hat der Bundesgerichtshof im Juli 2021 bestätigt – illegal.

Weitere Stakeholder

Viele weitere Personengruppen haben direkte oder indirekte Interessen an dem Unternehmen. Nur Beispielhaft ein paar Gruppen und ihre Interessen:

  • Fremdkapitalgeber*innen: pünktliche Bedienung von Krediten
  • Mitarbeiter*innen: Erhalt von Arbeitsplätzen, Lohnerhöhungen
  • Lieferant*innen: Stabile oder steigende Einkäufe und Zahlungsfähigkeit
  • Kund*innen: Preisstabilität, Produktverfügbarkeit, Innovation, Nachhaltigkeit
  • Politik und Öffentlichkeit: Steuerzahlungen, Arbeitsplätze, Produktverfügbarkeit, ethische Standards/Umweltstandards

So. Jetzt haben wir alles. Im fünften und letzten Teil, hoffentlich morgen, wenn nicht wieder eine Milliarde Grad sind, ziehen wir das nochmal zusammen.