3. Februar 2024

Komisch zerfranster Tag, irgendwie funktionierte alles und fühlte sich dabei sehr provisorisch an. Schon das Aufwachen – erst war ich viel zu früh um halb 6 wach, weil ich etwas unentspanntes geträumt hatte, das zweite Mal wurde ich dann um kurz nach 8 von der Türklingel geweckt, auch das noch. Die Zeit bis 10 Uhr verging mit verschiedenen Aufräumtätigkeiten und dem ersten Kaffee, um 10 Uhr fand ich, es wäre nun ausreichend spät, das Haus mit Gesang zu beschallen. Ich schuldete dem Gesangslehrer noch eine Aufnahme. Wir alle wissen, wie scheiße es ist, sich selbst auf Aufnahmen sprechen zu hören und sich selbst singen zu hören macht die Sache keineswegs besser. Ich brauchte acht Anläufe, bis ich etwas hatte, bei dem ich es über mich brachte auf den „Senden“ Knopf zu drücken.

Ach ja, einen Termin zum Haareschneiden habe ich noch gemacht, gleich nach dem Aufstehen und dem ersten Blick in den Spiegel. Ich wollte eigentlich in zwei oder drei Wochen gehen aber das geht nicht, ich habe zu viele Termine in der nächsten Zeit, bei denen ich wirklich nicht noch das Gefühl haben möchte, schlecht frisiert zu sein. Der Friseur hat allerdings Urlaub, was nicht schlimm ist, es gibt ja auch eine Friseurin dort, die schneidet für meinen Geschmack sogar etwas besser, hat aber die für mich ungünstigeren Arbeitszeiten. So werde ich nun also am Dienstagvormittag dorthin gehen, das sollte klappen, weil ich ja hoffe, Montag wieder ansatzweise Kontrolle über meinen Schreibtisch zu haben. Zaghaftes Hurra.

Am Abend konnte ich M zu einer Party fahren. Das kam ewig nicht mehr vor, es war richtig schön, im Auto bekomme ich immer viel erzählt. Letztendlich verfuhr ich mich noch, völlig absurd, es handelte sich um einen Weg, den ich während der Coronazeit, insbesondere, als man hier abends um 22 Uhr zu Hause sein musste, täglich zwei- bis viermal gefahren bin und manchmal zwischendurch angehalten habe, um auszusteigen, tief durchzuatmen und nicht durchzudrehen und auf dem ich mich – beim Warten – auch mal neben eine Katze auf den Gehweg setzte, um sie zu streicheln, und dabei einschlief, neben dem Auto auf dem Gehweg. Wie absolut verrückt das alles war.

Heute ist in der täglichen Contentvorschlagliste eine Frage, zu der ich ratlos bin: „Ich bin ein ziemlich distanzierter Mensch, obwohl ich mich seit Jahrzehnten sehr um nahe Beziehungen bemühe. Schon meine oft etwas floskelhafte Sprache verrät das. Wie kann ich eine „annäherndere“ Sprache lernen, haben Sie Tipps für mich?“

Ich habe keine Ahnung davon. Ich verstehe schon die Frage nicht richtig, es sind drei Aspekte, die ich nicht gut zusammenbringe. a) distanzierter Mensch, b) sucht Nähe, c) ist sprachlich distanziert, möchte Sprache lernen, die Nähe erzeugt. Ich kriege nur zwei dieser Dinge zusammen, dass ein distanzierter Mensch sich distanziert ausdrückt, ist folgerichtig, das passt zusammen. Wo kommt jetzt die Nähe rein? Warum möchte die Person, die sich als distanziert beschreibt, Nähe und wenn die Person Nähe möchte, warum ist sie dann distanziert? Hier hänge ich fest.

Ich lasse das mal beiseite und wende mich der Sprache zu. Ich glaube nicht, dass Sprache an sich distanziert sein kann, das hat immer auch mit dem Inhalt zu tun. Beispiel sind hier Floskeln. Wir nehmen mal einen Klassiker: „Wie geht es Dir?“ Floskelhafte, inhaltslose und daher distanzierte Antwort: „Passt schon/Ganz gut/Nie besser“ etc.

Warum machen wir das? Weil die Antwort aus der Nähe ganz häufig nicht in das Setting passt. Falscher Ort, wie eine flüchtige Begegnung auf der Straße, die morgendliche Begegnung an der Kaffeemaschine am Arbeitsplatz. Falsches Umfeld, wie z.B. in einer größeren Gruppe, bei denen nicht zu allen ein Vertrauensverhältnis besteht. Falscher Zeitpunkt, insbesondere auch falscher Zeitpunkt im Gespräch, wir sitzen noch nichtmals richtig am Tisch, da ist diese Frage wirklich ein bisschen hoch gegriffen, „und, wie war dein Tag bisher“ hätte auch ausgereicht. Zu schnell, falscher Rhythmus, falsche Zeit, falsche Person, falscher Ort für Nähe, wir gehen auf Distanz, sprachlich, mit Floskeln.

Die Person, die diese Frage stellt, geht offenbar sehr häufig auf Distanz, öfter, als sie selbst eigentlich möchte. In dem Fall würde ich mich fragen: was ist mein Nutzen. Irgendeinen wird es ja geben. Die Kosten haben wir schon beziffert: wenn ich mich nicht offenbare, kann ich nicht gesehen werden, wenn ich zu sehr auf Abstand bin, finde ich keine Verbindungen, keine Resonanz. Ich mache das trotzdem. Warum also, was bringt es mir? Der verspürte Nutzen muss größer sein als die Kosten, sonst würde ich das nicht instinktiv und immer wieder so machen. Irgendein Bedürfnis wird damit erfüllt. Da würde ich anfangen, zu schauen. Was bringt die Distanz? Wenn ich das weiß, kann ich überlegen, ob die Rechnung für mich wirklich gut aufgeht oder ob ich diesen Nutzen auch irgendwie anders herbeiführen kann, so dass ich in meiner Gestaltung von Nähe/Distanz freier werde.

Mehr fällt mir dazu nicht ein.

3 Kommentare zu „3. Februar 2024“

  1. Bei dem Thema Distanz bin ich Fachmann. Die zugrunde liegende psychische Konstitution nennt sich Schizoide Persönlichkeit. https://de.wikipedia.org/wiki/Grundformen_der_Angst#Schizoide_Pers%C3%B6nlichkeiten
    Bei einer Therapie lernte ich Dinge über Selbst- und Fremdwahrnehmung, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ich war wochenlang verblüfft darüber, wie andere mich wahrnehmen. Ratschläge lassen sich hier schwer bis gar nicht vermitteln. Es bedarf der Übung. Gruppentherapien machen sich sehr gut und helfen, wenn man denn darunter leidet. Viele Eigenbrötler, Introvertierte, schizoide Menschen kommen gut mit sich allein und der Einsamkeit. Andere wie mich macht es krank. Ferndiagnosen zu erstellen liegt mir fern. Ich wollte nur erwähnt habe, daß Hilfe, auch therapeutische Hilfe existiert. Es ist mir deswegen wichtig, weil Menschen wie ich an diese Möglichkeit zuletzt denken, das liegt in der Natur der Sache.

    1. Ich habe mich schwergetan mit der Freischaltung des Kommentars, weil er als psychologische Einschätzung/Beratung gelesen werden könnte und das können wir hier ausdrücklich nicht machen. Beim zweiten Lesen ist es für mich viel mehr der Bericht von der eigenen Erfahrung, die immer wertvoll und hilfreich als Einblick und Impuls für andere ist. Vielen Dank dafür.

      Die Person, die ursprünglich die Frage gestellt hatte, bitte ich, ebenfalls den Erfahrungsbericht im Vordergrund zu sehen – und – so wie es hier ja auch steht – nicht etwa eine Ferndiagnose herauszulesen.

      (Nebenher können Sie sich gern darüber amüsieren, dass ich jeden Troll fröhlich freischalte und dann bei einer völlig höflichen, themenbezogenen, reflektierten Antwort ins Schwimmen komme.)

      1. Habe schon geahnt, daß es ambivalent ist.

        Um das gleich nochmal mit dem Thema zu verbinden, schildere ich mal, wie ein Mensch mit schizoiden Mustern da denken kann.
        Kommentar abgelehnt = > Typisch, da öffnet man sich EINMAL und dann ist’s auch wieder nicht recht. Niemand versteht mich.
        Ich hatte damals durch Feedbacks lernen können, daß Sarkasmus und Zynismus, auch in der Sprache, Distanz schafft und daß ich, wenn ich wirklich alles um mich herum zum Witz mache, eine perfekte, undurchdringliche Mauer aufbaue. Dabei bin ich (Selbstbild) zeitlebens davon ausgegangen, daß ausgerechnet mein Humor das Verbindende sei.

        Aber, wie ich im Deutschlandfunk hörte, kommt die moderne Psychologie vom Konzept der Persönlichkeitsstörungen ab.
        https://www.deutschlandfunk.de/psychiatrie-diagnosen-icd-100.html

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