4. November 2023 – HerzRegen in Wien!

Ich habe noch einen Teil Reisebericht nachzuliefern.

Gestern haben wir so viel erlebt, dass ich gar nicht mehr alles zusammenbringe. Frau Herzbruch war beim Aufwachen quasi wie neu, das war unerwartet, aber auch gut. Körperlich meine ich, in Bezug auf Persönlichkeit war sie unverändert, das war mir sehr recht, man hat sich ja auf eine bestimmte Disposition der Urlaubsbegleitung eingestellt, wenn jetzt ein ganz anderer Mensch morgens im Raum wäre, müsste man sich umgewöhnen. Das wollte ich eigentlich gar nicht schreiben.

Wir gingen zunächst Frühstücken. Das Frühstück war gut und ich bekam meinen ersten guten Kaffee in Wien. Ich hatte um den größtmöglichen Kaffee gebeten, mir wurde ein Latte Macchiato empfohlen mit „schön viel Milch“, ich bat darum, noch einen weiteren Espressoshot zuzufügen und dann war es gut. Bisher waren meine Kaffees in Wien tendenziell grauenhaft. Kleine Tassen, eher unaromatisch-plörrige Angelegenheiten, wenig Wumms. Frau Herzbruch theoretisiert, dass es eventuell daran liegt, dass Wien ja eine eigenen Kaffeekultur hat, wir bei uns hingegen ja nie eine hatten und daher die (für mich geschmacklich überlegene) italienische Kaffeekultur angenommen haben. Zum sehr guten Kaffee gab es ein hervorragendes Egg Benedict.

Man saß sehr gut, daher saßen wir sehr lang und schon war es Zeit, aufzubrechen um mit dem Hop-on-Hop-off-Bus zum Schloss Schönbrunn zu fahren. Frau Herzbruch hatte uns dort eigeninitiativ eine Strudel-Show gebucht.

Es ließ sich alles sehr schlecht und tourifallenhaft an und war dann ein super Erlebnis. Bis zum Ende blieb völlig unklar, ob Strudelshowbäcker Robbie seinen Job irrsinnig liebt oder abgrundtief hasst, er war jedenfalls komplett on edge und das machte es spannend, für einen kurzen Moment hielt Frau H (und ich selbst) es nicht für ausgeschlossen, dass er gleich Strudelteig nach mir wirft. Der Strudel selbst war okayisch, auf Kaffee hatten wir angesichts der bisherigen Erkenntnisse zugunsten von Cola Zero verzichtet. Frau H besuchte noch die schlimmsten Toiletten von ganz Wien, dann machten wir eine VR-Tour über die Herrschaftsgeschichte Österreichts, anfangs war mir vom Herumfliegen angenehm übel, dann wurde es langweilig.

Weiter ging es Hop-on-Hop-Off, zunächst zum Stephansdom, unangenehme Pro-Palästina-Demo davor, wir gingen hinein, es war gerade Messe, ich regte an, dass wir uns ein bisschen dazu setzen, um in Ruhe schauen und das Ambiente wirken lassen zu können, Frau H ging darauf scheinbar emotionslos ein aber entwickelte im Verlauf ein mir unvertraute Emphase in der Situation und schleifte (oder schliff? Der Ton wurde recht scharf) mich zum Abendmahl.

Anschließend kehrten wir zurück in die Bristol Bar, dort waren wir am Vortag ja schon gewesen. Ein Zufallsfund. Frau H hatte wegen Schulterschmerzen gesagt, sie würde gern irgendwo sitzen, wo es gute Cocktails gibt und Sessel mit Armlehnen, zentrale Lage, also hatte ich diese Parameter in die Google-Bildersuche eingegeben und wir waren auf die Bristol-Bar gestoßen, die perfekte Erfüllung aller Kriterien bot. Ich trank den besten Cocktail der Welt: „Styrian Oil“, er enthält Old Plum Rum und Kürbiskernöl. Wir mussten dann leider weiter zum Essen, reservierten den Tisch in der Bar aber für 21:30 Uhr.

Das Essen hätten wir uns besser erspart, es war ein insgesamt unnötiges Erlebnis, ich glaube, Frau Herzbruch beschreibt es genauer, ich habe selbst keine Lust mehr, es in meinem Kopf zu haben. Zurück in der Bar wurde alles ganz hervorragend, der Kellner stellte sich als Erfinder des „Styrian Oil“ heraus und verriet uns das Rezept. Wir blieben, bis wir den Eindruck hatten, wir sollten gehen, um den Heimweg noch absolvieren zu können. Das Kofferpacken vertagten wir auf den nächsten Morgen.

3. November 2023 – HerzRegen in Wien!

Gleich am Morgen ein großer Erfolg: ich konnte Herzbruch für die Bonbons begeistern, die ich schon durch 3 Länder getragen habe, um sie vor der Putzhilfe zu verstecken. Die hat sie mir nämlich geschenkt, also ohne Absprache hinterlassen, ich esse aber gar keine Bonbons, Herr H auch nicht und M kann sie nicht essen, weil sie Süßstoff enthalten. Wegwerfen war schade und auch schwierig, denn wir haben üblicherweise nur 1x Müll pro Woche und den entsorgt eben die Putzhilfe, wenn sie das irgendwie gesehen hätte, hätte es sie gekränkt, Deshalb waren die Bonbons seit längerem in meinem Koffer, man weiß ja nie, ob man im Urlaub eventuell plötzlich ein anderer Mensch ist, so einer, der Bonbons lutscht zum Beispiel. Oder Halsschmerzen bekommt und dankbar ist, wobei ich dankbar sowieso bin, es ist ja eine total nette Geste, womit die Bonbons ihren Zweck – Freundlichkeit, Beziehung, gute Stimmung – durchaus erreicht hatten und nur als Objekt nun eben wieder aus der Welt geräumt werden mussten. Aus meiner Welt. Sie sind jetzt in Frau Herzbruchs Welt, sie mag Bonbons.

Dann hat die Wohnung noch ein spannendes Feature, über das ich nachdenke, es geht um die Fenster. Die Decken sind sehr hoch, Altbau, ich denke, ungefähr wie bei mir, also 3,60m. Die Fenster gehen bis knapp zur Decke und wenn man sie öffnen möchte, muss man sie ganz öffnen. Davor hängen aber Rollos, die müssen zu diesem Zweck ganz nach oben. Wenn sie ganz oben sind, kommt man aber nicht mehr dran. Zur Abhilfe haben sie eine Öse, in die man einen Stab mit Haken einführen könnte, um sie wieder nach unten zu ziehen. Ich finde in der ganzen Wohnung – die von der Einrichtung her recht übersichtlich ist – aber keinen Stab mit Haken! Es ist ein Mysterium. Anders geht es nicht, es gibt auch keine Trittleiter und keinen Stuhl zum Draufstellen (es gibt nur Barhocker). Ich habe keinen Anlass, die Rollos herunterzuziehen, ich schlafe unverdunkelt und bei offenem Fenster. Aber es interessiert mich ganz generell. In allen Räumen, allen Schränken, neben und hinter den Schränken, unter den Betten, beim Bügelbrett, beim Wäscheständer, bei der Gastherme, im Gäste-WC, unter dem Sofa habe ich geschaut. Wo verstecken die das?

Nun muss ich aufstehen. Frau Herzbruch hat mir am Bett Kaffee serviert, gute Mitarbeiterinnen muss man bei Laune halten. Wir gehen jetzt zu den Pferden!

2. November 2023 – HerzRegen in Wien!

Meine Güte, war die Fahrt anstrengend! Als ich aufwachte, meldete meine BahnApp „Großstörung“, Frau Herzbruch war zu diesem Moment schon am Bahnhof und teilte mit, ihr Zug führe nicht. Ich leitete sie schnell um zu einem anderen, der fuhr dann aber auch nicht, ein dritter möglicher war nicht da. Während sie also in Düsseldorf Trainhopping machte, duschte ich, packte den Koffer fertig und ging zum Bahnhof, um innerhalb der nächsten 1,5 Stunden irgendeinen Zug zu erwischen, der mich die 8 Minuten nach Hanau fahren würde. Dort wollten wir zusammentreffen.

Vorab: so gelang es nicht. Während ich in Hanau stand und auf meinem Gleis „5 Minuten Verspätung wegen Durchfahrt eines anderen Zuges“ angekündigt wurde, fuhr eben dieser Zug mit Frau Herzbruch drin an mir vorbei. Wir wussten nun also sicher, dass sie vor mir war, was den bestmöglichen Fall darstellte, denn sie hätte ja eigentlich schon in Frankfurt in meinen Zug umsteigen müssen – der war aber schon weg, als sie dort ankam. Wie gesagt, nun war sie vor mir (keine Ahnung, wo man meinen Zug so lange zwischengeparkt hatte), nächster gemeinsamer Halt war Würzburg, aber für dort nur 1 Minute zwischen ihrem Zug und meinem angekündigt inklusive Gleiswechsel. Sehr knapp aber wir sorgten uns, dass mein Zug ihren eventuell in Würzburg überholen würde und riskierten es daher und zum Glück ging alles gut. Zum großen Glück, Frau H war nämlich die Person mit dem Frühstück in der Tasche.

Die weitere Fahrt war entspannt und ereignislos, außer dass eine alte Frau fand, Frau H spräche zu laut. Wir tauschten dann die Plätze, also Frau H und ich, so dass sie die Frau nicht mehr sehen musste und da ich die Frau sehr schnell wieder vergessen hatte, war sie damit für uns erst einmal verschwunden.

In Wien wurden wir dann auch gleich wieder gemaßregelt wegen „am Weg stehen“ (in einem 6 Meter breiten Gang, der zu verschiedenen U-Bahnen führte – unser Ansinnen war, uns zu orientieren), als wir dann aus der U-Bahn herauskamen war alles wunderschön. Alle Häuser sehr hübsch, alle um uns herum sprachen, als würden sie extra für uns Österreich-Ambiente produzieren wollen, die Unterkunft super gelegen und einfach zu finden. Dort angelangt stießen wir mit Sekt auf uns und unsere Reise an, räumten die Wohnung ein wenig um und gingen dann die Straße hinunter einkaufen – fast ausschließlich Getränke, wir planen, nur außer Haus zu essen.

Wieder zurück musste Frau Herzbruch überraschend noch etwas arbeiten und es war so spannend, dass ich bei den Recherchen half, ich wurde etwas mitgerissen und fast hätten wir unseren Gansl-Termin verpasst. Der war um 20 Uhr im Plachutta. Es ging sich dann aber noch aus. Sie sehen, wir sind schon etwas integriert. Das Martini-Gansl war hervorragend und wurde begleitet von ausgezeichnetem Rotkraut und den besten Semmelknödeln, die ich je aß. Wir aßen alles auf, dann war Frau Herzbruch erlegt vom Gansl und musste nach Hause transportiert und auf’s Bett gelegt werden, während ich weiter Recherchen durchführte. Und jetzt bin ich angenehm müde. Ich denke, mit einem Mozartkugel-Betthupferl gehe ich jetzt schlafen und lasse Frau H die Nacht durcharbeiten.

1. November 2023

Endlich der richtige Monat. Das Beste kommt immer fast zum Schluss.

Morgen fahre ich mit Frau Herzbruch nach Wien, ich freue mich schon sehr. Wir haben viele Essensreservierungen und ein paar Pläne und es steht stundenlange Konversation auf den Programm. Eine kleine Nervosität habe ich nur, denn wir haben die Züge ungeschickt gebucht. Frau Herzbruch – sie hat die längere Strecke – muss in den richtigen Zug umsteigen und wenn ihr Zubringerzug verspätet ist, der richtige aber nicht, fällt bei ihr zwar die Zugbindung aber bei mir nicht. So dass wir dann einzeln fahren und ich mit fremden Menschen 7 Stunden plaudern müsste. Das will natürlich niemand. Nächstes Mal buchen wir für beide die lange Strecke, dann kann dieses Problem nicht auftreten.

Heute packe ich den Koffer auch gar nicht gegen Mitternacht, ich bin schon damit fertig. Brauche natürlich auch nicht viel, nur Kleidung für 3 Tage, ein paar Ersatzschuhe falls Regen), die üblichen Kabel und Endgeräte, Badezimmerzeug und eine Flasche Sekt ist noch im Köfferchen. Frau Herzbruch möchte morgens um 8 mit mir im Zug Sekt trinken. Schauen wir mal. Also ob sie den Zug erwischt oder ob ich mit fremden Leuten morgens um 8 Sekt trinke. Ich habe übrigens, das habe ich Frau Herzbruch noch nicht erzählt, den Bahnstatus silber erreicht. Ich wusste gar nicht, dass es den gibt. Frau H reist also mit einer VIP und wenn sie in Österreich dann immer ihren Professorinnentitel erwähnt, werde ich sagen „und ich bin Novemberregen, Bahnstatus silber“. Mit Bahnstatus silber kann man in der Theorie 8 Freigetränke bekommen, bei allen meinen letzten Fahrten gab es aber leider gar keine Gastronomie an Bord. Und dieses Mal haben wir ja den Sekt selbst dabei. Weiter könnte ich ein paar Mal in die Lounge, ich will aber ja gar nicht in die Lounge, ich will, dass die Reise wie geplant funktioniert und dann gibt es ja gar keinen Grund, in die Lounge zu gehen. Und dann könnte ich noch ein besonderes Team anrufen, das mir mit Sachen hilft. Will ich aber auch nicht, ich will alles online buchen.

Die tägliche Contentvorschlagliste fragt heute: „Was geschah eigentlich mit dem Klavier?“ Komische Frage, was geschieht denn üblicherweise mit Klavieren? In meinem Fall, denke ich, nichts weiter ungewöhnliches: es steht im Wohnzimmer und wird seltener gespielt, als ich beim Kauf gedacht hatte.

31. Oktober 2023

Ich schreibe heute aus dem falschen Sessel. Dieser Sessel gehört eigentlich gar nicht hier hin, er gehört in Ms Zimmer, steht hier nur vorübergehend wegen eines gemeinsamen Fernsehvorhabens (seit einem halben Jahr, bisher nicht eingetreten). Der Kater liegt nun in meinem Sessel und hat sich die Niedlichkeitsmaske übergestülpt, so dass ich es nicht übers Herz bringe, ihn zu vertreiben. Also sitze ich im Kindersessel. Seufz.

Der Tag war voller Crazyness. Auf dem Weg ins Büro war meine Station gesperrt wegen einer Handgranate, die jemand dort platziert hatte. Was ist mit den Leuten?! Im Büro sanfter Wiedereinstieg nach dem Urlaub, allerdings nur, weil ich am Wochenende schon von zu Hause gearbeitet hatte. Einige Dinge wären sonst schief gegangen, ich habe ja nur noch morgen und dann bin ich schon wieder im Urlaub.

Dafür hatte für heute die Hausverwaltung um ein Gespräch gebeten, zur Prozessverbesserung, wie meine Ansprechpartnerin schreib. Ich war interessiert. Seit Jahresanfang läuft alles immer schlechter, Gewerke sind nicht vernünftig instruiert, Termine werden nicht eingehalten, die Kommunikation ist unterirdisch und teilweise verliefen Arbeiten so ungesteuert, dass ich in den letzten Wochen mehrfach Fremdfirmen aus unseren Räumlichkeiten verwiesen hatte. Das kann sehr gerne verbessert werden. Ich hatte mir den Ablauf so vorgestellt, dass meine Ansprechpartnerin sagen würde „Sie hatten in den letzten Monaten zahlreiche Beschwerden, so kann es natürlich nicht weitergehen, wir haben intern diverse Maßnahmen ergriffen, mit deren Details ich Ihnen nicht die Zeit rauben möchte, ich möchte mich nur entschuldigen und versichern, dass es ab jetzt besser läuft und wenn nicht rufen Sie mich bitte sofort persönlich an, ich bin verantwortlich“.

Statt meiner Ansprechpartnerin kamen aber sieben Herren, die alle unterschiedliche Bereiche von irgendwas leiteten, sie sagten „managen“, ich sage bewusst nicht „verantworten“, denn genau das wollten sie nicht. Statt dessen wollten sie erzählen, was genau wie vorgefallen ist und wie schwierig alles sei, insbesondere das Personal, sie selbst könnten da wenig abhelfen, denn sie seien ja die Manager. Ich fragte nach, wie das genau gemeint sei – nach meinem Verständnis ist es ja die Aufgabe von Managern, etwas zu managen, das wären dann wohl die Projekte bei uns und dieses managen gelänge in meinen Augen derzeit nicht sonderlich gut. Wer könnte dafür verantwortlich sein, wenn nicht der Manager? Die Situation wurde von den sieben Herren als „verhärtet“ wahrgenommen. Ich fragte noch einmal konkret nach dem Sinn des Gesprächs. Sieben Personen nehmen sich Zeit, mich unangekündigt anstelle der erwarteten Person zu besuchen und mir zu erzählen, wie schwer sie es haben. Welche Reaktion wird von mir erhofft? Die Antwort blieb für mich sehr unklar und ich brach das Gespräch ab.

Zum Ende des Tages nahm sich eine weitere eigentlich viel beschäftigte Person Zeit für einen Videocall mit mir, in dem ich ihr Zahlen aus einer Tabelle nannte, die ich ihr vorher bereits per Mail zugeschickt hatte. Vielleicht haben die Menschen für nichts außer Redundanz mehr einen Nerv. Ich habe allerdings für Redundanz keinen Nerv mehr. Nochmal seufz.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste: „Was reizt Sie am (Chor-)Singen? Warum gerade dieser Chor?“

Was mich am Chorsingen reizt ist etwas völlig anderes, als was mich am Singen reizt. Am Singen an sich reizt mich gerade das komplett Individuelle, der Umgang mit der eigenen Stimme. Die meisten kennen das vermutlich: man singt und es klingt dann leider nicht so, wie erhofft. Mich interessiert, was ich daraus machen kann, was ich lernen kann, wie weit ich meine Stimme verändern und unterschiedliche Dinge ausdrücken kann und wo Grenzen sind.

Am Chorsingen reizt mich das Zusammenspiel der Stimmen. Einmal innerhalb der eigenen Stimme, für einen harmonischen Chorklang ist es ja wichtig, sich innerhalb der eigenen Stimme anzupassen und abzusprechen, nicht mit Worten sondern beim Singen, in dem auf die anderen gehört wird, ich finde superspannend, wie das funktioniert. Und akustisch mag ich das Zusammenspiel der unterschiedlichen Stimmen, ich stehe deshalb auch gern an der Stimmgrenze, damit ich die anderen Stimmen besser hören kann. Chor wird dann spannend, wenn nicht mehr jede Stimme einfach ihr Ding macht, sondern auch zwischen den Stimmen aufeinander gehört wird – wer hat wann das Thema, wo sind Parallelen, die dann möglichst auch parallel verlaufen sollten, wie sind die Harmonien und so weiter.

Den Chor habe ich sehr pragmatisch ausgewählt, indem ich bei Google „Chor Offenbach“ eingegeben habe und dann auf GoogleMaps nachgeschaut habe, welcher am nächsten liegt. Mein Chor probt fußläufig knapp 10 Minuten von meiner Wohnung entfernt. Diesen Chor habe ich dann recherchiert, um herauszufinden, ob der Anspruch für mich passt. Das war der Fall. Das Repertoire ist für mich fast nebensächlich, so lange es kein Jazz oder Gospel ist, das mag ich nicht. Also bin ich zum Ausprobieren hingegangen und dageblieben.

30. Oktober 2023

Meine Güte, was für ein Tag. Am Morgen besichtigte ich ein Altenheim. Man sagt nicht Altenheim, lernte ich dort, weil das an Kinderheim erinnert und das war früher etwas Schlimmes. „Wohnanlage“ kommt besser an. Sofort an Papa N. getestet: stimmt. Die Wohnanlage gefiel mir sehr gut, es gab viele Begegnungsmöglichkeiten, es wird viel gefeiert, alle waren zu allen nett (also auch die Verwaltungschefin im Vorbeigehen zu den Putzleuten etc.). Dass es mir gefällt ist natürlich nicht ganz so relevant, ich plane derzeit keinen Umzug in eine Wohnanlage für Seniorinnen. Papa N. wird sich das Ganze demnächst auch einmal anschauen.

Anschließend hatten wir einen Termin mit dem Bestatter, da Papa N. einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließen möchte. Der Bestatter, den wir bereits kennen, war allerdings krank und stattdessen kam (nach telefonischer Absprache) eine Kollegin. Das Gespräch war etwas skurril, denn die Dame begann mit „Ich mache sowas ja gar nicht gern, denn ich glaube, das bringt Unglück!“, woraufhin Papa N: „Ich glaube, wat Sie sagen is Quatsch!“ antwortete. Die arme Frau hatte glaube ich Angst vor uns, oder vor der Situation? Ich weiß es nicht. Ihre Hände zitterten und sie verhaspelte sich ständig, begann später eine kleine Litanei, wer alles in ihrem Bekanntenkreis kürzlich welche fürchterlichen Tode gestorben sei, da stieg Papa N. ein und berichtete, auf welchen Beerdigungen er kürzlich war und als die Frau wieder weg war befand er „man konnte ja ganz gut mit der quatschen“. Also alles bestens.

Danach döste ich in den auf Seniorentemperatur aufgeheizten Räumen (25 Grad, ächz) immer wieder benommen weg, bekam dafür nachmittags den ersten Weckmann der Saison.

Später Zugreiseangelegenheiten.

Die tägliche Contentvorschlagliste fragt nach Sorgen. Derzeit habe ich keine, vielen Dank. Ich könnte mir natürlich welche machen, das Angebot an Möglichkeiten zur Sorge ist überwältigend, ich habe mich aber dagegen entschieden. Man kann sich ja aussuchen, ob man sich sorgt oder nicht, es ist eine Form der Aufmerksamkeitssteuerung, denn die Sorge ist nur in meinem Kopf. Das kann man üben. Fällt manchmal leichter und manchmal schwerer, natürlich. Momentan fällt es mir recht leicht, mir keine Sorgen zu machen.

29. Oktober 2023

Ein ganz erstaunliches Nicht-Gespräch habe ich vorhin geführt. Es ist so: ich bin wieder verreist, wusste beim letzten Umstieg bereits, dass ich noch eine Pizza essen möchte und rief deshalb am Zielort in einer Pizzeria an, um eine Margherita zum Abholen in 20 Minuten zu bestellen. So weit, so gut.

Als ich ankam, war keine Pizza fertig oder in Vorbereitung. „Genau, du hattest angerufen, schön dass du da bist, dann machen wir jetzt die Pizza!“ Ich sagte „Eigentlich hatte ich mir das so vorgestellt, dass die dann fertig oder fast fertig ist, wenn ich ankomme, also außer natürlich, es ist superviel los, aber hier ist ja überhaupt niemand außer mir.“ Verwunderung allenthalben, als sei es eine ganz merkwürdige Idee, eine Pizza zum Abholen für eine bestimmte Zeit zu bestellen. „Was dachtet ihr denn, warum ich angerufen habe?“ – „Ja nur so.“

Es war noch weiter verwirrend, ich hatte einen Rollkoffer dabei. „Kommst Du gerade von einer Reise der gehst du auf eine Reise?“ – „Ich BIN auf einer Reise. Ich bin aus Frankfurt gekommen und jetzt bin ich hier und morgen fahre ich wieder zurück.“ – „Mit dem Flugzeug?“ – „Um Himmels Willen, warum denn mit dem Flugzeug?!“ – „Wegen dem Koffer. Und man hört ja einiges über Frankfurt.“ – „Was hört man denn so über Frankfurt?“ – „Ja so dies und das.“ – „Da ist schon noch mehr außer Flughafen.“ – „Ja eben!“

Ich verbuche es als ein Gespräch, dessen Intention die Beziehungsebene war.

Beziehungsebene heute auch in der täglichen Contentvorschlagliste: „Verbindet SocialMedia mein Leben mit deinem Leben?“ ¡qué sé yo! Ich habe ja keine Ahnung, wer diese Frage gestellt hat.

Ganz generell natürlich ja, Sie lesen offensichtlich hier. Das ist eine relativ einseitige Verbindung, bei der nur ich in Erscheinung trete und Ihnen allenfalls als Spiegel, als Projektionsfläche oder als Entertainment dienen kann. Ein wenig wechselseitig wird es in diesem Moment durch diese Frage, die ich beantworte, der Faden hängt aber noch ziemlich lose. Für eine beständigere gegenseitige Verbindung müssten Sie wiedererkennbar interagieren. So lange das nicht der Fall ist, kann es nur sein, dass das, was Sie lesen, bei Ihnen irgendetwas hinterlässt. Ob und was kann ich Ihnen nicht sagen.

28. Oktober 2023

Ich lag doch falsch in Bezug auf Halloween, das ist nämlich heute. Jedenfalls an unserem Küchentisch. 10 junge Erwachsene (wenn der Schuhcount im Flur zuverlässig ist) sitzen um den Tisch, trinken Alkohol und spielen ein Kartenspiel. Die Verkleidung beschränkt sich im Wesentlichen auf geschminkte Gesichter, später planen sie, „noch wohin“ zu gehen, ich bin mir da nicht so sicher. Aber ist mir auch egal.

Natürlich habe ich gefragt, warum heute Halloween ist. „Weil Mittwoch Schule ist“ war die Antwort. Sehr vernünftig! Ich habe sofort noch zwei Flaschen Sekt gespendet, den ich nicht mag, letztes Jahr an meinem Geburtstag wurde er versehentlich geliefert und weil die Zeit knapp war dachte ich „besser schlechter Sekt als gar kein Sekt“, ganz kurz später (nach dem ersten Schluck) dachte ich dann aber auch schon „besser gar kein Sekt als schlechter Sekt“ und dann viel mir ein, dass es Gorillas und so gibt und alles wurde gut. Angesichts der fundierten Erkenntnis „besser gar kein Sekt als schlechter Sekt“ hielt sich der falsche Karton recht lang, das waren nun die letzten beiden Flaschen.

Ich war heute schon ganz früh mit meinen Plänen für den Tag durch. Eigentlich wollte ich nur kurz Brötchen holen, dann sah ich einen super Parkplatz und parkte das Auto um, dann sah ich, dass bei der Augenbrauenzupffrau keine Schlange war und kehrte dort ein, dann sah ich, dass im Supermarkt wenig los war und ging dort auch noch hin, zwischendrin war die Wäsche durchgelaufen und mit dem Aufhängen waren alle Wäscheständer voll und während Violinista wie verabredet anrief, kandierte ich noch eine Ladung Zitronen. Wir haben nämlich nochmal Zitronen geschickt bekommen, der Anbieter war der Ansicht, die Lieferung sei qualitativ minderwertig gewesen. Ich hatte zurückgeschrieben, dass die Lieferung super war und ich keinesfalls „Ersatz“ benötige, das Paket war aber schon unterwegs, dann fragte ich noch, ob ich es denn dann bezahlen könne und erhielt eine Antwort, die so ungefähr besagte, man würde die Brieffreundschaft mit mir jetzt gerne einstellen und sich wieder dem Zitronenanbau widmen, wenn ich dann doch bitte Ruhe geben könnte. „Schenken Sie die Zitronen doch einfach Freunden oder Nachbarn“. Jedenfalls, gegen MIttag war alles erledigt, den Nachmittag verbrachte ich am Schreibtisch mit Erwerbsarbeit, auch das weniger mühsam als befürchtet. Morgen noch 2-3 Stunden, dann sollte die Situation stabil sein.

Der heutige Wunschcontent befasst sich mit der Frage, welches das wichtigste Möbelstück in meiner Wohnung ist. Ich hab keine wichtigen Möbelstücke. Je nachdem, was ich gerade mache, sind mir die jeweils dazu passenden Möbelstücke wichtig. Ich schlafe sehr gut in meinem Bett, ich blogge sehr gut in meinem Sessel, der Küchentisch ist zum dran sitzen und reden hervorragend geeignet. Der Kleiderschrank bewahrt die Kleidung gut auf, ist aber etwas in die Jahre gekommen und wackelig und wird wohl, wenn ich mal Lust habe, Möbelstücke zu ersetzen, als erstes an der Reihe sein.

Ich weiß nicht, wie das bei anderen ist. Sitzen Sie jetzt, wo Sie das lesen, gerade zu Hause und denken boah, der Stuhl hier, wichtigstes Möbel ever, würde ich bei Feuer als allererstes hinaustragen? Vielleicht ist das bei anderen anders als bei mir. Ich hänge mehr an der Funktion als an der Form. Es macht mich wahnsinnig, dass im Büro mein neuer Schreibtischcontainer, wenn er abschließbar sein soll (was er sein soll) nur in der Office Variante (die innen einen Metalleinsatz hat, der nur halbhoch ist und den ich akustisch schlecht finde) verfügbar ist statt auch in der Home Variante (die einen Holzeinsatz hat, höher, bessere Akustik). Ich fand es schlecht, dass bei meinem alten Kühlschrank der Türanschlag auf der Seite war, auf der er für meine Bewegungsabläufe ungünstiger war und dass das nicht geändert werden konnte und habe beim Kauf des neuen Kühlschranks auf so etwas geachtet. Ich kann nur sehr schlecht damit leben, dass wir zwei Büroküchen haben, identisch eingerichtet und bei dem Hängeschrank mit den Kaffeetassen drin, und auf dem einen Stockwerk ist die Anschlagdichtung an der linken Seite der Flügeltür (so dass links vor rechts zu schließen ist) und auf dem Stockwerk darüber auf der rechten Seite der Flügeltür (so dass rechts vor links zu schließen ist), ich bin kurz davor, das persönlich umzumontieren und es ist mir völlig schleierhaft, wieso das außer mir überhaupt noch niemand bemerkt hat. Das sind Dinge, die mich umtreiben.

27. Oktober 2023

Heute war Tag der Rückfahrt, ich habe – keine Ahnung was da los war – exakt von 4:30 Uhr bis 6:20 Uhr geschlafen, dann waren wir 12 Stunden unterwegs. Dem Kalender nach ist Freitag. Morgen und übermorgen arbeite ich, Montag habe ich wieder frei, Dienstag und Mittwoch Büro, Donnerstag neue Reise. Die Nacht am Wochenende wird eine Stunde mehr haben. Ich sage voraus, dass ich in Bezug auf Wochentage bis auf Weiteres sehr verwirrt sein werde.

In der tägliche Contentvorschlagliste steht heute: „Sehnsucht“. Ich erwähnte gestern die Sehnsucht nach den Katzen, die sind jetzt hier (bzw. ich bin wieder hier, die Katzen waren es ja die gesamte Zeit), das war einfach.

Gut, dann mache ich das Fass mal auf. Wer, wie ich, immer sehr schnell rennt, hat für Sehnsucht wenig Zeit. Es ist ja immer alles sehr voll, sehr gedrängt, wie soll ich bemerken, dass mir etwas fehlt, wie sollte ich nach mehr verlangen, wenn doch alles schon so viel ist. So viel Gutes, Schönes, Unterhaltsames, Lustiges, Erfreuliches auch.

Und dann gibt es die kleinen Momente, in denen nichts ist, häufig bei Autofahrten, manchmal beim Warten an Bahnsteigen, ein bestimmtes Licht, ein bestimmter Wind, Wortfetzen, ein Duft. Wonach ich mich dann sehne, ist Leichtigkeit. Das Gefühl von Unsterblichkeit oder auch Unbesiegbarkeit ist mir schon vor Jahrzehnten abhanden gekommen – das ist okay, das war nicht so wichtig. Leichtigkeit ist mir wichtig. Ich kann sie bisher weiter aufrechterhalten, es wird aber immer schwieriger, kostet mich immer mehr. Meine Freundschaften sind natürlich entsprechend ausgerichtet, das passt schon. Doch darüber hinaus, alles weiter was drum herum ist, bietet immer weniger Windschatten, um auch mal einfach mitcruisen zu können. Es scheint mir, als ob fast die ganze Welt zunehmend gerne schwermütig ist und die Melancholie pflegt. Daran bin ich nicht so interessiert. Nach der Leichtigkeit, die ich um mich herum oft zufällig fand, die mir hier und da ganz unvermittelt begegnete, sehne mich mich und das zieht manchmal so sehr an mir, dass ich auf einem Parkplatz rausfahre und aussteige, mit den Füßen aufstampfe und alles versuche, nicht einfach laut zu schreien, weil dann vermutlich irgendwelche Personen zur Hilfe kommen würden und warum ich keine Hilfe brauche, wäre schwer zu erklären.

Wonach ich annähernd genauso Sehnsucht habe ist Auseinandersetzung. Denken Sie jetzt nicht sofort „Streit“. Ich meine genau das, was ich sage: Auseinandersetzung, die Bereitschaft, sich mit anderen Personen und ihren Haltungen und Meinungen auseinanderzusetzen statt sofort die Argumente aufzureihen, die beweisen, wer Recht hat. Recht haben ist in den allermeisten Fällen komplett irrelevant und es gibt nichts langweiligeres als Zustimmung, das Gespräch kann dann sofort abgebrochen werden, es ist ja nichts Neues mehr zu erwarten. Was mich interessiert ist, auch mit Unterschieden Wege zu finden, einen anständigen Umgang miteinander pflegen zu können. Ich sehen mich nach Gesprächen, in denen ich nicht Zustimmung bekomme sondern einen neuen, zusätzlichen Blickwinkel. Die sind sehr selten geworden. Meistens ist es Zustimmung oder Rückzug.

Diese beiden Sehnsüchte zu füllen ist nicht so einfach wie die Sache mit den Katzen, zugegeben.