Ich habe noch einen Teil Reisebericht nachzuliefern.
Gestern haben wir so viel erlebt, dass ich gar nicht mehr alles zusammenbringe. Frau Herzbruch war beim Aufwachen quasi wie neu, das war unerwartet, aber auch gut. Körperlich meine ich, in Bezug auf Persönlichkeit war sie unverändert, das war mir sehr recht, man hat sich ja auf eine bestimmte Disposition der Urlaubsbegleitung eingestellt, wenn jetzt ein ganz anderer Mensch morgens im Raum wäre, müsste man sich umgewöhnen. Das wollte ich eigentlich gar nicht schreiben.
Wir gingen zunächst Frühstücken. Das Frühstück war gut und ich bekam meinen ersten guten Kaffee in Wien. Ich hatte um den größtmöglichen Kaffee gebeten, mir wurde ein Latte Macchiato empfohlen mit „schön viel Milch“, ich bat darum, noch einen weiteren Espressoshot zuzufügen und dann war es gut. Bisher waren meine Kaffees in Wien tendenziell grauenhaft. Kleine Tassen, eher unaromatisch-plörrige Angelegenheiten, wenig Wumms. Frau Herzbruch theoretisiert, dass es eventuell daran liegt, dass Wien ja eine eigenen Kaffeekultur hat, wir bei uns hingegen ja nie eine hatten und daher die (für mich geschmacklich überlegene) italienische Kaffeekultur angenommen haben. Zum sehr guten Kaffee gab es ein hervorragendes Egg Benedict.
Man saß sehr gut, daher saßen wir sehr lang und schon war es Zeit, aufzubrechen um mit dem Hop-on-Hop-off-Bus zum Schloss Schönbrunn zu fahren. Frau Herzbruch hatte uns dort eigeninitiativ eine Strudel-Show gebucht.
Es ließ sich alles sehr schlecht und tourifallenhaft an und war dann ein super Erlebnis. Bis zum Ende blieb völlig unklar, ob Strudelshowbäcker Robbie seinen Job irrsinnig liebt oder abgrundtief hasst, er war jedenfalls komplett on edge und das machte es spannend, für einen kurzen Moment hielt Frau H (und ich selbst) es nicht für ausgeschlossen, dass er gleich Strudelteig nach mir wirft. Der Strudel selbst war okayisch, auf Kaffee hatten wir angesichts der bisherigen Erkenntnisse zugunsten von Cola Zero verzichtet. Frau H besuchte noch die schlimmsten Toiletten von ganz Wien, dann machten wir eine VR-Tour über die Herrschaftsgeschichte Österreichts, anfangs war mir vom Herumfliegen angenehm übel, dann wurde es langweilig.
Weiter ging es Hop-on-Hop-Off, zunächst zum Stephansdom, unangenehme Pro-Palästina-Demo davor, wir gingen hinein, es war gerade Messe, ich regte an, dass wir uns ein bisschen dazu setzen, um in Ruhe schauen und das Ambiente wirken lassen zu können, Frau H ging darauf scheinbar emotionslos ein aber entwickelte im Verlauf ein mir unvertraute Emphase in der Situation und schleifte (oder schliff? Der Ton wurde recht scharf) mich zum Abendmahl.
Anschließend kehrten wir zurück in die Bristol Bar, dort waren wir am Vortag ja schon gewesen. Ein Zufallsfund. Frau H hatte wegen Schulterschmerzen gesagt, sie würde gern irgendwo sitzen, wo es gute Cocktails gibt und Sessel mit Armlehnen, zentrale Lage, also hatte ich diese Parameter in die Google-Bildersuche eingegeben und wir waren auf die Bristol-Bar gestoßen, die perfekte Erfüllung aller Kriterien bot. Ich trank den besten Cocktail der Welt: „Styrian Oil“, er enthält Old Plum Rum und Kürbiskernöl. Wir mussten dann leider weiter zum Essen, reservierten den Tisch in der Bar aber für 21:30 Uhr.
Das Essen hätten wir uns besser erspart, es war ein insgesamt unnötiges Erlebnis, ich glaube, Frau Herzbruch beschreibt es genauer, ich habe selbst keine Lust mehr, es in meinem Kopf zu haben. Zurück in der Bar wurde alles ganz hervorragend, der Kellner stellte sich als Erfinder des „Styrian Oil“ heraus und verriet uns das Rezept. Wir blieben, bis wir den Eindruck hatten, wir sollten gehen, um den Heimweg noch absolvieren zu können. Das Kofferpacken vertagten wir auf den nächsten Morgen.