16. Februar 2024

Mein Plan war heute, meinen Büroschreibtisch wieder unter Kontrolle zu bringen. Das ist mir gelungen. Im Nachhinein kann ich auch nicht mehr sagen, was genau das Problem war. Ich habe schlicht eine Sache nach der anderen gemacht ohne nennenswerte Pause und wenn ich auf Sachen stieß, die jetzt gar nicht gemacht werden mussten, habe ich sie auf einen Termin in der Zukunft geschoben.

Zwischendrin machte ich Mittagspause mit Fragmente. Manchmal fällt mir wieder ein, dass Fragmente eigentlich Biologin ist. Das sind Momente, in denen sie mich anschaut wie irgendeine Art von „Specimen“, von allen Seiten, mit einem analytisch-fasziniertem Gesichtsausdruck. Wenn ich ihr von meinen nächtlichen Erlebnissen berichte beispielsweise und klar wird, dass gar kein Alkohol im Spiel war.

Nach der Mittagspause arbeitete ich munter weiter und schob Probleme wieder dahin, wo sie hingehören – eine fette Versicherungsrechnung zum Beispiel, über der ich schon seit Tagen gebrütet hatte, ohne sie zu verstehen bzw. ich verstand, dass etwas falsch ist und konnte nicht nachvollziehen, was. Um das aufzudröseln wollte ich mir einen ruhigen Moment nehmen, beschloss dann aber, dass das ja gar nicht meine Aufgabe ist sondern die Person, die das Geld haben will, die Rechnung halt erklären bzw. korrigieren muss.

Zwischendrin schrieb ich sogar noch einen Brief an das ZDF. Cucinacasalinga hatte mich dazu aufgefordert. Ich habe die Sendung von/mit Maybrit Illner nicht gesehen, natürlich nicht, ich gucke ja nix, konnte die Aufregung darüber also auch nicht richtig einordnen und glaube auch nicht an den großen Wert von Briefpost. Spielt aber keine Rolle. Es gibt einige (wenige) Personen in meinem Leben, wenn die mir sagen, ich solle etwas tun, frage ich nicht großartig nach sondern mache das halt. Sie schickte mir sogar einen Musterbrief, ich wollte ein paar andere Formulierungen und gab ChatGPT genauere Anweisungen. Zu meiner Überraschung (und Freude) erhielt ich ein Ergebnis, das ohne große Änderungen verwendet werden konnte, nur ein paar „indem“s änderte ich in andere Formulierungen. Der Entwurf klang angenehm vorwurfsvoll, so hätte ich es selbst gar nicht hinbekommen. Unzufrieden bin ich, dass die Anschrift irgendwas mit „Zuschauerservice“ beinhaltet. Wir entschieden aber, dieses Fass nicht im selben Schreiben aufzumachen.

Am Ende war ich dann schon 10 Minuten bevor Violinista zu Besuch kam fertig. Wir schauten die Aussicht aus verschiedenen Stockwerken an und ich führte mein Projekt der letzten 7 Monate vor. Riecht noch ganz neu.

Die tägliche Contentvorschlagliste fragt heute: „Was muss passieren, damit Sie jemandem nachträglich das ‚Sie‘ anbieten wollen?“

Tja, nun. Vermutlich müsste passieren, dass ich irgendwie eine komplett andere Person werde. Es ist mir runderheraus egal, ob ich eine Person sieze oder duze oder ob sie mich siezt oder duzt. Ich finde es egal für einfach alles.

15. Februar 2024

Nichts, rein gar nichts geschafft von dem, das ich schaffen wollte. Bis ich von der Bürotür zum Schreibtisch durchgekommen war, war schon eine Stunde mit verschiedenen Problemlösungen vergangen. Bis ich zum ersten Mal durch die aufgelaufenen E-Mails gelesen hatte, war es dann schon 11 Uhr und Zeit für den Termin mit der neuen Objektleitung, zum gegenseitigen Kennenlernen. Das Kennenlernen verlief ganz okay, der Herr war gut vorbereitet, hatte Unterlagen und Pläne dabei, allerdings auch ein Notizbuch mit der Prägung „work hard“, also ich weiß nicht, wie ich sowas ernst nehmen soll, was hat das denn zu bedeuten, doch hoffentlich nicht, dass er sich immer per Notizbuch selbst erinnern muss, abzuliefern. Egal, irgendwas ist immer. Er wirkte ansonsten vernünftig, mal sehen, wie weit er kommt mit den Leuten, die er zur Verfügung hat, mit allzu viel Kaugummi unterm Schuh kommt man halt nicht gut vorwärts.

Danach lief ich eigentlich nur noch herum und sprach mit Leuten aus den allerverschiedensten Anlässen. Ich bin langsam wieder bereit, Sachen mit Zahlen zu machen.

Die tägliche Contentvorschlagliste fragt heute: „Engagieren Sie sich ehrenamtlich?“

Nein, derzeit nicht. Wobei, stimmt ja gar nicht, ich habe ja gerade die Buchhaltung in einem gemeinnützigen Verein übernommen, also doch. Habe allerdings noch so gut wie nichts gemacht. Ich beginne also gerade ein Ehrenamt. Kein sonderlich umfangreiches.

„Früher“ habe ich mehr gemacht, Elternbeiratstätigkeiten in Kindergarten, Schule, Stadt- und Landeselternbeirat, Übersetzungen für Hilfsorganisationen und so Sachen. Dann geschahen Dinge und ich hatte erst einmal genug mit dem eigenen Leben bzw. dem der Familie zu tun. Jetzt habe ich wieder mehr Luft für sowas. Ich habe natürlich – wie das halbe Internet – auch überlegt, mich als Schöffin zu bewerben. Letztendlich habe ich mich dagegen entschieden, weil es mir zu fremdbestimmt/verbindlich in Bezug auf die Termine und zu langfristig ist, ich brauche momentan mehr Freiheit.

Mein großer Traum ist, irgendwann in der Frankfurter Mauerseglerklinik ehrenamtlich kleinen Mauerseglern das Fliegen beizubringen. Derzeit lässt sich das nicht mit meinen Arbeitszeiten kombinieren, irgendwann wird das aber ganz bestimmt noch klappen!

14. Februar 2024

Um 4 Uhr morgens zu Hause aufgeschlagen, völlig verrauchte und verklebte Klamotten in die Waschmaschine gesteckt und schlafen gegangen, Wecker auf 7 Uhr. Kann man machen, tut den Tag über dann allerdings ein bisschen weh.

Die Nacht war absolut alle Schmerzen wert. Es ist völlig unmöglich, sie in Gänze zu erzählen, erzählt klingt alles komplett bizarr und unglaubwürdig. Im Moment des Erlebens ergab alles Sinn. Von einem Aspekt möchte ich versuchen zu erzählen, weil ich diesen Teil des Abends noch nicht komplett bewältigt habe und immer wieder in haltloses Lachen ausbreche, wenn ich daran zurückdenke. Vielleicht wird es nach dem Aufschreiben besser.

Zeitpunkt war etwa Mitternacht, Ort ein Irish Pub, meine Begleitung und ich saßen auf Barhockern an einem kleinen Tisch und stritten uns hartnäckig (ja, dieselbe Begleitung, mit der ich vor einigen Monaten wegen Streit aus einer anderen Lokalität rausgeflogen bin), kamen zu keiner Einigung. Die Begleitung drehte sich schließlich entnervt um, tippt wahllos einer Person auf die Schulter. Die Person drehte sich um. Es war ein Mann unseres Alters, er trug eine strähnige blonde Langaarperücke, grob Helge-Schneider-Optik und eine große Brille ohne Gläser, das Brillengestell bestand aus zwei Herzen, die dicht mit Schmucksteinen beklebt waren. Zu dieser Erscheinung sagte meine Begleitung. „Entschuldigung, wir brauchen hier Hilfe, wir können nicht aufhören zu streiten und brauchen mal eine externe Einschätzung!“ Die Gestalt erwiderte mit recht tragender und stocknüchterner Stimme „Da habt ihr die richtige Person gefunden. Ich helfe euch gerne!“ Er setzte sich zu uns, stellte sich als „Nennt mich DEN GENERATOR“ vor und begann ohne zu zögern ein hochprofessionelles Beratungsgespräch mit Elementen aus Mediation, Supervision inklusive Aufstellung und allem drum und dran. Unglaublich kompetent, unglaublich schnell im Erkennen der wesentlichen Punkte mit einer ruhigen Autorität und deutlich Spaß an der Sache. Niemand von uns beiden kam mit dem eigenen Standpunkt ungeschoren davon und als er mit uns fertig war schaute ich in das so völlig konsternierte Gesicht meiner Begleitung, dass ich einen Lachanfall bekam, der mir die Bauchmuskeln verkrampfte, so dass ich vom Barhocker fiel, noch mehr lachen musste und so hysterisch heulend vor Lachen auf dem Boden kniete. Der Begleitung ging es angesichts dieses Spektakels ähnlich, nur lag er auf dem Tisch, kippte dabei ein paar Gläser um, die wieder auf mich fielen, ich musste noch mehr lachen, der Nachbartisch lachte mit und konnte nicht mehr aufhören, es war grauenhaft und unsagbar komisch. „Was war DAS denn?!“ konnte meine Begleitung immer nur noch sagen, und dann lachten wir wieder.

Heute dann, wie gesagt, Schmerzen, dazu wenig Konzentration und eine gewisse Empfindlichkeit, naja, der Tag ging auch rum und mein Büro duftet wie ein Floristikstudio, was daran liegt, dass ich mir selbst am Montag einen kleine Blumenstrauß gekauft habe, dann gestern im Rahmen einer Büroveranstaltung einen riesigen Blumenstrauß bekam und dann heute, zu meiner großen Irritation, mehrere einzelne Rosen geliefert wurden. Macht man das im Geschäftskontext jetzt am Valentinstag so? Mir ist das neu, ich kann mich nicht erinnern, dass das je vorgekommen wäre.

Jetzt sitze ich im Sessel und freue mich auf morgen. Da brennen meine Augen nicht und ich kann wieder problemlos denken.

12. Februar 2024

Völlig bizarrer Tag, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Von einer Person, die ein wenig angeschlagen aussah, auf Nachfragen versicherte, es sei alles bestens und dann stellte sich wenig später heraus, dass sie direkt von einer Vollnarkose aus an den Arbeitsplatz gekommen war über eine andere Person, die den Kauf eines Buchscanners anregte, damit man, nunja, besser Bücher scannen könnte, das sei sonst ja während der Arbeitszeit recht teuer, wenn man den Stundenlohn ansetzt hin zu einer Person, die einen Fremdlaptop ins Netz bringen wollte um „wenn nichts los ist“ für einen anderen Arbeitbgeber, direkte Konkurrenz übrigens, remote tätig zu sein. Den Rest dazwischen habe ich vergessen. Oder verdrängt. Beim Nachmittagskaffee fragte ich Cucinasacalinga, mittlerweile auch etwas angeschlagen: „Da es ja so viele sind, ist es eventuell möglich, dass die alle normal sind und ich die verrückte Person bin?“- „Du fragst möglicherweise die falsche“, sagte Cucinacasalinga mystisch.

Was soll ich noch sagen. Die Sachverhalte wurden alle einer angemessenen Lösung zugeführt. Naja außer dem verlegten Gruppenschlüssel dieser einen weiteren Person, da geraten wir nicht gleich an Tag 1 in Panik. Morgen ist ein neuer Tag. Da mache ich entspannte Sachen. Die Ausgaben vom Januar prüfen vielleicht. Wobei mir dabei einfällt, dass ich das heute auch machen wollte und dabei bemerkte, dass im System an sich etwas nicht spinnt, dass z.B. die Mietzahlungen der letzen 5 Jahre eines anderen Standortes meinem Januarbudget belastet werden und wenn ich in die Buchungen gehe falsche Dokumentationen, nämlich z.B. Taxirechnungen, anhängen. Das habe ich gemeldet. Es ist, soviel wissen wir schon, ein grundlegendes Problem, hat nur außer mir niemand bemerkt. „We will push the vendor for a quick resolution.“ Panik frühestens übermorgen.

Auf der Plus-Seite stand eine Pistazienschnecke.

Ich befasse mich heute mit zwei Themen aus der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste.

Der erste Eintrag lautet: „Einmal richtig unfreundlich und unverschämt sein“. Ja, machen Sie das. Machen Sie das mehr als einmal. Wir nennen es „situationsadäquat reagieren“. Es gibt immer mal gute Gründe, richtig unfreundlich und unverschämt zu sein, üben Sie es rechtzeitig ein, es ist ja dumm, das eigene Handlungsspektrum zu beschneiden.

Ich hoffe, ich habe die Frage richtig verstanden. Oder sollte ich einmal richtig unfreundlich und unverschämt sein? Dafür stehe ich hier nicht zur Verfügung. Fragen Sie, was Sie wollen und ich beantworte das alles, also lange es nicht eine dritte Person betrifft oder gegen irgendwas geht, das ich unterschrieben habe. Aber an die Art, wie ich mache, kommen Sie nicht dran. Ich lasse mir generell keine Stimmungen aufzwingen. I am the captain of my soul.

Das zweite Thema ziehe ich vor, es steht am 4. März drin, bezieht sich aber auf das Thema von gestern: zu viel Arbeit. Keine Ahnung, warum das in der Liste steht und kein Kommentar geworden ist. Jedenfalls lautete es: „Wenn tatsächlich zu viel Arbeit da ist, nichts weiteres delegierbar ist?“

Ich habe das bereits beantwortet. Wenn zu viel Arbeit da ist, wird ein Teil nicht mehr erledigt. Da geht es nicht dran vorbei. Auch, wenn Sie priorisieren wird ein Teil nicht erledigt. Sie können sich maximal noch aussuchen, ob Sie diese Tatsache gleich akzeptieren oder sich vorher noch ein bisschen oder auch komplett selbst zerstören; am Ergebnis ändert es nichts: das, was zu viel ist, bleibt ungetan.

Nach wie vor bin ich überzeugt, es geht um was anderes bei der Frage. Ringen Sie sich mal zu diesem Punkt durch und gucken Sie sich den an, dann wird es einfacher, weil Ihre Knöpfchen nicht mehr so unwillkürlich gedrückt werden.

11. Februar 2024

Sehr entspannter Tag. Ich wachte um 7 Uhr auf, beschoss, dass eine weitere Schlafrunde nicht schadet und wachte das nächste Mal um 9 Uhr auf. Ein halber Kaffee im Sessel und Internet dazu, dann bekam ich ganz wider Erwarten Hunger. Das ist sonst um diese Uhrzeit nie der Fall. Es gab Käsebrot und den Rest vom Rhabarbertörtchen von neulich, das hatte ich nicht ganz geschafft. Nun war es 11 Uhr und ich fand, den schlafenden Teenagern könne nun zugemutet werden, dass in der Wohnung jemand die Misatango übt.

Als ich merkte, dass in meinen Kopf jetzt nichts weiter hineingeht, räumte ich zur Entspannung zwei Küchenschränke und einen Badezimmerschrank aus und auf. Sehr schön jetzt. Entsorgt habe ich unter anderem Filterkaffee. Ich habe ja gar kein Gerät mehr, um den zuzubereiten, also weder eins mit Strom noch ohne. Ich weiß nicht, warum ich das Kaffeepulver so lange aufbewahrt habe. Auch entsorgt habe ich den entkoffeinierten Schwarztee. Der schmeckt mir nämlich nicht so gut wie der normale und ich habe ja überhaupt keine Probleme mit Koffein, zu keiner Uhrzeit. Da ist es Quatsch, den schlechter schmeckenden Tee zu trinken.

Aus dem anderen Küchenschrank sortierte ich abgelaufene Süßigkeiten heraus und beschloss, keine mehr vorrätig zu halten. Das Konzept taugt offensichtlich nicht mehr, ich meine, abgelaufene Schokolade, das ist ja lächerlich. Außerdem verließen eine Reihe Mitnehmkaffeebecher den Haushalt, einmal Pfandbecher, die ich zurückbringen werde und einmal eigene, die sehr alt (ca. 15 Jahre) und undicht sind. Neulich hatte ich versehentlich einen von denen mitgenommen, das war eine Riesensauerei.

Aus dem Badezimmerschrank kam gar nichts weg, es wurde nur umsortiert und in Schachteln gesteckt, so dass weniger Chaos herrscht und ich an die Dinge, die ich jeden Tag mindestens 1x brauche, sofort drankomme. Für den Badezimmerschrank habe ich sogar was nachbestellt, nämlich Sonnencreme.

Anschließend hatte Cucinacasalinga Zeit zum Plaudern und wir schauten gemeinsam das Buchhaltungsprogramm vom Chor an. Mir waren ein paar Dinge unklar, weil ich bisher nur „ganz strenge Buchhaltung“ kenne, also mit Buchungsabschlüssen und aufeinander folgenden Buchungsnummern und keiner Möglichkeit, nochmal was zu ändern, also außer durch eine Stornobuchung. Es gibt aber auch „nicht ganz so strenge Buchhaltung“, in der man natürlich auch alles ordentlich macht und es gleichzeitig nicht so wichtig ist, dass es unveränderbar ist. Eine solche Buchhaltung scheint der Chor zu haben, das hatte ich anfangs nicht verstanden und dachte, es sei alles nicht fertig. Dann überlegte ich mir noch ein paar Dinge, die mir die Arbeit erleichtern, insbesondere sind das solche, die Schreiben mit der Hand vermeiden und zur einfacheren Handhabung ausschließlich A4-Papier verwenden und nicht irgendwelche Zettelchen, egal wie bunt. Nebenher liefen Waschladungen.

Gegen 16 Uhr kam M nach Hause und hatte Hunger – ich hatte auch schon wieder Hunger! Wir beschlossen, das Abendessen vorzuziehen. Es gab Blumenkohl-Kartoffel-Curry mit Joghurt und Aprikosenchutney.

Anschließend hatte ich noch Gesangsstunde, telefonierte mit meiner Schwester, holte Herrn N. vom Bahnhof ab und sitze nun tiefenentspannt im Sessel.

Das Thema in der unverbindlichen Contentvorschlagliste heute lautet: „Umgang mit zu viel Arbeit“.

Ich habe den Verdacht, dass hier wieder nicht die Frage gestellt bzw. das Thema fokussiert wurde, um das es in diesem Zusammenhang eigentlich geht. Schauen wir mal.

Der Umgang mit zu viel Arbeit ist eine extrem simple Sache: Ist die Arbeit zu viel, wird ein Teil davon nicht gemacht. Fertig. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Etwas mehr gäbe es darüber zu sagen, wie sich das im Vorfeld abspielt, wie es zu „zu viel Arbeit“ überhaupt kommt, was die Gründe sind. Ist es mehr Arbeit oder komplexere Arbeit geworden oder ist die Zeit dafür weniger geworden oder ist die Energie dafür weniger geworden oder haben sich die Rahmenbedingungen verändert, kann alles sein, sind alles Faktoren, die man sich am besten anschaut, bevor wir bei „ist zu viel, wird nicht mehr komplett gemacht“ gelandet sind. Oder spätestens, wenn der Zeitpunkt gekommen ist aber bevor das, was nicht mehr gemacht wird, so problematisch wird, dass neue Arbeit daraus erwächst. Dazu muss man sprechen, meistens mit anderen. 

Wir nähern uns dem Punkt, den ich im Verdacht habe, hier das wirkliche Thema zu sein: die Erwartungen. Die Erwartungen der anderen an mich bzw, die Erwartungen, von denen ich annehme, dass andere sie an mich haben und die Erwartungen, die ich selbst an mich habe. 

Kann es sein, dass es eigentlich darum ging?

10. Februar 2024

Karneval hatte ich wirklich komplett vergessen. Dabei war ich ja gestern noch beim Bäcker in Frankfurt, und er beklagte, dass „Karneval nicht mehr so viel ist“, das sei früher mehr gewesen. Ich kann das nicht beurteilen, ich habe noch nie in Frankfurt Karneval betrieben, ich komme ja aus Düsseldorf, wenn, dann mache ich das da, sonst ist es ja Quatsch. Jedenfalls: kein Gedanken an Karneval kam mir in den Kopf, als ich Papa N. ankündigte, ihn am Wochenende besuchen zu kommen.

Im Zug dann erstaunlich viele schlecht gekleidete Menschen. Der Groschen fiel bei mir am HBF Köln.

Papa N. war guter Dinge. Als ich kam, machte er gerade ein Vormittagsschläfchen. Nach dem Mittagessen kam das Nachmittagsschläfchen, ich tat es ihm gleich bzw. ich übertrumpfte ihn, denn als ich wieder aufwachte, saß er schon im Sessel und las ein Buch. Anschließend schauten wir zusammen Bares für Rares und lästerten über die vermeintlichen „Verhandlungen“, das machen wir gern, Papa N. ist ein unfassbar guter Händler. Ansonsten sind sein Thema beim Fernsehen häufig Bärte der Herren, tendenziell lehnt er Bart ab und empfindet es als persönlichen Affront, wenn ein Moderator, den er häufig sieht plötzlich seine Gesichtsbehaarungsmode ändert. Da ich die Herren alle sowieso nicht kenne, fällt mir nichts auf, ist mir auch alles egal aber schimpfe gern gemeinsam mit Papa N. „Schweinehunde!“ ist eines unserer liebsten Schimpfworte.

Die Zugfahrten waren relativ ereignislos, die Hinfahrt pünktlich, auf der Rückfahrt erwischte ich einen Anschlusszug, der eigentlich schon weggewesen wäre, aber der Verspätung hatte, dadurch war ich eine halbe Stunde früher als geplant zu Hause. Ich hatte schon den Gedanken, dass die Bahn sich aktuell ein bisschen zusammenreißt, damit man den nächsten Streik überhaupt auch merkt. Dann schrieb mir allerdings meine Schwester, in ihrem Zug sei gerade durchgesagt worden, man habe sich leider verfahren und müsse jetzt wieder zurück, es würde länger dauern. Ich habe ja schon vieles im Zug erlebt, „Verfahren“ allerdings noch nicht. Das ist mir nur mal mit dem Bus passiert.

Die tägliche Contentvorschlagliste fragt: „Was haben Sie heute (oder zuletzt – falls heute nicht ergiebig ist) gelernt?“

Nunja, was heißt ergiebig. Ich habe heute gelernt, Pirogi mit Kartoffelfüllung zuzubereiten, das war so ergiebig, dass ich die mitgenommene Portion eingefroren habe, weil ich mir nicht vorstellen kann, in nächster Zeit wieder Pirogi zu essen.

Bei Bares für Rares habe ich etwas über Schmuckdesign gelernt, dass man zu einer bestimmten Zeit (wann das war habe ich vergessen) aufgehört hat, die Mechanik des Schmucks zu verbergen und sie statt dessen mit als Kunst zu betrachten begann, und dass es zu einem etwas späteren Zeitraum besonders üblich war, die Dreifaltigkeit der Edelsteine (Rubin, Saphir, Smaragd) einzuarbeiten, wegen der Farben. Außerdem habe ich einen Blauen Heinrich (den wir aus dem Zauberberg kennen) erstmalig live, bzw. im Fernsehen, gesehen, falls Sie das nicht kennen: es ist ein Taschenfläschchen „für Hustende“, bei Tuberkulose z.B. und es ist stark blau gefärbt, damit der Auswurf darin nicht so eklig aussieht. Wusste ich alles vorher nicht.

Ein paar polnische Ausspracheregeln habe ich noch mitgenommen im Zusammenhang mit einem Rezept für Quarkbällchen.

9. Februar 2024

Auf dem Weg zum Chor dachte ich: oh, ich kann später bloggen, dass ich heute keine nassen Füße bekommen habe!

Nunja.

Es gab heute einen neuen Probenplan im Chor und der bringt bei mir einiges durcheinander. Im positiven Sinne, es gibt ein Mindestmaß an Proben, an denen man für eine Konzertteilnahme mitmachen muss und da der Chor freitagabends probt, kollidiert das häufiger mit meinen Reiseplänen. Nun wurden einige Freitagsproben (wegen Brückentagen, langen Wochenenden, anderen Belangen) auf dienstags gelegt, da kann ich in der Regel, naja, es kollidiert dann ab und an mit dem Event von Herzbruch und mir aber ich bin zuversichtlich, dass ich mit ihr eine gute Lösung finden kann für diese Tage. Und im Austausch bieten sich mir neue Wochenendmöglichkeiten! Ich bin zufrieden.

Im Büro plante ich am neuen Projekt herum, bzw. nicht am Projekt an sich sondern an der stringenten Argumentation, warum wir das jetzt machen. Eine Argumentation, die über „ich hab einfach total Bock darauf“ hinausgehen sollte. Am Montag habe ich einen 15-Minuten-Termin bei meinem Chef, der die Sache genehmigen muss – bisher weiß er nicht von ihrer Existenz. Ich plane 5 Minuten Pitch, 5 Minuten Rückfragen, dann Entscheidung in meinem Sinne und dann haben wir 4 Minuten gespart und alle freuen sich.

Sonst war nichts, ich hatte keine Zeit für Nebentätigkeiten, morgens hatte ich früh einen Termin, Mittagspause habe ich vergessen, abends musste ich schnell los wegen Chor, jetzt bin ich gerade wieder zu Hause angekommen. Und topfit. Letzte Nacht war ich auch schon topfit, ich habe nicht den Eindruck, als hätte ich geschlafen, blieb aber trotzdem im Bett liegen, von 1 Uhr bis 6:30 Uhr, und dachte an schöne Dinge, ich nehme an, der Körper ruht sich dann auch irgendwie ohne Schlaf aus. Vermutlich bin ich doch ab und an weggedöst, sonst wäre ich ja jetzt nicht so munter. Ist auch irgendwie komplett egal. Morgen sitze ich mindestens zweimal zwei Stunden im Zug, da kann ich wieder Nebentätigkeiten machen, Mails und Kurznachrichten lesen und sowas, alle Apps zeigen zig neue Dinge an, ich werde mich nicht langweilen.

Heutige Contentlistenfrage: „Haben Sie schon mal Krautfleckerl gegessen (wie bei der Tante Jolesch) oder werden Sie in Wien welche essen?“

Ich weiß überhaupt nicht, was Krautfleckerl sind und habe auch die Tante Jolesch nicht gelesen. Zudem hat mich die Wiener Küche bei meinem letzten Besuch enttäuscht. Diese Enttäuschung verlief von einer Gans im Fettsee über trockenen Kaiserschmarrn zu bröseligem Apfelstrudel und kulminierte in den Salzburger Nockerln, die ich besonders übel genommen habe, denn seit ich sie mit ca. 5 Jahren mal im Urlaub in einem Lokal sah, wollte ich sie essen. Dass es dann eine der widerlichsten Speisen war, die ich je gegessen haben, hat mich schwer getroffen.

Zugegeben, das Schnitzel war in Ordnung, bekomme ich aber in gleicher Qualität und für 2/3 des Preises auch in Frankfurt. Hervorragend war das Egg Benedict, gilt aber wohl kaum als typisch österreichische Spezialität. Kurz: der nächste Urlaub in Wien wird kein kulinarischer sondern ein kultureller. Irgendwas werden wir sicher auch essen, aber keine signifikante Zeit darauf verwenden, so meine Einschätzung momentan.

8. Februar 2024

Vorübergehend kehrt etwas Ruhe ein. Erkannbar daran, dass sich die kleinen Aufgaben auf meinem (nicht existenten) Aufgabemzettelchen ansammeln und dafür die großen Punkte peu à peu verschwinden. Momentan ist nur noch einer da. Mir ist, wie gesagt, sehr bewusst, dass das vorübergehend ist, das nächste sehr große Projekt steht schon in zwei Monaten an, wird etwa ein Jahr dauern und sehr invasiv in den Alltag eingreifen. Da ich keine Sorge habe, dass mir dauerhaft langweilig wird, kann ich die Zeit bis dahin genießen.

Der Schwerpunkt meines Tages heute lag darin mich zu wundern, wie schwer es manchen Menschen fällt, in Ruhe über Dinge zu reden, die nicht gut gelaufen sind. Und sie letztendlich dazu zu bringen, das doch zu tun. Also nicht zu schimpfen, zu beschuldigen, abzustreiten, zu verzweifeln sondern einfach mal zu gucken: wieso war das so ruckelig, was ist da passiert, wo hätten wir eingreifen können, warum haben wir das nicht gemacht, können wir irgendwas tun, dass das besser wird. Gerade wenn alle Beteiligten nette Menschen sind, die ihre Sache gut machen wollen, handelt es sich oft um Missverständnisse, Fehlannahmen oder Zusammenhänge/Zwänge, die mit der eigentlichen Sache nichts zu tun haben, aber auf sie einwirken. Ich finde das spannend. Es lief im Mittel mittel, also an einer Stelle eigentlich ganz gut, an der anderen verblüffend schlecht. Warum habe ich nicht verstanden, es war eine Mischung aus „es ist halt so“ (was stimmt, das weiß ich, deshalb möchte ich es mir ja angucken und Wegen finden, es zu verbessern) und „lieber keine Unruhe stiften“ (was ich generell anders sehe, ich mag Unruhe ja). Da muss ich noch weiter dran basteln, aber der erste Aufschlag ist gemacht, das war mein Ziel für diese Woche und es ist erreicht, ich bin zufrieden.

Abends war ich mit AllOtherBirds zum Karaoke verabredet. Ich tappte in die übliche Falle: ich dachte, Karaoke sei um 19 Uhr, wollte also um 18;30 Uhr losgehen. Um 18:25 klingelte mein Wecker, ich schaute auf den Kalender und da stand „Karaoke 19:15 Uhr“. Boah, noch so viel Zeit, da kann ich ja noch schnell was erledigen! Ich erledigte schnell etwas, dann stand wer in der Tür, dann klingelte das Telefon, dann wollte ich mir noch die Lippen nachziehen, dann war die Brille dreckig, nunja, ich eilte wie eine Aficionada der olympischen Diziplin „Gehen“ davon und kam um exakt 19:15 Uhr vor der Karaoke-Bar wieder zum stehen. Sofort wurde ich namentlich begrüßt, sofort war alles gut. Das Licht in der Karaokebar ist übrigens so ähnlich wie bei Mr. Wash. Vielleicht fühle ich mich deshalb an beiden Orten so wohl.

Frage in der täglichen Contentvorschlagliste heute: „Was genau machen Sie eigentlich beruflich?“

Das kann ich leider hier nicht aufschreiben. Gehen Sie mit mir zum Karaoke (oder zu Mr. Wash), dann erzähle ich es gern. Kaffee oder Kaltgetränk geht natürlich auch.

7. Februar 2024

Heute war ein Tag ohne irgendwelche speziellen Vorkommnisse. Ein paar Lacher, ein paar Aufreger, einpaar mal den Kopf auf die Tischplatte schlagen, ein paar random acts of kindness.

Mittags war ich mit Fragmente Essen, eigentlich wollten wir ins Steakhouse, doch dann dachten wir über einen kürzeren Weg nach, das ging von mir aus, ich trug nämlich Chucks und hatte schon seit morgens um 8 Uhr nasse Füße. Allzu schlimm fand ich das nicht, hatte die Situation sehenden Auges in Kauf genommen, war allerdings nicht so richtig spazierfreudig. Außerdem hatte ich gar keinen Hunger, allenfalls auf eine süße Kleinigkeit, dafür sind Steakhäuser nicht unbedingt bekannt. Wir gingen in ein kurdisch-türkisches Lokal, dort aß ich Müsli und war sehr zufrieden.

Bei Feierabend fuhr keine S-Bahn, auf verschlungenen Wegen mit diversen Umstiegen gelangte ich trotzdem ungefähr zur selben Zeit nach Hause wie sonst. Dabei fragte ich mich, wie ich solche Situationen früher, als es noch keine Handys gab, gelöst habe und erinnerte mich, dass ich eigentlich das gesamte Düsseldorfer Straßenbahn- und Busnetz auswendig konnte und es gleichzeitig so gut wie nie geschah, dass eine Bahn einfach nicht kam bzw. wenn, dann mal eine, aber nicht für die nächste Dreiviertelstunde alles.

So war ich abends pünktlich zum Event mit Frau Herzbruch – ich bin sonst meistens zu spät, das liegt daran, dass wir es von 21 Uhr vorverlegt haben, ich aber selten vor 21 Uhr irgendwo sitze. Das ist bekannt und von Frau Herzbruch in Kauf genommen, es ist ihr offenbar lieber, mich um 20 Uhr + 10 Minuten Verspätung und leicht derangiert zu treffen also um 21 Uhr superpünktlich und top in Form. Kann man auch mal drüber nachdenken.

Nun ist unser Event beendet, ich sitze aber nicht im Sessel, da sitzt der Kater und ist so niedlich, dass ich es nicht übers Herz bringe, ihm den Platz streitig zu machen.

Die tägliche Contentvorschlagliste wurde aufgefüllt. Heute steht da: „Sie sagen, Sie seien keine entspannte Person. Was macht sie angespannt?“

Mich macht nichts speziell angespannt. Ich bin so gut wie nie gestresst und nicht häufig nervös. Mir liegt nur Egalness nicht, ich brauche, um mich wohl zu fühlen, einen Reiz, Reibung, vermutlich in etwas stärkerem Maße als andere und ich neige deshalb dazu, das herbeizuführen. Es kann sein, dass das häufig etwas intensiv wirkt und für andere anstrengend ist. Es ist eine Disposition, vermutlich. Auf Kommando- bzw. eher per Entschluss – kann ich mich auch komplett entspannen, so ziemlich von jetzt auf gleich, innerlich wie äußerlich. Das mache ich zum Beispiel wenn ich einschlafen möchte. Oder wenn jemand zu mir sagt „jetzt entspann dich mal!“, aus Spaß. Das geht durchaus, nur das dazwischen, das „Normalmaß“ liegt mir nicht so.

6. Februar 2024

Aufgewacht mit klarem Kopf und völlig schmerzfrei, was für ein absolut wunderbares Gefühl! Nur ein wenig früher als erhofft, nämlich um 20 nach 5, obwohl ich erst um 8 Uhr aufstehen musste. Ich vertrieb mir die Zeit mit Dingen wie Nägel lackieren, Tee trinken, Katze bürsten.

Überpünktlich traf ich auch beim Friseur ein, bekam guten Kaffee und ging mit in den Keller, um die defekte Gastherme anzuschauen und kluge Sprüche zu schwingen. Das Haus ist sehr alt, die Gastherme auch, ich habe häufig den ersten Termin morgens, die Situation, dass das Ding nicht anspringt, ist mir also gut bekannt. Ich kenne auch schon den Namen des Vermieters und den Sohn des Vermieters, der dann immer schnell mit einem Werkzeugkoffer kommt. Bisher ging es jedes Mal gut und mir konnte mit warmem Wasser das Haar gewaschen werden. Auch heute hatte ich Glück, wobei ich denke, dass die Farbe für die Strähnchen etwas länger als üblich einwirkte. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut, es wirkt halt optisch sehr sommerlich.

Das soll keine Klage sein, ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis, wie immer, ich gehe einfach unfassbar gerne zum Haareschneiden, hätte es am liebsten, wenn mir jeden Morgen irgendwer den nachgewachsenen Viertelmillimeter abschneiden würde.

Achso, ich kann jetzt wieder aufhören, „unfassbar“ zu sagen. Wir hatten ein kleines Experiment im Büro. Nur aus Spaß, vielleicht auch edukativ, ich zeige ja immer gern, wie Machtübernahme geht und mit einer kleinen Gruppe Menschen, mit mir vier Personen, ging es darum, wie Sprache beeinflusst werden kann. Eine aus dieser Gruppe sagt sehr oft „unfassbar“ und wir suchten uns dieses Wort aus, in dem Ansinnen, es so häufig zu verwenden, dass andere mitgerissen werden. Um den Erfolg oder Misserfolg besser beurteilen zu können, zählten wir vorher eine Woche lang, wie oft uns das Wort im Bürokontext begegnet. Es war nur sehr vereinzelt der Fall. Dann bemühten wir uns, als Verstärker ausschließlich nur noch „unfassbar“ zu sagen und zu schreiben, wann immer es sich anbot. Das Experiment begann zum neuen Jahr. Mittlerweile hören wir „unfassbar“ mehrmals täglich und allein heute sagte der Chef es in einer kleinen (zugegeben: unerfreuten) Ansprache zweimal innerhalb von wenigen Minuten. Ich denke, der Punkt ist gemacht. Jetzt kann ich wieder unglaublich, unwahrscheinlich, ungewöhnlich und überaus als Verstärker benutzen. Muss mir nur das „unfassbar“ erst wieder abgewöhnen.

Während ich beim Friseur saß, klingelte ständig mein Telefon, irgendwann antwortete ich dann und es war das Büro, das mir mitteilte, der Chef wolle mich enorm dringend bei allernächster Gelegenheit persönlich sprechen. Das ist eine ungewöhnliche Situation, meistens will ich ihn unbedingt bei allernächster Gelegenheit persönlich sprechen. Ich überlegte, ob ich möglicherweise irgendwas angestellt hatte, mir fiel aber beim besten Willen nichts ein. Ich hatte gar keine Zeit in den letzten Wochen, Grenzen auszutesten. Auch ein untragbarer Zustand. Wie soll irgendwas weitergehen, wenn ich alles immer mache, wie gehabt? Ich muss wieder mehr Zeit zum Ausprobieren finden.

Der Nachmittag verging vergnüglich, eine Mitarbeiterin war krank, ihre Kollegin ist noch ganz neu, ich setzte mich also zu ihr in den Raum, damit sie jemandem zum Fragenstellen hat, ab dem späten Nachmittag sitzt in dem Raum auch noch eine studentische Aushilfe, die ich sehr gerne mag, es ging sehr lebhaft zu und ich war fast etwas traurig, als ich abends aufbrechen musste zum Chor, nicht zur Probe, sondern um dort der Kassenprüfung beizuwohnen und anschließend die Buchhaltung zu übernehmen. Das ist nun also auch erledigt.

Frage in der täglichen unverbindlichen Contentvorschlagliste (übrigens bis auf Weiteres die letzte) heute: „Sie scheinen nie unsicher zu sein, sagen „man muss sich entscheiden“ – aber wenn ich mich zu schnell entscheide, ist das Ergebnis oft mies – kennen Sie das Gefühl von Ambivalenz überhaupt?“

Naja. Vielleicht übersehen Sie, dass es auch eine Entscheidung ist, sich nicht zu entscheiden?

Ich bin nie sicher. Nie. Ich bin immer ambivalent, ich möchte fast sagen multivalent.

Nicht sicher zu sein, ist völlig normal. Wenn eine Entscheidung sicher getroffen werden könnte, gäbe es nichts zu entscheiden, es wäre ja ganz klar, welche Variante wir wählen, andernfalls wären wir ziemlich blöd. Echte Entscheidungen sind nur solche, bei denen Ambiguität besteht. Es ist nicht möglich, diese Entscheidungen mit dem zur Verfügung stehenden Wissen sachlich-logisch sicher korrekt zu entscheiden. Uns fehlen Informationen, wir müssen Annahmen über die Zukunft treffen. Es gibt da keine Sicherheit. Wir tun das nach bestem Wissen und Gewissen und hoffen, dass es gut ausgeht.

Wenn es gut wird, freuen wir uns, wissen aber nicht, ob die Alternative nicht eventuell noch besser gewesen wäre, ist uns aber auch meistens egal, es ist ja alles gut. Wenn es mies wird, wissen wir nicht, ob die Alternative nicht noch katastrophaler verlaufen wäre, interessanterweise tendieren wir in diesem Fall dazu, fest anzunehmen, dass es besser geworden wäre, wenn wir uns nur anders entschieden hätten und uns für eine Fehlentscheidung zu zerfleischen. Und das, obwohl wir die andere Realität nie erlebt haben, nie erleben können, nie wissen können, ob sie wirklich besser gewesen wäre. 

Vielleicht ist der Punkt, der Sie umtreibt, nicht Ihre Unsicherheit in Entscheidungssituationen sondern Ihr Umgang mit dem Zustand danach: für etwas verantwortlich zu sein, das nicht zur Glückseligkeit für alle geführt hat.

Ich bin nicht sicherer, ich verweigere mich nur der inneren Selbstzerstörung. Ich entscheide mit allem, was ich habe, so gut, wie ich es im entsprechenden Moment kann und immer nach meiner Überzeugung, nie nach dem, was andere erwarten. Deshalb muss ich mir auch später nie „hätte ich doch, ich wusste es doch…“ denken, denn wenn ich gewusst hätte, hätte ich ja. Mehr ging nicht, mehr geht nicht.